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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Bogen, wie geworfene Körper, im Weltraume fortgeschleudert würden.

Im Jahre 1680 ward am 4. Nov. der große Komet, der allenthalben soviel Schrecken verbreitete, zuerst von Gortfried Kirch in Coburg gesehen. Er gieng mit beschleunigter Bewegung, welche am 30. Nov. täglich 5° betrug, gerade zur Sonne; näherte sich hierauf derselben etwas langsamer, und erreichte sie zu Anfang des Decemb. Am 22. Dec. erschien er wieder auf der andern Seite der Sonne, durchlief täglich 5°, nahm aber an Geschwindigkeit und Größe ab, und verschwand mitten im März 1681. Er hatte die Ekliptik in zween Punkten durchschnitten, welche 98° von einander abstanden, und während der Zeit fast neun Zeichen durchlaufen. Als er von der Sonne zurückkam, hatte sein Schweif eine Länge von 70°. Die Erde hatte eben damals eine so bequeme Stellung, daß seine Rückkehr eben sowohl, als seine Annäherung an die Sonne beobachtet werden konnte.

Georg Samuel Dörfel, Prediger zu Plauen im Voigtlande, hatte diesen Kometen vom 22. Nov. bis zu Ende des Iänners beobachtet; er bewieß (Astronomische Betrachtung des großen Cometen, welcher A. 1680 und 1681 erschienen, von G. S. D. Plauen, 1681. 4.) daß der angekommene und der zurückgegangene Komet einer und eben derselbe sey, und daß sein Lauf eine Parabel beschrieben habe, in deren Brennpunkte die Sonne stehe. Dieses ist unstreitig die erste Entdeckung der wahren Gestalt der Kometenbahnen, wenigstens ihres sichtbaren Theils. Man hat zwar Dörfeln, da er in deutscher Sprache schrieb, und unter den Astronomen wenig bekannt war, lange Zeit dabey nicht genannt, aber Weidler, Montucla und Kästner (Nachrichten von Dörfeln, in den Schriften der Leipz. Gesellsch. freyer Künste, Th. III.) haben seine Verdienste der Vergessenheit entrissen.

Newton entdeckte um eben diese Zeit die Theorie des Kometenlaufs, und machte sie nach einigen Jahren in seinen Principiis bekannt. Was bey Dörfeln blos Muthmaßung aus astronomischen Beobachtungen war, das war


Bogen, wie geworfene Koͤrper, im Weltraume fortgeſchleudert wuͤrden.

Im Jahre 1680 ward am 4. Nov. der große Komet, der allenthalben ſoviel Schrecken verbreitete, zuerſt von Gortfried Kirch in Coburg geſehen. Er gieng mit beſchleunigter Bewegung, welche am 30. Nov. taͤglich 5° betrug, gerade zur Sonne; naͤherte ſich hierauf derſelben etwas langſamer, und erreichte ſie zu Anfang des Decemb. Am 22. Dec. erſchien er wieder auf der andern Seite der Sonne, durchlief taͤglich 5°, nahm aber an Geſchwindigkeit und Groͤße ab, und verſchwand mitten im Maͤrz 1681. Er hatte die Ekliptik in zween Punkten durchſchnitten, welche 98° von einander abſtanden, und waͤhrend der Zeit faſt neun Zeichen durchlaufen. Als er von der Sonne zuruͤckkam, hatte ſein Schweif eine Laͤnge von 70°. Die Erde hatte eben damals eine ſo bequeme Stellung, daß ſeine Ruͤckkehr eben ſowohl, als ſeine Annaͤherung an die Sonne beobachtet werden konnte.

Georg Samuel Doͤrfel, Prediger zu Plauen im Voigtlande, hatte dieſen Kometen vom 22. Nov. bis zu Ende des Iaͤnners beobachtet; er bewieß (Aſtronomiſche Betrachtung des großen Cometen, welcher A. 1680 und 1681 erſchienen, von G. S. D. Plauen, 1681. 4.) daß der angekommene und der zuruͤckgegangene Komet einer und eben derſelbe ſey, und daß ſein Lauf eine Parabel beſchrieben habe, in deren Brennpunkte die Sonne ſtehe. Dieſes iſt unſtreitig die erſte Entdeckung der wahren Geſtalt der Kometenbahnen, wenigſtens ihres ſichtbaren Theils. Man hat zwar Doͤrfeln, da er in deutſcher Sprache ſchrieb, und unter den Aſtronomen wenig bekannt war, lange Zeit dabey nicht genannt, aber Weidler, Montucla und Kaͤſtner (Nachrichten von Doͤrfeln, in den Schriften der Leipz. Geſellſch. freyer Kuͤnſte, Th. III.) haben ſeine Verdienſte der Vergeſſenheit entriſſen.

Newton entdeckte um eben dieſe Zeit die Theorie des Kometenlaufs, und machte ſie nach einigen Jahren in ſeinen Principiis bekannt. Was bey Doͤrfeln blos Muthmaßung aus aſtronomiſchen Beobachtungen war, das war

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[787/0793] Bogen, wie geworfene Koͤrper, im Weltraume fortgeſchleudert wuͤrden. Im Jahre 1680 ward am 4. Nov. der große Komet, der allenthalben ſoviel Schrecken verbreitete, zuerſt von Gortfried Kirch in Coburg geſehen. Er gieng mit beſchleunigter Bewegung, welche am 30. Nov. taͤglich 5° betrug, gerade zur Sonne; naͤherte ſich hierauf derſelben etwas langſamer, und erreichte ſie zu Anfang des Decemb. Am 22. Dec. erſchien er wieder auf der andern Seite der Sonne, durchlief taͤglich 5°, nahm aber an Geſchwindigkeit und Groͤße ab, und verſchwand mitten im Maͤrz 1681. Er hatte die Ekliptik in zween Punkten durchſchnitten, welche 98° von einander abſtanden, und waͤhrend der Zeit faſt neun Zeichen durchlaufen. Als er von der Sonne zuruͤckkam, hatte ſein Schweif eine Laͤnge von 70°. Die Erde hatte eben damals eine ſo bequeme Stellung, daß ſeine Ruͤckkehr eben ſowohl, als ſeine Annaͤherung an die Sonne beobachtet werden konnte. Georg Samuel Doͤrfel, Prediger zu Plauen im Voigtlande, hatte dieſen Kometen vom 22. Nov. bis zu Ende des Iaͤnners beobachtet; er bewieß (Aſtronomiſche Betrachtung des großen Cometen, welcher A. 1680 und 1681 erſchienen, von G. S. D. Plauen, 1681. 4.) daß der angekommene und der zuruͤckgegangene Komet einer und eben derſelbe ſey, und daß ſein Lauf eine Parabel beſchrieben habe, in deren Brennpunkte die Sonne ſtehe. Dieſes iſt unſtreitig die erſte Entdeckung der wahren Geſtalt der Kometenbahnen, wenigſtens ihres ſichtbaren Theils. Man hat zwar Doͤrfeln, da er in deutſcher Sprache ſchrieb, und unter den Aſtronomen wenig bekannt war, lange Zeit dabey nicht genannt, aber Weidler, Montucla und Kaͤſtner (Nachrichten von Doͤrfeln, in den Schriften der Leipz. Geſellſch. freyer Kuͤnſte, Th. III.) haben ſeine Verdienſte der Vergeſſenheit entriſſen. Newton entdeckte um eben dieſe Zeit die Theorie des Kometenlaufs, und machte ſie nach einigen Jahren in ſeinen Principiis bekannt. Was bey Doͤrfeln blos Muthmaßung aus aſtronomiſchen Beobachtungen war, das war

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 787. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/793>, abgerufen am 22.11.2024.