Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


die Wasserfläche BC nicht ruhig, daher die anliegende Luft in die höhern Stellen eindringen und das Wasser zertrennen kan. Sie steigt alsdann in Blasen nach A auf; das ist eben so viel, als ob A nicht mehr verschlossen wäre, und so läuft in diesem Falle das Wasser gar bald aus dem Gefäße, Legt man aber vor die Oefuung BC ein Blatt Papier, durch dessen Anhängen das Schwanken und die Trennung der Wasserfläche vermieden wird, so kan man Wasser in einem umgekehrten ofnen Trinkglase tragen. Ein Gießfaß, wie ABC gestaltet, wo der Boden BC mit lauter kleinen Löchern durchstochen ist, in denen sich Luft und Wasser nicht ausweichen können, (clepsydra, Aristot. Physic. IV. 6.) hält das Wasser, wenn man A mit dem Finger verschließt, und gießt, wenn man es öfnet. So läuft nichts aus dem Hahne eines Fasses, so lang das Spundloch verschlossen ist. Man s. auch die Art. Stechheber, Zauberbrunnen, Zaubertrichter. Dies alles beweißt, daß sich die Luft an der Erdfläche auszubreiten strebe, und also schon im Zustande einer Zusammendrückung sey.

Die Ursache nun, welche die Luft um uns her zusammendrückt, kan keine andre seyn, als das Gewicht. der über ihr liegenden Luft. Es ist nichts weiter vorhanden, was die untere Luft drücken könnte, als diese obere. So erkennen wir, daß die Luft, wie alle bekannte Materien, ein Gewicht habe, oder schwer sey. Dies ist auch schon daraus klar, weil die Luft durch ihre Elasticität sich in die freyen Räume des Himmels verbreiten und den Erdball ganz verlassen würde, wenn sie nicht durch die Schwere an demselben zurückgehalten würde.

Diese Eigenschaften der Lust sind erst seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts vollständig bekannt geworden, s. Barometer. Galilei und Torricelli gaben hiezu die ersten Veranlassungen, Descartes und Pascal stürzten das aristotelische System und gaben die richtigen Erklärungen der Phänomene an; Otto von Guericke erfand die Luftpumpe, durch deren Hülfe diese Lehren noch mehr bestätigt, und von Boyle und Mariotte erweitert wurden, bis ihnen endlich Wolf die Form einer eignen Wissenschaft gab, welche


die Waſſerflaͤche BC nicht ruhig, daher die anliegende Luft in die hoͤhern Stellen eindringen und das Waſſer zertrennen kan. Sie ſteigt alsdann in Blaſen nach A auf; das iſt eben ſo viel, als ob A nicht mehr verſchloſſen waͤre, und ſo laͤuft in dieſem Falle das Waſſer gar bald aus dem Gefaͤße, Legt man aber vor die Oefuung BC ein Blatt Papier, durch deſſen Anhaͤngen das Schwanken und die Trennung der Waſſerflaͤche vermieden wird, ſo kan man Waſſer in einem umgekehrten ofnen Trinkglaſe tragen. Ein Gießfaß, wie ABC geſtaltet, wo der Boden BC mit lauter kleinen Loͤchern durchſtochen iſt, in denen ſich Luft und Waſſer nicht ausweichen koͤnnen, (clepſydra, Ariſtot. Phyſic. IV. 6.) haͤlt das Waſſer, wenn man A mit dem Finger verſchließt, und gießt, wenn man es oͤfnet. So laͤuft nichts aus dem Hahne eines Faſſes, ſo lang das Spundloch verſchloſſen iſt. Man ſ. auch die Art. Stechheber, Zauberbrunnen, Zaubertrichter. Dies alles beweißt, daß ſich die Luft an der Erdflaͤche auszubreiten ſtrebe, und alſo ſchon im Zuſtande einer Zuſammendruͤckung ſey.

Die Urſache nun, welche die Luft um uns her zuſammendruͤckt, kan keine andre ſeyn, als das Gewicht. der uͤber ihr liegenden Luft. Es iſt nichts weiter vorhanden, was die untere Luft druͤcken koͤnnte, als dieſe obere. So erkennen wir, daß die Luft, wie alle bekannte Materien, ein Gewicht habe, oder ſchwer ſey. Dies iſt auch ſchon daraus klar, weil die Luft durch ihre Elaſticitaͤt ſich in die freyen Raͤume des Himmels verbreiten und den Erdball ganz verlaſſen wuͤrde, wenn ſie nicht durch die Schwere an demſelben zuruͤckgehalten wuͤrde.

Dieſe Eigenſchaften der Luſt ſind erſt ſeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts vollſtaͤndig bekannt geworden, ſ. Barometer. Galilei und Torricelli gaben hiezu die erſten Veranlaſſungen, Descartes und Paſcal ſtuͤrzten das ariſtoteliſche Syſtem und gaben die richtigen Erklaͤrungen der Phaͤnomene an; Otto von Guericke erfand die Luftpumpe, durch deren Huͤlfe dieſe Lehren noch mehr beſtaͤtigt, und von Boyle und Mariotte erweitert wurden, bis ihnen endlich Wolf die Form einer eignen Wiſſenſchaft gab, welche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0014" xml:id="P.3.8" n="8"/><lb/>
die Wa&#x017F;&#x017F;erfla&#x0364;che <hi rendition="#aq">BC</hi> nicht ruhig, daher die anliegende Luft in die ho&#x0364;hern Stellen eindringen und das Wa&#x017F;&#x017F;er zertrennen kan. Sie &#x017F;teigt alsdann in Bla&#x017F;en nach <hi rendition="#aq">A</hi> auf; das i&#x017F;t eben &#x017F;o viel, als ob <hi rendition="#aq">A</hi> nicht mehr ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wa&#x0364;re, und &#x017F;o la&#x0364;uft in die&#x017F;em Falle das Wa&#x017F;&#x017F;er gar bald aus dem Gefa&#x0364;ße, Legt man aber vor die Oefuung <hi rendition="#aq">BC</hi> ein Blatt Papier, durch de&#x017F;&#x017F;en Anha&#x0364;ngen das Schwanken und die Trennung der Wa&#x017F;&#x017F;erfla&#x0364;che vermieden wird, &#x017F;o kan man Wa&#x017F;&#x017F;er in einem umgekehrten ofnen Trinkgla&#x017F;e tragen. Ein Gießfaß, wie <hi rendition="#aq">ABC</hi> ge&#x017F;taltet, wo der Boden <hi rendition="#aq">BC</hi> mit lauter kleinen Lo&#x0364;chern durch&#x017F;tochen i&#x017F;t, in denen &#x017F;ich Luft und Wa&#x017F;&#x017F;er nicht ausweichen ko&#x0364;nnen, <hi rendition="#aq">(clep&#x017F;ydra, Ari&#x017F;tot. Phy&#x017F;ic. IV. 6.)</hi> ha&#x0364;lt das Wa&#x017F;&#x017F;er, wenn man <hi rendition="#aq">A</hi> mit dem Finger ver&#x017F;chließt, und gießt, wenn man es o&#x0364;fnet. So la&#x0364;uft nichts aus dem Hahne eines Fa&#x017F;&#x017F;es, &#x017F;o lang das Spundloch ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t. Man &#x017F;. auch die Art. <hi rendition="#b">Stechheber, Zauberbrunnen, Zaubertrichter.</hi> Dies alles beweißt, daß &#x017F;ich die Luft an der Erdfla&#x0364;che auszubreiten &#x017F;trebe, und al&#x017F;o &#x017F;chon im Zu&#x017F;tande einer Zu&#x017F;ammendru&#x0364;ckung &#x017F;ey.</p>
            <p>Die Ur&#x017F;ache nun, welche die Luft um uns her zu&#x017F;ammendru&#x0364;ckt, kan keine andre &#x017F;eyn, als das Gewicht. der u&#x0364;ber ihr liegenden Luft. Es i&#x017F;t nichts weiter vorhanden, was die untere Luft dru&#x0364;cken ko&#x0364;nnte, als die&#x017F;e obere. So erkennen wir, daß die Luft, wie alle bekannte Materien, ein Gewicht habe, oder &#x017F;chwer &#x017F;ey. Dies i&#x017F;t auch &#x017F;chon daraus klar, weil die Luft durch ihre Ela&#x017F;ticita&#x0364;t &#x017F;ich in die freyen Ra&#x0364;ume des Himmels verbreiten und den Erdball ganz verla&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ie nicht durch die Schwere an dem&#x017F;elben zuru&#x0364;ckgehalten wu&#x0364;rde.</p>
            <p>Die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaften der Lu&#x017F;t &#x017F;ind er&#x017F;t &#x017F;eit der Mitte des vorigen Jahrhunderts voll&#x017F;ta&#x0364;ndig bekannt geworden, &#x017F;. <hi rendition="#b">Barometer. Galilei</hi> und <hi rendition="#b">Torricelli</hi> gaben hiezu die er&#x017F;ten Veranla&#x017F;&#x017F;ungen, <hi rendition="#b">Descartes</hi> und <hi rendition="#b">Pa&#x017F;cal</hi> &#x017F;tu&#x0364;rzten das ari&#x017F;toteli&#x017F;che Sy&#x017F;tem und gaben die richtigen Erkla&#x0364;rungen der Pha&#x0364;nomene an; <hi rendition="#b">Otto von Guericke</hi> erfand die Luftpumpe, durch deren Hu&#x0364;lfe die&#x017F;e Lehren noch mehr be&#x017F;ta&#x0364;tigt, und von <hi rendition="#b">Boyle</hi> und <hi rendition="#b">Mariotte</hi> erweitert wurden, bis ihnen endlich <hi rendition="#b">Wolf</hi> die Form einer eignen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft gab, welche<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0014] die Waſſerflaͤche BC nicht ruhig, daher die anliegende Luft in die hoͤhern Stellen eindringen und das Waſſer zertrennen kan. Sie ſteigt alsdann in Blaſen nach A auf; das iſt eben ſo viel, als ob A nicht mehr verſchloſſen waͤre, und ſo laͤuft in dieſem Falle das Waſſer gar bald aus dem Gefaͤße, Legt man aber vor die Oefuung BC ein Blatt Papier, durch deſſen Anhaͤngen das Schwanken und die Trennung der Waſſerflaͤche vermieden wird, ſo kan man Waſſer in einem umgekehrten ofnen Trinkglaſe tragen. Ein Gießfaß, wie ABC geſtaltet, wo der Boden BC mit lauter kleinen Loͤchern durchſtochen iſt, in denen ſich Luft und Waſſer nicht ausweichen koͤnnen, (clepſydra, Ariſtot. Phyſic. IV. 6.) haͤlt das Waſſer, wenn man A mit dem Finger verſchließt, und gießt, wenn man es oͤfnet. So laͤuft nichts aus dem Hahne eines Faſſes, ſo lang das Spundloch verſchloſſen iſt. Man ſ. auch die Art. Stechheber, Zauberbrunnen, Zaubertrichter. Dies alles beweißt, daß ſich die Luft an der Erdflaͤche auszubreiten ſtrebe, und alſo ſchon im Zuſtande einer Zuſammendruͤckung ſey. Die Urſache nun, welche die Luft um uns her zuſammendruͤckt, kan keine andre ſeyn, als das Gewicht. der uͤber ihr liegenden Luft. Es iſt nichts weiter vorhanden, was die untere Luft druͤcken koͤnnte, als dieſe obere. So erkennen wir, daß die Luft, wie alle bekannte Materien, ein Gewicht habe, oder ſchwer ſey. Dies iſt auch ſchon daraus klar, weil die Luft durch ihre Elaſticitaͤt ſich in die freyen Raͤume des Himmels verbreiten und den Erdball ganz verlaſſen wuͤrde, wenn ſie nicht durch die Schwere an demſelben zuruͤckgehalten wuͤrde. Dieſe Eigenſchaften der Luſt ſind erſt ſeit der Mitte des vorigen Jahrhunderts vollſtaͤndig bekannt geworden, ſ. Barometer. Galilei und Torricelli gaben hiezu die erſten Veranlaſſungen, Descartes und Paſcal ſtuͤrzten das ariſtoteliſche Syſtem und gaben die richtigen Erklaͤrungen der Phaͤnomene an; Otto von Guericke erfand die Luftpumpe, durch deren Huͤlfe dieſe Lehren noch mehr beſtaͤtigt, und von Boyle und Mariotte erweitert wurden, bis ihnen endlich Wolf die Form einer eignen Wiſſenſchaft gab, welche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/14
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/14>, abgerufen am 23.11.2024.