Dinge unmöglich ist, verbunden mit dem Selbstgefühl von einem im Körper lebenden besondern Wesen, ist hinreichend, diesen Materialismus zu widerlegen. Hiezu kömmt noch, daß aus allen möglichen Verbindungen, Trennungen und Bewegungen der Materie sich nie das Entstehen eines Bewußtseyns oder Gedankens, nie die Auffassung und Vergleichung der Ideenbilder erklären läßt. Herr de Lüc (Phys. und moral. Briefe über die Geschichte der Erde und des Menschen, Th. I. S. 60. u. f.) hat über die Natur des Menschen und die wesentliche Verschiedenheit des empfindenden Wesens von seinen Organen sehr lehrreiche und eines denkenden Physikers würdige Betrachtungen angestellt, welche das Unzulängliche des Materialismus, aber auch die engen Grenzen unserer Kenntnisse von der Welt überhaupt, sehr deutlich zeigen.
Mitten unter den gegen einander laufenden Meinungen der Dualisten, Idealisten und Materialisten fand Hr. von Leibnitz(Princip. philos. in Opp. p. Lud. Dutens. Genev. 1768. VI. To. 4. Tom. II.) einen sinnreichen Ausweg. Die Argumente der Idealisten, daß der aus unserm Selbstgefühl entstandene Begrif der Eristenz nur auf geistige Wesen, wie wir selbst sind, übergetragen werden könne, und daß unsere Begriffe von Materie sich doch am Ende blos im Begriffe von Erscheinungen und Eigenschaften auflösen, schienen ihm stark genug, um Zweifel gegen die Wirklichkeit ausgedehnter Atomen zu erregen, die doch, in sofern sie ausgedehnt sind, wenigstens im Verstande noch theilbar, und also keine wahren ausdrücklichen Einheiten wären. Dem zufolge nahm er die Ausdehnung selbst mit allen sinnlichen Eigenschaften für einen bloßen Schein an, der aus einer zusammenfließenden verworrenen Vorstellung einfacher Substanzen entstehe. Diese einfachen Dinge oder Monaden sieht er als ähnlich mit den geistigen Substanzen, als Vorstellungskräfte an, deren jede ihre bleibende Grundbestimmung hat. Die ganze Welt macht eine stetige Reihe von solchen Vorstellkräften aus, deren Beschaffenheit und Größe verschieden ist. Die
Dinge unmoͤglich iſt, verbunden mit dem Selbſtgefuͤhl von einem im Koͤrper lebenden beſondern Weſen, iſt hinreichend, dieſen Materialismus zu widerlegen. Hiezu koͤmmt noch, daß aus allen moͤglichen Verbindungen, Trennungen und Bewegungen der Materie ſich nie das Entſtehen eines Bewußtſeyns oder Gedankens, nie die Auffaſſung und Vergleichung der Ideenbilder erklaͤren laͤßt. Herr de Luͤc (Phyſ. und moral. Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, Th. I. S. 60. u. f.) hat uͤber die Natur des Menſchen und die weſentliche Verſchiedenheit des empfindenden Weſens von ſeinen Organen ſehr lehrreiche und eines denkenden Phyſikers wuͤrdige Betrachtungen angeſtellt, welche das Unzulaͤngliche des Materialismus, aber auch die engen Grenzen unſerer Kenntniſſe von der Welt uͤberhaupt, ſehr deutlich zeigen.
Mitten unter den gegen einander laufenden Meinungen der Dualiſten, Idealiſten und Materialiſten fand Hr. von Leibnitz(Princip. philoſ. in Opp. p. Lud. Dutens. Genev. 1768. VI. To. 4. Tom. II.) einen ſinnreichen Ausweg. Die Argumente der Idealiſten, daß der aus unſerm Selbſtgefuͤhl entſtandene Begrif der Eriſtenz nur auf geiſtige Weſen, wie wir ſelbſt ſind, uͤbergetragen werden koͤnne, und daß unſere Begriffe von Materie ſich doch am Ende blos im Begriffe von Erſcheinungen und Eigenſchaften aufloͤſen, ſchienen ihm ſtark genug, um Zweifel gegen die Wirklichkeit ausgedehnter Atomen zu erregen, die doch, in ſofern ſie ausgedehnt ſind, wenigſtens im Verſtande noch theilbar, und alſo keine wahren ausdruͤcklichen Einheiten waͤren. Dem zufolge nahm er die Ausdehnung ſelbſt mit allen ſinnlichen Eigenſchaften fuͤr einen bloßen Schein an, der aus einer zuſammenfließenden verworrenen Vorſtellung einfacher Subſtanzen entſtehe. Dieſe einfachen Dinge oder Monaden ſieht er als aͤhnlich mit den geiſtigen Subſtanzen, als Vorſtellungskraͤfte an, deren jede ihre bleibende Grundbeſtimmung hat. Die ganze Welt macht eine ſtetige Reihe von ſolchen Vorſtellkraͤften aus, deren Beſchaffenheit und Groͤße verſchieden iſt. Die
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Dinge unmoͤglich iſt, verbunden mit dem Selbſtgefuͤhl von einem im Koͤrper lebenden beſondern Weſen, iſt hinreichend, dieſen Materialismus zu widerlegen. Hiezu koͤmmt noch, daß aus allen moͤglichen Verbindungen, Trennungen und Bewegungen der Materie ſich nie das Entſtehen eines Bewußtſeyns oder Gedankens, nie die Auffaſſung und Vergleichung der Ideenbilder erklaͤren laͤßt. Herr de Luͤc (Phyſ. und moral. Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, Th. I. S. 60. u. f.) hat uͤber die Natur des Menſchen und die weſentliche Verſchiedenheit des empfindenden Weſens von ſeinen Organen ſehr lehrreiche und eines denkenden Phyſikers wuͤrdige Betrachtungen angeſtellt, welche das Unzulaͤngliche des Materialismus, aber auch die engen Grenzen unſerer Kenntniſſe von der Welt uͤberhaupt, ſehr deutlich zeigen.
Mitten unter den gegen einander laufenden Meinungen der Dualiſten, Idealiſten und Materialiſten fand Hr. von Leibnitz (Princip. philoſ. in Opp. p. Lud. Dutens. Genev. 1768. VI. To. 4. Tom. II.) einen ſinnreichen Ausweg. Die Argumente der Idealiſten, daß der aus unſerm Selbſtgefuͤhl entſtandene Begrif der Eriſtenz nur auf geiſtige Weſen, wie wir ſelbſt ſind, uͤbergetragen werden koͤnne, und daß unſere Begriffe von Materie ſich doch am Ende blos im Begriffe von Erſcheinungen und Eigenſchaften aufloͤſen, ſchienen ihm ſtark genug, um Zweifel gegen die Wirklichkeit ausgedehnter Atomen zu erregen, die doch, in ſofern ſie ausgedehnt ſind, wenigſtens im Verſtande noch theilbar, und alſo keine wahren ausdruͤcklichen Einheiten waͤren. Dem zufolge nahm er die Ausdehnung ſelbſt mit allen ſinnlichen Eigenſchaften fuͤr einen bloßen Schein an, der aus einer zuſammenfließenden verworrenen Vorſtellung einfacher Subſtanzen entſtehe. Dieſe einfachen Dinge oder Monaden ſieht er als aͤhnlich mit den geiſtigen Subſtanzen, als Vorſtellungskraͤfte an, deren jede ihre bleibende Grundbeſtimmung hat. Die ganze Welt macht eine ſtetige Reihe von ſolchen Vorſtellkraͤften aus, deren Beſchaffenheit und Groͤße verſchieden iſt. Die
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/159>, abgerufen am 22.11.2024.
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