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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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an einem andern Orte (Discours sur le mouvement, Chap. III. Def. 2.) giebt er folgende Erklärung: La force morte est celle, que recoit un corps, lorsqu'il est sollicite et presse de se mouvoir.

Leibnitz sagt, die lebendige Kraft entstehe aus unzählig oft wiederholten Eindrücken der todten Kraft (ex infinitis vis mortuae impressionibus). Wenn nemlich das, was drückt, z. B. die Schwere, in jedem Augenblicke durch das Hinderniß aufgehoben wird, so erfolgt nur Druck; wenn aber nach weggenommenem Hindernisse die Masse wirklich bewegt wird, so giebt ihr die wirkende Ursache in jedem Zeittheilchen einen Druck, oder ein unendlich kleines Vermögen, andere Körper zu bewegen, woraus denn in endlicher Zeit eine endliche Kraft entsteht. In diesem Sinne läßt sich behaupten, die lebendige Kraft sey in Vergleichung mit der todten, oder die Kraft des Stoßes sey in Vergleichung mit dem Drucke unendlich groß. Es folgt hieraus, daß sich Stoß und Druck gar nicht mit einander vergleichen lassen, sondern sich wie ein Integral und sein Element verhalten; daher man auch die Kraft des Stoßes nicht durch Gewichte ausdrücken kan, s. Stoß.

Daß man die todte Kraft durch MC, oder durch das Produkt der Masse in die Geschwindigkeit, welche im ersten Anfange der Bewegung vorhanden seyn würde, ausmessen müsse, darüber sind beyde Parteyen, welche über das Maaß der lebendigen Kräfte gestritten haben, einig gewesen. Auch läßt sich die Ausmessung anwenden, man mag unter todter Kraft diejenige bewegende Kraft, welche eine Masse drücken macht, oder den Druck selbst, oder das daraus entstehende Bestreben nach Bewegung verstehen.

Veränderliche Kraft, Vis variabilis, Force variable. So heißt eine beschleunigende Kraft, wenn sie nicht in allen Stellen des Weges, durch den eine Masse bewegt wird, gleich stark bleibt. So sind die Schwere der Erde gegen die Sonne, oder die des Monds gegen die Erde, veränderliche Kräfte, weil sie nicht in allen Stellen der Erdoder Mondbahn einerley bleiben. In den Fällen, wo eine solche Kraft nach einem gewissen Punkte gerichtet ist, s.


an einem andern Orte (Diſcours ſur le mouvement, Chap. III. Def. 2.) giebt er folgende Erklaͤrung: La force morte eſt celle, que reçoit un corps, lorsqu'il eſt ſollicité et preſſé de ſe mouvoir.

Leibnitz ſagt, die lebendige Kraft entſtehe aus unzaͤhlig oft wiederholten Eindruͤcken der todten Kraft (ex infinitis vis mortuae impreſſionibus). Wenn nemlich das, was druͤckt, z. B. die Schwere, in jedem Augenblicke durch das Hinderniß aufgehoben wird, ſo erfolgt nur Druck; wenn aber nach weggenommenem Hinderniſſe die Maſſe wirklich bewegt wird, ſo giebt ihr die wirkende Urſache in jedem Zeittheilchen einen Druck, oder ein unendlich kleines Vermoͤgen, andere Koͤrper zu bewegen, woraus denn in endlicher Zeit eine endliche Kraft entſteht. In dieſem Sinne laͤßt ſich behaupten, die lebendige Kraft ſey in Vergleichung mit der todten, oder die Kraft des Stoßes ſey in Vergleichung mit dem Drucke unendlich groß. Es folgt hieraus, daß ſich Stoß und Druck gar nicht mit einander vergleichen laſſen, ſondern ſich wie ein Integral und ſein Element verhalten; daher man auch die Kraft des Stoßes nicht durch Gewichte ausdruͤcken kan, ſ. Stoß.

Daß man die todte Kraft durch MC, oder durch das Produkt der Maſſe in die Geſchwindigkeit, welche im erſten Anfange der Bewegung vorhanden ſeyn wuͤrde, ausmeſſen muͤſſe, daruͤber ſind beyde Parteyen, welche uͤber das Maaß der lebendigen Kraͤfte geſtritten haben, einig geweſen. Auch laͤßt ſich die Ausmeſſung anwenden, man mag unter todter Kraft diejenige bewegende Kraft, welche eine Maſſe druͤcken macht, oder den Druck ſelbſt, oder das daraus entſtehende Beſtreben nach Bewegung verſtehen.

Veraͤnderliche Kraft, Vis variabilis, Force variable. So heißt eine beſchleunigende Kraft, wenn ſie nicht in allen Stellen des Weges, durch den eine Maſſe bewegt wird, gleich ſtark bleibt. So ſind die Schwere der Erde gegen die Sonne, oder die des Monds gegen die Erde, veraͤnderliche Kraͤfte, weil ſie nicht in allen Stellen der Erdoder Mondbahn einerley bleiben. In den Faͤllen, wo eine ſolche Kraft nach einem gewiſſen Punkte gerichtet iſt, ſ.

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[817/0823] an einem andern Orte (Diſcours ſur le mouvement, Chap. III. Def. 2.) giebt er folgende Erklaͤrung: La force morte eſt celle, que reçoit un corps, lorsqu'il eſt ſollicité et preſſé de ſe mouvoir. Leibnitz ſagt, die lebendige Kraft entſtehe aus unzaͤhlig oft wiederholten Eindruͤcken der todten Kraft (ex infinitis vis mortuae impreſſionibus). Wenn nemlich das, was druͤckt, z. B. die Schwere, in jedem Augenblicke durch das Hinderniß aufgehoben wird, ſo erfolgt nur Druck; wenn aber nach weggenommenem Hinderniſſe die Maſſe wirklich bewegt wird, ſo giebt ihr die wirkende Urſache in jedem Zeittheilchen einen Druck, oder ein unendlich kleines Vermoͤgen, andere Koͤrper zu bewegen, woraus denn in endlicher Zeit eine endliche Kraft entſteht. In dieſem Sinne laͤßt ſich behaupten, die lebendige Kraft ſey in Vergleichung mit der todten, oder die Kraft des Stoßes ſey in Vergleichung mit dem Drucke unendlich groß. Es folgt hieraus, daß ſich Stoß und Druck gar nicht mit einander vergleichen laſſen, ſondern ſich wie ein Integral und ſein Element verhalten; daher man auch die Kraft des Stoßes nicht durch Gewichte ausdruͤcken kan, ſ. Stoß. Daß man die todte Kraft durch MC, oder durch das Produkt der Maſſe in die Geſchwindigkeit, welche im erſten Anfange der Bewegung vorhanden ſeyn wuͤrde, ausmeſſen muͤſſe, daruͤber ſind beyde Parteyen, welche uͤber das Maaß der lebendigen Kraͤfte geſtritten haben, einig geweſen. Auch laͤßt ſich die Ausmeſſung anwenden, man mag unter todter Kraft diejenige bewegende Kraft, welche eine Maſſe druͤcken macht, oder den Druck ſelbſt, oder das daraus entſtehende Beſtreben nach Bewegung verſtehen. Veraͤnderliche Kraft, Vis variabilis, Force variable. So heißt eine beſchleunigende Kraft, wenn ſie nicht in allen Stellen des Weges, durch den eine Maſſe bewegt wird, gleich ſtark bleibt. So ſind die Schwere der Erde gegen die Sonne, oder die des Monds gegen die Erde, veraͤnderliche Kraͤfte, weil ſie nicht in allen Stellen der Erdoder Mondbahn einerley bleiben. In den Faͤllen, wo eine ſolche Kraft nach einem gewiſſen Punkte gerichtet iſt, ſ.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/823>, abgerufen am 25.11.2024.