Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Feuer, in Eis verwandeln kan. Diese Erscheinungen sind schon von Boyle untersucht, und mit vielen Erfahrungen bestätiget worden. Nach Reaumür brachten 2 Theile Kochsalz mit 4 Theilen geschabten Eises, selbst in den wärmsten Tagen, das Weingeistthermometer auf -- 15°; Salmiak und Salpeter auf -- 13° und -- 11°, Steinsalz (Sal gemmae) und Potasche auf 17°. Fahrenheit nahm die durch Schnee und Salmiak hervorgebrachte Kälte zum festen Punkte seines Thermometers an. Aber auch diese Kälte dauert nur so lang, als die Auflösung währet.

Die höchsten Grade der künstlichen Kälte werden hervorgebracht, wenn man Eis oder Schnee mit den aus den Salzen gezognen sauren Geistern vermischt. Salpetergeist, der schon bis zum Eispunkte erkältet ist, auf doppelt soviel (dem Gewichte nach) Eis oder Schnee gegossen, treibt das Thermometer sehr schnell auf -- 19°. Erkältet man aber die zu mischenden Materien vorher stärker, so werden sie bey der Vermischung selbst eine noch weit größere Erkältung bewirken. Durch dieses Mittel trieb Fahrenheit die künstliche Kälte bis zu -- 40° seines Thermometers (s. Boerhave Elem. Chym. de igne, Exp. IV. Coroll. 3.), und die petersburgischen Akademisten bedienten sich desselben zu Hervorbringung der Kälte, bey welcher sie das Quecksilber zuerst gefrieren sahen. Nach den neuesten hierüber angestellten Versuchen (An account of experiments made by Mr. John M' Nab at Henley-House, Hudsons- Bay relating to freezing mixtures, by Henry Cavendish. London, 1786. 4.) bewirkt die Vitriolsäure die größte Kälte; nächstdem der rauchende Salpetergeist, gemeines Kochsalz und Salmiak; der reine Salpeter aber im geringste Grade. Wird der Schnee der concentrirtesten Salpetersäure sehr allmählig beygemischt, so entsteht anfänglich allemal eine Wärme, ehe die Kälte erfolgt. Eine diluirte Salpetersäure aber giebt, auch allmählig mit dem Schnee verbunden, sogleich Kälte.

Auch geistige Liquoren schmelzen Eis und Schnee, wenn sie darauf gegossen werden, und erzeugen dabey eine künstliche Kälte. Eben dies thun die flüchtig alkalischen, z. B.


Feuer, in Eis verwandeln kan. Dieſe Erſcheinungen ſind ſchon von Boyle unterſucht, und mit vielen Erfahrungen beſtaͤtiget worden. Nach Reaumuͤr brachten 2 Theile Kochſalz mit 4 Theilen geſchabten Eiſes, ſelbſt in den waͤrmſten Tagen, das Weingeiſtthermometer auf — 15°; Salmiak und Salpeter auf — 13° und — 11°, Steinſalz (Sal gemmae) und Potaſche auf 17°. Fahrenheit nahm die durch Schnee und Salmiak hervorgebrachte Kaͤlte zum feſten Punkte ſeines Thermometers an. Aber auch dieſe Kaͤlte dauert nur ſo lang, als die Aufloͤſung waͤhret.

Die hoͤchſten Grade der kuͤnſtlichen Kaͤlte werden hervorgebracht, wenn man Eis oder Schnee mit den aus den Salzen gezognen ſauren Geiſtern vermiſcht. Salpetergeiſt, der ſchon bis zum Eispunkte erkaͤltet iſt, auf doppelt ſoviel (dem Gewichte nach) Eis oder Schnee gegoſſen, treibt das Thermometer ſehr ſchnell auf — 19°. Erkaͤltet man aber die zu miſchenden Materien vorher ſtaͤrker, ſo werden ſie bey der Vermiſchung ſelbſt eine noch weit groͤßere Erkaͤltung bewirken. Durch dieſes Mittel trieb Fahrenheit die kuͤnſtliche Kaͤlte bis zu — 40° ſeines Thermometers (ſ. Boerhave Elem. Chym. de igne, Exp. IV. Coroll. 3.), und die petersburgiſchen Akademiſten bedienten ſich deſſelben zu Hervorbringung der Kaͤlte, bey welcher ſie das Queckſilber zuerſt gefrieren ſahen. Nach den neueſten hieruͤber angeſtellten Verſuchen (An account of experiments made by Mr. John M' Nab at Henley-Houſe, Hudſons- Bay relating to freezing mixtures, by Henry Cavendiſh. London, 1786. 4.) bewirkt die Vitriolſaͤure die groͤßte Kaͤlte; naͤchſtdem der rauchende Salpetergeiſt, gemeines Kochſalz und Salmiak; der reine Salpeter aber im geringſte Grade. Wird der Schnee der concentrirteſten Salpeterſaͤure ſehr allmaͤhlig beygemiſcht, ſo entſteht anfaͤnglich allemal eine Waͤrme, ehe die Kaͤlte erfolgt. Eine diluirte Salpeterſaͤure aber giebt, auch allmaͤhlig mit dem Schnee verbunden, ſogleich Kaͤlte.

Auch geiſtige Liquoren ſchmelzen Eis und Schnee, wenn ſie darauf gegoſſen werden, und erzeugen dabey eine kuͤnſtliche Kaͤlte. Eben dies thun die fluͤchtig alkaliſchen, z. B.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0713" xml:id="P.2.707" n="707"/><lb/>
Feuer, in Eis verwandeln kan. Die&#x017F;e Er&#x017F;cheinungen &#x017F;ind &#x017F;chon von <hi rendition="#b">Boyle</hi> unter&#x017F;ucht, und mit vielen Erfahrungen be&#x017F;ta&#x0364;tiget worden. Nach <hi rendition="#b">Reaumu&#x0364;r</hi> brachten 2 Theile Koch&#x017F;alz mit 4 Theilen ge&#x017F;chabten Ei&#x017F;es, &#x017F;elb&#x017F;t in den wa&#x0364;rm&#x017F;ten Tagen, das Weingei&#x017F;tthermometer auf &#x2014; 15°; Salmiak und Salpeter auf &#x2014; 13° und &#x2014; 11°, Stein&#x017F;alz <hi rendition="#aq">(Sal gemmae)</hi> und Pota&#x017F;che auf 17°. <hi rendition="#b">Fahrenheit</hi> nahm die durch Schnee und Salmiak hervorgebrachte Ka&#x0364;lte zum fe&#x017F;ten Punkte &#x017F;eines Thermometers an. Aber auch die&#x017F;e Ka&#x0364;lte dauert nur &#x017F;o lang, als die Auflo&#x0364;&#x017F;ung wa&#x0364;hret.</p>
            <p>Die ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grade der ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Ka&#x0364;lte werden hervorgebracht, wenn man Eis oder Schnee mit den aus den Salzen gezognen &#x017F;auren Gei&#x017F;tern vermi&#x017F;cht. Salpetergei&#x017F;t, der &#x017F;chon bis zum Eispunkte erka&#x0364;ltet i&#x017F;t, auf doppelt &#x017F;oviel (dem Gewichte nach) Eis oder Schnee gego&#x017F;&#x017F;en, treibt das Thermometer &#x017F;ehr &#x017F;chnell auf &#x2014; 19°. Erka&#x0364;ltet man aber die zu mi&#x017F;chenden Materien vorher &#x017F;ta&#x0364;rker, &#x017F;o werden &#x017F;ie bey der Vermi&#x017F;chung &#x017F;elb&#x017F;t eine noch weit gro&#x0364;ßere Erka&#x0364;ltung bewirken. Durch die&#x017F;es Mittel trieb <hi rendition="#b">Fahrenheit</hi> die ku&#x0364;n&#x017F;tliche Ka&#x0364;lte bis zu &#x2014; 40° &#x017F;eines Thermometers (&#x017F;. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Boerhave</hi> Elem. Chym. de igne, Exp. IV. Coroll. 3.),</hi> und die petersburgi&#x017F;chen Akademi&#x017F;ten bedienten &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;elben zu Hervorbringung der Ka&#x0364;lte, bey welcher &#x017F;ie das Queck&#x017F;ilber zuer&#x017F;t gefrieren &#x017F;ahen. Nach den neue&#x017F;ten hieru&#x0364;ber ange&#x017F;tellten Ver&#x017F;uchen <hi rendition="#aq">(An account of experiments made by Mr. <hi rendition="#i">John M' Nab</hi> at Henley-Hou&#x017F;e, Hud&#x017F;ons- Bay relating to freezing mixtures, by <hi rendition="#i">Henry Cavendi&#x017F;h.</hi> London, 1786. 4.)</hi> bewirkt die Vitriol&#x017F;a&#x0364;ure die gro&#x0364;ßte Ka&#x0364;lte; na&#x0364;ch&#x017F;tdem der rauchende Salpetergei&#x017F;t, gemeines Koch&#x017F;alz und Salmiak; der reine Salpeter aber im gering&#x017F;te Grade. Wird der Schnee der concentrirte&#x017F;ten Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure &#x017F;ehr allma&#x0364;hlig beygemi&#x017F;cht, &#x017F;o ent&#x017F;teht anfa&#x0364;nglich allemal eine Wa&#x0364;rme, ehe die Ka&#x0364;lte erfolgt. Eine diluirte Salpeter&#x017F;a&#x0364;ure aber giebt, auch allma&#x0364;hlig mit dem Schnee verbunden, &#x017F;ogleich Ka&#x0364;lte.</p>
            <p>Auch gei&#x017F;tige Liquoren &#x017F;chmelzen Eis und Schnee, wenn &#x017F;ie darauf gego&#x017F;&#x017F;en werden, und erzeugen dabey eine ku&#x0364;n&#x017F;tliche Ka&#x0364;lte. Eben dies thun die flu&#x0364;chtig alkali&#x017F;chen, z. B.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[707/0713] Feuer, in Eis verwandeln kan. Dieſe Erſcheinungen ſind ſchon von Boyle unterſucht, und mit vielen Erfahrungen beſtaͤtiget worden. Nach Reaumuͤr brachten 2 Theile Kochſalz mit 4 Theilen geſchabten Eiſes, ſelbſt in den waͤrmſten Tagen, das Weingeiſtthermometer auf — 15°; Salmiak und Salpeter auf — 13° und — 11°, Steinſalz (Sal gemmae) und Potaſche auf 17°. Fahrenheit nahm die durch Schnee und Salmiak hervorgebrachte Kaͤlte zum feſten Punkte ſeines Thermometers an. Aber auch dieſe Kaͤlte dauert nur ſo lang, als die Aufloͤſung waͤhret. Die hoͤchſten Grade der kuͤnſtlichen Kaͤlte werden hervorgebracht, wenn man Eis oder Schnee mit den aus den Salzen gezognen ſauren Geiſtern vermiſcht. Salpetergeiſt, der ſchon bis zum Eispunkte erkaͤltet iſt, auf doppelt ſoviel (dem Gewichte nach) Eis oder Schnee gegoſſen, treibt das Thermometer ſehr ſchnell auf — 19°. Erkaͤltet man aber die zu miſchenden Materien vorher ſtaͤrker, ſo werden ſie bey der Vermiſchung ſelbſt eine noch weit groͤßere Erkaͤltung bewirken. Durch dieſes Mittel trieb Fahrenheit die kuͤnſtliche Kaͤlte bis zu — 40° ſeines Thermometers (ſ. Boerhave Elem. Chym. de igne, Exp. IV. Coroll. 3.), und die petersburgiſchen Akademiſten bedienten ſich deſſelben zu Hervorbringung der Kaͤlte, bey welcher ſie das Queckſilber zuerſt gefrieren ſahen. Nach den neueſten hieruͤber angeſtellten Verſuchen (An account of experiments made by Mr. John M' Nab at Henley-Houſe, Hudſons- Bay relating to freezing mixtures, by Henry Cavendiſh. London, 1786. 4.) bewirkt die Vitriolſaͤure die groͤßte Kaͤlte; naͤchſtdem der rauchende Salpetergeiſt, gemeines Kochſalz und Salmiak; der reine Salpeter aber im geringſte Grade. Wird der Schnee der concentrirteſten Salpeterſaͤure ſehr allmaͤhlig beygemiſcht, ſo entſteht anfaͤnglich allemal eine Waͤrme, ehe die Kaͤlte erfolgt. Eine diluirte Salpeterſaͤure aber giebt, auch allmaͤhlig mit dem Schnee verbunden, ſogleich Kaͤlte. Auch geiſtige Liquoren ſchmelzen Eis und Schnee, wenn ſie darauf gegoſſen werden, und erzeugen dabey eine kuͤnſtliche Kaͤlte. Eben dies thun die fluͤchtig alkaliſchen, z. B.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/713
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/713>, abgerufen am 18.05.2024.