Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


desto begreiflicher wird, da die Sonne jede Seite der Berge nur wenige Stunden lang und mit sehr schief auffallenden Stralen bescheint, auch die hervorgebrachte Wärme sich an den Bergspitzen, welche von allen Seiten her mit Luft umringt sind, weit schneller, als im platten Lande, zerstreut. Starke und weit ausgebreitete Waldungen machen die Länder vorzüglich kalt, weil das Eis wegen der vielen Schatten später aufthauet. Auch die Winde haben einen merklichen Einfluß auf die Kälte der Luft, wenn sie, wie bey uns die Nordwinde, Luft aus kältern Erdstrichen|in unsere Gegenden überführen.

Die stärksten Grade der Kälte in unsern Ländern erstrecken sich nicht sehr weit unter die Null des fahrenheitischen Thermometers (-- 15 Grad nach Reaumür). In dem sehr harten Winter des Jahres 1740 war der tiefste Stand des Thermometers zu Wittenberg -- 10 Grad, und zu Danzig -- 12 2/5 Gr. nach Fahrenheit. Weit stärkere Grade der Kälte findet man in Sibirien zum Theil an Orten, deren geographische Breite nicht viel größer ist, als die für unsere Länder. Folgende Beyspiele hievon sind aus der in Erxlebens Anfangsgründen der Naturlehre §. 761 befindlichen Tabelle genommen.

OrtNördl.
Breite
Zeit der Beob.Fahrenh.
Kirinskoi OstrogGrade
in Sibirien-57°47'--1737, 8Dec.--112
--------1738, 20Jan.--118
Torneä in
Lappland
--65°51'--1737----42 2/5
--------1760 5Jan.--130
Tomsk in
Sibirien
------1735.----138 1/2
Kirenga------1738.----150
Yeniseisk------1735, 16Jan.--157

Ich kan jedoch nicht umhin, zu bemerken, daß fast alle diese Beobachtungen verdächtig sind, weil sie den neusten Entdeckungen zufolge den wahren Gefrierpunkt des


deſto begreiflicher wird, da die Sonne jede Seite der Berge nur wenige Stunden lang und mit ſehr ſchief auffallenden Stralen beſcheint, auch die hervorgebrachte Waͤrme ſich an den Bergſpitzen, welche von allen Seiten her mit Luft umringt ſind, weit ſchneller, als im platten Lande, zerſtreut. Starke und weit ausgebreitete Waldungen machen die Laͤnder vorzuͤglich kalt, weil das Eis wegen der vielen Schatten ſpaͤter aufthauet. Auch die Winde haben einen merklichen Einfluß auf die Kaͤlte der Luft, wenn ſie, wie bey uns die Nordwinde, Luft aus kaͤltern Erdſtrichen|in unſere Gegenden uͤberfuͤhren.

Die ſtaͤrkſten Grade der Kaͤlte in unſern Laͤndern erſtrecken ſich nicht ſehr weit unter die Null des fahrenheitiſchen Thermometers (— 15 Grad nach Reaumuͤr). In dem ſehr harten Winter des Jahres 1740 war der tiefſte Stand des Thermometers zu Wittenberg — 10 Grad, und zu Danzig — 12 2/5 Gr. nach Fahrenheit. Weit ſtaͤrkere Grade der Kaͤlte findet man in Sibirien zum Theil an Orten, deren geographiſche Breite nicht viel groͤßer iſt, als die fuͤr unſere Laͤnder. Folgende Beyſpiele hievon ſind aus der in Erxlebens Anfangsgruͤnden der Naturlehre §. 761 befindlichen Tabelle genommen.

OrtNoͤrdl.
Breite
Zeit der Beob.Fahrenh.
Kirinskoi OſtrogGrade
in Sibirien-57°47′1737, 8Dec.112
1738, 20Jan.118
Torneaͤ in
Lappland
65°51′173742 2/5
1760 5Jan.130
Tomsk in
Sibirien
1735.138 1/2
Kirenga1738.150
Yeniſeiſk1735, 16Jan.157

Ich kan jedoch nicht umhin, zu bemerken, daß faſt alle dieſe Beobachtungen verdaͤchtig ſind, weil ſie den neuſten Entdeckungen zufolge den wahren Gefrierpunkt des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0711" xml:id="P.2.705" n="705"/><lb/>
de&#x017F;to begreiflicher wird, da die Sonne jede Seite der Berge nur wenige Stunden lang und mit &#x017F;ehr &#x017F;chief auffallenden Stralen be&#x017F;cheint, auch die hervorgebrachte Wa&#x0364;rme &#x017F;ich an den Berg&#x017F;pitzen, welche von allen Seiten her mit Luft umringt &#x017F;ind, weit &#x017F;chneller, als im platten Lande, zer&#x017F;treut. Starke und weit ausgebreitete Waldungen machen die La&#x0364;nder vorzu&#x0364;glich kalt, weil das Eis wegen der vielen Schatten &#x017F;pa&#x0364;ter aufthauet. Auch die Winde haben einen merklichen Einfluß auf die Ka&#x0364;lte der Luft, wenn &#x017F;ie, wie bey uns die Nordwinde, Luft aus ka&#x0364;ltern Erd&#x017F;trichen|in un&#x017F;ere Gegenden u&#x0364;berfu&#x0364;hren.</p>
            <p>Die &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Grade der Ka&#x0364;lte in un&#x017F;ern La&#x0364;ndern er&#x017F;trecken &#x017F;ich nicht &#x017F;ehr weit unter die Null des fahrenheiti&#x017F;chen Thermometers (&#x2014; 15 Grad nach Reaumu&#x0364;r). In dem &#x017F;ehr harten Winter des Jahres 1740 war der tief&#x017F;te Stand des Thermometers zu Wittenberg &#x2014; 10 Grad, und zu Danzig &#x2014; 12 2/5 Gr. nach Fahrenheit. Weit &#x017F;ta&#x0364;rkere Grade der Ka&#x0364;lte findet man in Sibirien zum Theil an Orten, deren geographi&#x017F;che Breite nicht viel gro&#x0364;ßer i&#x017F;t, als die fu&#x0364;r un&#x017F;ere La&#x0364;nder. Folgende Bey&#x017F;piele hievon &#x017F;ind aus der in Erxlebens Anfangsgru&#x0364;nden der Naturlehre §. 761 befindlichen Tabelle genommen. <table><row><cell>Ort</cell><cell>No&#x0364;rdl.<lb/>
Breite</cell><cell/><cell>Zeit der Beob.</cell><cell>Fahrenh.</cell></row><row><cell>Kirinskoi O&#x017F;trog</cell><cell/><cell/><cell/><cell/><cell>Grade</cell></row><row><cell>in Sibirien</cell><cell>-</cell><cell>57°47&#x2032;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>1737, 8</cell><cell>Dec.</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>112</cell></row><row><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>1738, 20</cell><cell>Jan.</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>118</cell></row><row><cell>Tornea&#x0364; in<lb/>
Lappland</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>65°51&#x2032;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>1737</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>42 2/5</cell></row><row><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>1760 5</cell><cell>Jan.</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>130</cell></row><row><cell>Tomsk in<lb/>
Sibirien</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>1735.</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>138 1/2</cell></row><row><cell>Kirenga</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>1738.</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>150</cell></row><row><cell>Yeni&#x017F;ei&#x017F;k</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>1735, 16</cell><cell>Jan.</cell><cell>&#x2014;</cell><cell>157</cell></row></table></p>
            <p>Ich kan jedoch nicht umhin, zu bemerken, daß fa&#x017F;t alle die&#x017F;e Beobachtungen verda&#x0364;chtig &#x017F;ind, weil &#x017F;ie den neu&#x017F;ten Entdeckungen zufolge den wahren Gefrierpunkt des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[705/0711] deſto begreiflicher wird, da die Sonne jede Seite der Berge nur wenige Stunden lang und mit ſehr ſchief auffallenden Stralen beſcheint, auch die hervorgebrachte Waͤrme ſich an den Bergſpitzen, welche von allen Seiten her mit Luft umringt ſind, weit ſchneller, als im platten Lande, zerſtreut. Starke und weit ausgebreitete Waldungen machen die Laͤnder vorzuͤglich kalt, weil das Eis wegen der vielen Schatten ſpaͤter aufthauet. Auch die Winde haben einen merklichen Einfluß auf die Kaͤlte der Luft, wenn ſie, wie bey uns die Nordwinde, Luft aus kaͤltern Erdſtrichen|in unſere Gegenden uͤberfuͤhren. Die ſtaͤrkſten Grade der Kaͤlte in unſern Laͤndern erſtrecken ſich nicht ſehr weit unter die Null des fahrenheitiſchen Thermometers (— 15 Grad nach Reaumuͤr). In dem ſehr harten Winter des Jahres 1740 war der tiefſte Stand des Thermometers zu Wittenberg — 10 Grad, und zu Danzig — 12 2/5 Gr. nach Fahrenheit. Weit ſtaͤrkere Grade der Kaͤlte findet man in Sibirien zum Theil an Orten, deren geographiſche Breite nicht viel groͤßer iſt, als die fuͤr unſere Laͤnder. Folgende Beyſpiele hievon ſind aus der in Erxlebens Anfangsgruͤnden der Naturlehre §. 761 befindlichen Tabelle genommen. Ort Noͤrdl. Breite Zeit der Beob. Fahrenh. Kirinskoi Oſtrog Grade in Sibirien - 57°47′ — 1737, 8 Dec. — 112 — — — — 1738, 20 Jan. — 118 Torneaͤ in Lappland — 65°51′ — 1737 — — 42 2/5 — — — — 1760 5 Jan. — 130 Tomsk in Sibirien — — — 1735. — — 138 1/2 Kirenga — — — 1738. — — 150 Yeniſeiſk — — — 1735, 16 Jan. — 157 Ich kan jedoch nicht umhin, zu bemerken, daß faſt alle dieſe Beobachtungen verdaͤchtig ſind, weil ſie den neuſten Entdeckungen zufolge den wahren Gefrierpunkt des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/711
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 705. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/711>, abgerufen am 25.11.2024.