te(principium conservationis virium vivarum). Bernoulli hält ihn für so einleuchtend, daß er sagt, wer ihn beweisen wollte, würde ihn nur verdunkeln. Man könne doch nicht läugnen, daß eine wirkende Ursache nie ganz oder zum Theil verlohren gehen könne, ohne vorher eine dem Verlust gemäße Wirkung hervorgebracht zu haben. Die lebendige Kraft eines bewegten Körpers sey etwas Absolutes und so Positives, daß sie in dem Körper bleiben würde, wenn es auch dem Schöpfer gefiele, die ganze übrige Körperwelt zu vernichten. Wenn also die lebendige Kraft eines Körpers bey seinem Stoße an einen andern vermindert werde, so müsse dagegen die lebendige Kraft des andern um eben soviel zunehmen, woraus denn die beständige Gleichheit der Totalsumme lebendiger Kräfte nothwendig folge.
Diesem Grundsatze gemäß, und nach der Leibnitzischen Ausmessung der Kräfte durch MC, muß also beym Stoße zweener Massen M und m, wenn sie mit den Geschwindigkeiten C und c an einander treffen, und nach dem Stoße die Geschwindigkeiten V und v erhalten. seyn. Dies ist auch in der That der Fall bey dem Stoße elastischer Körper, s. Stoß. Beym Stoße harter Körper hingegen, wo beyder Geschwindigkeit nach dem Stoße gleich, oder v=V, und ist, findet dieses Gesetz nicht statt. Johann Bernoulli nahm aus andern Gründen keine vollkommen harten Körper an, s. Stetigkeit. Ihm schienen also die Gesetze des Stoßes elastischer Körper hinreichend zu Bestätigung seines Grundsatzes, und von dem Stoße der weichen unelastischen Massen sagt er, es werde dabey ein Theil der lebendigen Kraft auf ihre Zusammendrückung verwendet, der aber doch nicht verlohren gehe, sondern im Körper zurückbleibe; so wie in einer gespannten Feder, die aber durch ein Hinderniß zurückgehalten werde, die lebendige Kraft immer bleibe, ob sie gleich nicht thätig werden könne.
So wenig man nun den Grundsatz der Erhaltung lebendiger Kräfte in derjenigen Allgemeinheit, die ihm sein
te(principium conſervationis virium vivarum). Bernoulli haͤlt ihn fuͤr ſo einleuchtend, daß er ſagt, wer ihn beweiſen wollte, wuͤrde ihn nur verdunkeln. Man koͤnne doch nicht laͤugnen, daß eine wirkende Urſache nie ganz oder zum Theil verlohren gehen koͤnne, ohne vorher eine dem Verluſt gemaͤße Wirkung hervorgebracht zu haben. Die lebendige Kraft eines bewegten Koͤrpers ſey etwas Abſolutes und ſo Poſitives, daß ſie in dem Koͤrper bleiben wuͤrde, wenn es auch dem Schoͤpfer gefiele, die ganze uͤbrige Koͤrperwelt zu vernichten. Wenn alſo die lebendige Kraft eines Koͤrpers bey ſeinem Stoße an einen andern vermindert werde, ſo muͤſſe dagegen die lebendige Kraft des andern um eben ſoviel zunehmen, woraus denn die beſtaͤndige Gleichheit der Totalſumme lebendiger Kraͤfte nothwendig folge.
Dieſem Grundſatze gemaͤß, und nach der Leibnitziſchen Ausmeſſung der Kraͤfte durch MC, muß alſo beym Stoße zweener Maſſen M und m, wenn ſie mit den Geſchwindigkeiten C und c an einander treffen, und nach dem Stoße die Geſchwindigkeiten V und v erhalten. ſeyn. Dies iſt auch in der That der Fall bey dem Stoße elaſtiſcher Koͤrper, ſ. Stoß. Beym Stoße harter Koͤrper hingegen, wo beyder Geſchwindigkeit nach dem Stoße gleich, oder v=V, und iſt, findet dieſes Geſetz nicht ſtatt. Johann Bernoulli nahm aus andern Gruͤnden keine vollkommen harten Koͤrper an, ſ. Stetigkeit. Ihm ſchienen alſo die Geſetze des Stoßes elaſtiſcher Koͤrper hinreichend zu Beſtaͤtigung ſeines Grundſatzes, und von dem Stoße der weichen unelaſtiſchen Maſſen ſagt er, es werde dabey ein Theil der lebendigen Kraft auf ihre Zuſammendruͤckung verwendet, der aber doch nicht verlohren gehe, ſondern im Koͤrper zuruͤckbleibe; ſo wie in einer geſpannten Feder, die aber durch ein Hinderniß zuruͤckgehalten werde, die lebendige Kraft immer bleibe, ob ſie gleich nicht thaͤtig werden koͤnne.
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te (principium conſervationis virium vivarum). Bernoulli haͤlt ihn fuͤr ſo einleuchtend, daß er ſagt, wer ihn beweiſen wollte, wuͤrde ihn nur verdunkeln. Man koͤnne doch nicht laͤugnen, daß eine wirkende Urſache nie ganz oder zum Theil verlohren gehen koͤnne, ohne vorher eine dem Verluſt gemaͤße Wirkung hervorgebracht zu haben. Die lebendige Kraft eines bewegten Koͤrpers ſey etwas Abſolutes und ſo Poſitives, daß ſie in dem Koͤrper bleiben wuͤrde, wenn es auch dem Schoͤpfer gefiele, die ganze uͤbrige Koͤrperwelt zu vernichten. Wenn alſo die lebendige Kraft eines Koͤrpers bey ſeinem Stoße an einen andern vermindert werde, ſo muͤſſe dagegen die lebendige Kraft des andern um eben ſoviel zunehmen, woraus denn die beſtaͤndige Gleichheit der Totalſumme lebendiger Kraͤfte nothwendig folge.
Dieſem Grundſatze gemaͤß, und nach der Leibnitziſchen Ausmeſſung der Kraͤfte durch MC, muß alſo beym Stoße zweener Maſſen M und m, wenn ſie mit den Geſchwindigkeiten C und c an einander treffen, und nach dem Stoße die Geſchwindigkeiten V und v erhalten. ſeyn. Dies iſt auch in der That der Fall bey dem Stoße elaſtiſcher Koͤrper, ſ. Stoß. Beym Stoße harter Koͤrper hingegen, wo beyder Geſchwindigkeit nach dem Stoße gleich, oder v=V, und iſt, findet dieſes Geſetz nicht ſtatt. Johann Bernoulli nahm aus andern Gruͤnden keine vollkommen harten Koͤrper an, ſ. Stetigkeit. Ihm ſchienen alſo die Geſetze des Stoßes elaſtiſcher Koͤrper hinreichend zu Beſtaͤtigung ſeines Grundſatzes, und von dem Stoße der weichen unelaſtiſchen Maſſen ſagt er, es werde dabey ein Theil der lebendigen Kraft auf ihre Zuſammendruͤckung verwendet, der aber doch nicht verlohren gehe, ſondern im Koͤrper zuruͤckbleibe; ſo wie in einer geſpannten Feder, die aber durch ein Hinderniß zuruͤckgehalten werde, die lebendige Kraft immer bleibe, ob ſie gleich nicht thaͤtig werden koͤnne.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 814. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/820>, abgerufen am 22.11.2024.
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