Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Kälte; nimmt man aber statt des trocknen Salzes Salzgeist, so erhält man die Kälte augenblicklich. Auch dauert dieselbe nur so lang, als Auflösung vorgeht; ist diese vorüber, so nimmt das Gemisch allmählig die Temperatur der Luft wieder an. Aus diesem Grunde sagen diejenigen, welche die Wärme blos für eine schwingende Bewegung halten, es werde diese Bewegung durch die Auflösungen der Salze geschwächt; andere erklären die Sache so, daß die Auflösung, bey welcher sich die vermischten Materien aufs innigste durchdringen, einen Theil des Elementarfeuers aus dem Wasser treibe, daher auch die Luft um eine solche Auflösung wärmer, als vorher, werde. Da aber bey weitem nicht alle Auflösungen Kälte erregen, so ist wohl folgende Erklärung die natürlichste und wahrscheinlichste.

Bey gewissen Auflösungen, besonders solchen, welche mit einer Schmelzung des Eises oder Schnees begleitet sind, wird zu Bewirkung der Auflösung und zum Flüßigwerden der vorher festen Körper, ein Theil Feuermaterie oder Wärme erfordert. Dieser kan, so lang er hierauf verwendet wird, natürlich nichts weiter bewirken; folglich wird mehr Wärme gebunden, oder es entsteht ein größerer Mangel an wirksamem Feuer, an fteyer Wärme, welcher Mangel nichts anders, als Kälte selbst, ist. Es entsteht dadurch gleichsam ein feuerleerer Raum, der sich mit dem Feuer des Gefäßes und der benachbarten Körper anfüllet, und dadurch das Fallen des Thermometers und die Empfindung der Kälte in der Hand bewirkt. Geschieht dieser Uebergang plötzlich, so kan dadurch selbst dem Quecksilber mehr Feuer entzogen werden, als es nöthig hat, um im flüßigen Zustande zu bleiben, zumal, wenn es schon vorher, wie bey kalter Witterung, einen großen Theil seines Feuerwesens verloren hatte. Dagegen giebt es andere Auflösungen, bey welchen Hitze entsteht, wenn nämlich das Gemisch nicht mehr so viel Feuer binden kan, als die vermischten Materien enthalten. Alles dieses beruht auf der verschiedenen Verwandschaft der Körper mit dem Feuer; daher es auch nicht befremden kan, daß z. B. Salpetergeist mit Wasser vermischt, eine Wärme, hingegen, mit Schnee


Kaͤlte; nimmt man aber ſtatt des trocknen Salzes Salzgeiſt, ſo erhaͤlt man die Kaͤlte augenblicklich. Auch dauert dieſelbe nur ſo lang, als Aufloͤſung vorgeht; iſt dieſe voruͤber, ſo nimmt das Gemiſch allmaͤhlig die Temperatur der Luft wieder an. Aus dieſem Grunde ſagen diejenigen, welche die Waͤrme blos fuͤr eine ſchwingende Bewegung halten, es werde dieſe Bewegung durch die Aufloͤſungen der Salze geſchwaͤcht; andere erklaͤren die Sache ſo, daß die Aufloͤſung, bey welcher ſich die vermiſchten Materien aufs innigſte durchdringen, einen Theil des Elementarfeuers aus dem Waſſer treibe, daher auch die Luft um eine ſolche Aufloͤſung waͤrmer, als vorher, werde. Da aber bey weitem nicht alle Aufloͤſungen Kaͤlte erregen, ſo iſt wohl folgende Erklaͤrung die natuͤrlichſte und wahrſcheinlichſte.

Bey gewiſſen Aufloͤſungen, beſonders ſolchen, welche mit einer Schmelzung des Eiſes oder Schnees begleitet ſind, wird zu Bewirkung der Aufloͤſung und zum Fluͤßigwerden der vorher feſten Koͤrper, ein Theil Feuermaterie oder Waͤrme erfordert. Dieſer kan, ſo lang er hierauf verwendet wird, natuͤrlich nichts weiter bewirken; folglich wird mehr Waͤrme gebunden, oder es entſteht ein groͤßerer Mangel an wirkſamem Feuer, an fteyer Waͤrme, welcher Mangel nichts anders, als Kaͤlte ſelbſt, iſt. Es entſteht dadurch gleichſam ein feuerleerer Raum, der ſich mit dem Feuer des Gefaͤßes und der benachbarten Koͤrper anfuͤllet, und dadurch das Fallen des Thermometers und die Empfindung der Kaͤlte in der Hand bewirkt. Geſchieht dieſer Uebergang ploͤtzlich, ſo kan dadurch ſelbſt dem Queckſilber mehr Feuer entzogen werden, als es noͤthig hat, um im fluͤßigen Zuſtande zu bleiben, zumal, wenn es ſchon vorher, wie bey kalter Witterung, einen großen Theil ſeines Feuerweſens verloren hatte. Dagegen giebt es andere Aufloͤſungen, bey welchen Hitze entſteht, wenn naͤmlich das Gemiſch nicht mehr ſo viel Feuer binden kan, als die vermiſchten Materien enthalten. Alles dieſes beruht auf der verſchiedenen Verwandſchaft der Koͤrper mit dem Feuer; daher es auch nicht befremden kan, daß z. B. Salpetergeiſt mit Waſſer vermiſcht, eine Waͤrme, hingegen, mit Schnee

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0715" xml:id="P.2.709" n="709"/><lb/>
Ka&#x0364;lte; nimmt man aber &#x017F;tatt des trocknen Salzes Salzgei&#x017F;t, &#x017F;o erha&#x0364;lt man die Ka&#x0364;lte augenblicklich. Auch dauert die&#x017F;elbe nur &#x017F;o lang, als Auflo&#x0364;&#x017F;ung vorgeht; i&#x017F;t die&#x017F;e voru&#x0364;ber, &#x017F;o nimmt das Gemi&#x017F;ch allma&#x0364;hlig die Temperatur der Luft wieder an. Aus die&#x017F;em Grunde &#x017F;agen diejenigen, welche die Wa&#x0364;rme blos fu&#x0364;r eine &#x017F;chwingende Bewegung halten, es werde die&#x017F;e Bewegung durch die Auflo&#x0364;&#x017F;ungen der Salze ge&#x017F;chwa&#x0364;cht; andere erkla&#x0364;ren die Sache &#x017F;o, daß die Auflo&#x0364;&#x017F;ung, bey welcher &#x017F;ich die vermi&#x017F;chten Materien aufs innig&#x017F;te durchdringen, einen Theil des Elementarfeuers aus dem Wa&#x017F;&#x017F;er treibe, daher auch die Luft um eine &#x017F;olche Auflo&#x0364;&#x017F;ung wa&#x0364;rmer, als vorher, werde. Da aber bey weitem nicht alle Auflo&#x0364;&#x017F;ungen Ka&#x0364;lte erregen, &#x017F;o i&#x017F;t wohl folgende Erkla&#x0364;rung die natu&#x0364;rlich&#x017F;te und wahr&#x017F;cheinlich&#x017F;te.</p>
            <p>Bey gewi&#x017F;&#x017F;en Auflo&#x0364;&#x017F;ungen, be&#x017F;onders &#x017F;olchen, welche mit einer Schmelzung des Ei&#x017F;es oder Schnees begleitet &#x017F;ind, wird zu Bewirkung der Auflo&#x0364;&#x017F;ung und zum Flu&#x0364;ßigwerden der vorher fe&#x017F;ten Ko&#x0364;rper, ein Theil Feuermaterie oder Wa&#x0364;rme erfordert. Die&#x017F;er kan, &#x017F;o lang er hierauf verwendet wird, natu&#x0364;rlich nichts weiter bewirken; folglich wird mehr Wa&#x0364;rme <hi rendition="#b">gebunden,</hi> oder es ent&#x017F;teht ein gro&#x0364;ßerer Mangel an wirk&#x017F;amem Feuer, an <hi rendition="#b">fteyer Wa&#x0364;rme,</hi> welcher Mangel nichts anders, als <hi rendition="#b">Ka&#x0364;lte</hi> &#x017F;elb&#x017F;t, i&#x017F;t. Es ent&#x017F;teht dadurch gleich&#x017F;am ein feuerleerer Raum, der &#x017F;ich mit dem Feuer des Gefa&#x0364;ßes und der benachbarten Ko&#x0364;rper anfu&#x0364;llet, und dadurch das Fallen des Thermometers und die Empfindung der Ka&#x0364;lte in der Hand bewirkt. Ge&#x017F;chieht die&#x017F;er Uebergang plo&#x0364;tzlich, &#x017F;o kan dadurch &#x017F;elb&#x017F;t dem Queck&#x017F;ilber mehr Feuer entzogen werden, als es no&#x0364;thig hat, um im flu&#x0364;ßigen Zu&#x017F;tande zu bleiben, zumal, wenn es &#x017F;chon vorher, wie bey kalter Witterung, einen großen Theil &#x017F;eines Feuerwe&#x017F;ens verloren hatte. Dagegen giebt es andere Auflo&#x0364;&#x017F;ungen, bey welchen Hitze ent&#x017F;teht, wenn na&#x0364;mlich das Gemi&#x017F;ch nicht mehr &#x017F;o viel Feuer binden kan, als die vermi&#x017F;chten Materien enthalten. Alles die&#x017F;es beruht auf der ver&#x017F;chiedenen Verwand&#x017F;chaft der Ko&#x0364;rper mit dem Feuer; daher es auch nicht befremden kan, daß z. B. Salpetergei&#x017F;t mit Wa&#x017F;&#x017F;er vermi&#x017F;cht, eine Wa&#x0364;rme, hingegen, mit Schnee<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[709/0715] Kaͤlte; nimmt man aber ſtatt des trocknen Salzes Salzgeiſt, ſo erhaͤlt man die Kaͤlte augenblicklich. Auch dauert dieſelbe nur ſo lang, als Aufloͤſung vorgeht; iſt dieſe voruͤber, ſo nimmt das Gemiſch allmaͤhlig die Temperatur der Luft wieder an. Aus dieſem Grunde ſagen diejenigen, welche die Waͤrme blos fuͤr eine ſchwingende Bewegung halten, es werde dieſe Bewegung durch die Aufloͤſungen der Salze geſchwaͤcht; andere erklaͤren die Sache ſo, daß die Aufloͤſung, bey welcher ſich die vermiſchten Materien aufs innigſte durchdringen, einen Theil des Elementarfeuers aus dem Waſſer treibe, daher auch die Luft um eine ſolche Aufloͤſung waͤrmer, als vorher, werde. Da aber bey weitem nicht alle Aufloͤſungen Kaͤlte erregen, ſo iſt wohl folgende Erklaͤrung die natuͤrlichſte und wahrſcheinlichſte. Bey gewiſſen Aufloͤſungen, beſonders ſolchen, welche mit einer Schmelzung des Eiſes oder Schnees begleitet ſind, wird zu Bewirkung der Aufloͤſung und zum Fluͤßigwerden der vorher feſten Koͤrper, ein Theil Feuermaterie oder Waͤrme erfordert. Dieſer kan, ſo lang er hierauf verwendet wird, natuͤrlich nichts weiter bewirken; folglich wird mehr Waͤrme gebunden, oder es entſteht ein groͤßerer Mangel an wirkſamem Feuer, an fteyer Waͤrme, welcher Mangel nichts anders, als Kaͤlte ſelbſt, iſt. Es entſteht dadurch gleichſam ein feuerleerer Raum, der ſich mit dem Feuer des Gefaͤßes und der benachbarten Koͤrper anfuͤllet, und dadurch das Fallen des Thermometers und die Empfindung der Kaͤlte in der Hand bewirkt. Geſchieht dieſer Uebergang ploͤtzlich, ſo kan dadurch ſelbſt dem Queckſilber mehr Feuer entzogen werden, als es noͤthig hat, um im fluͤßigen Zuſtande zu bleiben, zumal, wenn es ſchon vorher, wie bey kalter Witterung, einen großen Theil ſeines Feuerweſens verloren hatte. Dagegen giebt es andere Aufloͤſungen, bey welchen Hitze entſteht, wenn naͤmlich das Gemiſch nicht mehr ſo viel Feuer binden kan, als die vermiſchten Materien enthalten. Alles dieſes beruht auf der verſchiedenen Verwandſchaft der Koͤrper mit dem Feuer; daher es auch nicht befremden kan, daß z. B. Salpetergeiſt mit Waſſer vermiſcht, eine Waͤrme, hingegen, mit Schnee

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/715
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/715>, abgerufen am 22.05.2024.