Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


bedient haben; dahingegen die erstere von der Wahrheit nur wenig abweicht.

Ich komme nunmehr auf die so berühmt gewordene Messung des Picard, welcher den von Snellius angegebnen Weg zuerst mit bessern Werkzeugen und mehrern Hülfsmitteln der Rechnung verfolgte. Diesem Gelehrten ward bey der Errichtung der Akademie zu Paris aufgetragen, eine Gradmessung in Frankreich zu veranstalten. Er machte daher im Jahre 1669 eine von Malvoisine bis Amiens reichende Verbindung von Dreyecken, bediente sich dabey zur Messung der Winkel zum Erstenmale der Instrumente mit Fernröhren oder teleskopischen Dioptern, und bestimmte dadurch den Grad in dieser Gegend auf 57060 Toisen. (Mesure de la terre par M. Picard, Paris 1671. 8. auch im Auszuge bey seinem Traite du nivellement. Paris 1684. 12.). So genau sein Verfahren war, so hat dennoch Herr von Maupertuis (Degre du meridien entre Paris et Amiens, Paris, 1740. 8.) noch einige Berichtigungen desselben versucht.

Unter der damals noch allgemein angenommenen Voraussetzung der vollkommnen Kugelgestalt folgte aus Picard's Bestimmung der Umkreis des Meridians = 360 X 57060 = 20541600 Toisen; hieraus durch das Verhältniß 355:113 die Größe des Durchmessers der Erde = 6538600 Toisen; die des Halbmessers = 3269300 Toisen, oder 19615800 pariser Schuh. Diese Bestimmung haben Huygens und Newton bey ihren Berechnungen zum Grunde gelegt, und man gebraucht sie noch jetzt, wenn es nicht nothwendig ist, auf die abgeplattete Gestalt der Erde Rücksicht zu nehmen.

Allein da Picard selbst anrieth, die von ihm angefangene Gradmessung fortzusetzen, so veranlassete dies die in den Jahren 1683, 1700 und 1718 unternommene Verlängerung der pariser Mittagslinie durch ganz Frankreich, bey welcher die beyden Cassini die nördlichen Grade kleiner, als die südlichen, zu finden glaubten und dadurch den bereits im Vorigen erzählten Streit über die Gestalt der Erde erregten, welcher erst durch die in den Jahren 1735 bis 1744


bedient haben; dahingegen die erſtere von der Wahrheit nur wenig abweicht.

Ich komme nunmehr auf die ſo beruͤhmt gewordene Meſſung des Picard, welcher den von Snellius angegebnen Weg zuerſt mit beſſern Werkzeugen und mehrern Huͤlfsmitteln der Rechnung verfolgte. Dieſem Gelehrten ward bey der Errichtung der Akademie zu Paris aufgetragen, eine Gradmeſſung in Frankreich zu veranſtalten. Er machte daher im Jahre 1669 eine von Malvoiſine bis Amiens reichende Verbindung von Dreyecken, bediente ſich dabey zur Meſſung der Winkel zum Erſtenmale der Inſtrumente mit Fernroͤhren oder teleſkopiſchen Dioptern, und beſtimmte dadurch den Grad in dieſer Gegend auf 57060 Toiſen. (Méſure de la terre par M. Picard, Paris 1671. 8. auch im Auszuge bey ſeinem Traité du nivellement. Paris 1684. 12.). So genau ſein Verfahren war, ſo hat dennoch Herr von Maupertuis (Degré du meridien entre Paris et Amiens, Paris, 1740. 8.) noch einige Berichtigungen deſſelben verſucht.

Unter der damals noch allgemein angenommenen Vorausſetzung der vollkommnen Kugelgeſtalt folgte aus Picard's Beſtimmung der Umkreis des Meridians = 360 X 57060 = 20541600 Toiſen; hieraus durch das Verhaͤltniß 355:113 die Groͤße des Durchmeſſers der Erde = 6538600 Toiſen; die des Halbmeſſers = 3269300 Toiſen, oder 19615800 pariſer Schuh. Dieſe Beſtimmung haben Huygens und Newton bey ihren Berechnungen zum Grunde gelegt, und man gebraucht ſie noch jetzt, wenn es nicht nothwendig iſt, auf die abgeplattete Geſtalt der Erde Ruͤckſicht zu nehmen.

Allein da Picard ſelbſt anrieth, die von ihm angefangene Gradmeſſung fortzuſetzen, ſo veranlaſſete dies die in den Jahren 1683, 1700 und 1718 unternommene Verlaͤngerung der pariſer Mittagslinie durch ganz Frankreich, bey welcher die beyden Caſſini die noͤrdlichen Grade kleiner, als die ſuͤdlichen, zu finden glaubten und dadurch den bereits im Vorigen erzaͤhlten Streit uͤber die Geſtalt der Erde erregten, welcher erſt durch die in den Jahren 1735 bis 1744

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0044" xml:id="P.2.38" n="38"/><lb/>
bedient haben; dahingegen die er&#x017F;tere von der Wahrheit nur wenig abweicht.</p>
            <p>Ich komme nunmehr auf die &#x017F;o beru&#x0364;hmt gewordene Me&#x017F;&#x017F;ung des <hi rendition="#b">Picard,</hi> welcher den von Snellius angegebnen Weg zuer&#x017F;t mit be&#x017F;&#x017F;ern Werkzeugen und mehrern Hu&#x0364;lfsmitteln der Rechnung verfolgte. Die&#x017F;em Gelehrten ward bey der Errichtung der Akademie zu Paris aufgetragen, eine Gradme&#x017F;&#x017F;ung in Frankreich zu veran&#x017F;talten. Er machte daher im Jahre 1669 eine von Malvoi&#x017F;ine bis Amiens reichende Verbindung von Dreyecken, bediente &#x017F;ich dabey zur Me&#x017F;&#x017F;ung der Winkel zum Er&#x017F;tenmale der In&#x017F;trumente mit Fernro&#x0364;hren oder tele&#x017F;kopi&#x017F;chen Dioptern, und be&#x017F;timmte dadurch den Grad in die&#x017F;er Gegend auf 57060 Toi&#x017F;en. (<hi rendition="#aq">&#x017F;ure de la terre par M. <hi rendition="#i">Picard,</hi> Paris</hi> 1671. 8. auch im Auszuge bey &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Traité du nivellement. Paris</hi> 1684. 12.). So genau &#x017F;ein Verfahren war, &#x017F;o hat dennoch Herr <hi rendition="#b">von Maupertuis</hi> (<hi rendition="#aq">Degré du meridien entre Paris et Amiens, Paris, 1740. 8.</hi>) noch einige Berichtigungen de&#x017F;&#x017F;elben ver&#x017F;ucht.</p>
            <p>Unter der damals noch allgemein angenommenen Voraus&#x017F;etzung der vollkommnen Kugelge&#x017F;talt folgte aus <hi rendition="#b">Picard's</hi> Be&#x017F;timmung der Umkreis des Meridians = 360 X 57060 = 20541600 Toi&#x017F;en; hieraus durch das Verha&#x0364;ltniß 355:113 die Gro&#x0364;ße des Durchme&#x017F;&#x017F;ers der Erde = 6538600 Toi&#x017F;en; die des Halbme&#x017F;&#x017F;ers = 3269300 Toi&#x017F;en, oder 19615800 pari&#x017F;er Schuh. Die&#x017F;e Be&#x017F;timmung haben <hi rendition="#b">Huygens</hi> und <hi rendition="#b">Newton</hi> bey ihren Berechnungen zum Grunde gelegt, und man gebraucht &#x017F;ie noch jetzt, wenn es nicht nothwendig i&#x017F;t, auf die abgeplattete Ge&#x017F;talt der Erde Ru&#x0364;ck&#x017F;icht zu nehmen.</p>
            <p>Allein da <hi rendition="#b">Picard</hi> &#x017F;elb&#x017F;t anrieth, die von ihm angefangene Gradme&#x017F;&#x017F;ung fortzu&#x017F;etzen, &#x017F;o veranla&#x017F;&#x017F;ete dies die in den Jahren 1683, 1700 und 1718 unternommene Verla&#x0364;ngerung der pari&#x017F;er Mittagslinie durch ganz Frankreich, bey welcher die beyden <hi rendition="#b">Ca&#x017F;&#x017F;ini</hi> die no&#x0364;rdlichen Grade kleiner, als die &#x017F;u&#x0364;dlichen, zu finden glaubten und dadurch den bereits im Vorigen erza&#x0364;hlten Streit u&#x0364;ber die Ge&#x017F;talt der Erde erregten, welcher er&#x017F;t durch die in den Jahren 1735 bis 1744<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0044] bedient haben; dahingegen die erſtere von der Wahrheit nur wenig abweicht. Ich komme nunmehr auf die ſo beruͤhmt gewordene Meſſung des Picard, welcher den von Snellius angegebnen Weg zuerſt mit beſſern Werkzeugen und mehrern Huͤlfsmitteln der Rechnung verfolgte. Dieſem Gelehrten ward bey der Errichtung der Akademie zu Paris aufgetragen, eine Gradmeſſung in Frankreich zu veranſtalten. Er machte daher im Jahre 1669 eine von Malvoiſine bis Amiens reichende Verbindung von Dreyecken, bediente ſich dabey zur Meſſung der Winkel zum Erſtenmale der Inſtrumente mit Fernroͤhren oder teleſkopiſchen Dioptern, und beſtimmte dadurch den Grad in dieſer Gegend auf 57060 Toiſen. (Méſure de la terre par M. Picard, Paris 1671. 8. auch im Auszuge bey ſeinem Traité du nivellement. Paris 1684. 12.). So genau ſein Verfahren war, ſo hat dennoch Herr von Maupertuis (Degré du meridien entre Paris et Amiens, Paris, 1740. 8.) noch einige Berichtigungen deſſelben verſucht. Unter der damals noch allgemein angenommenen Vorausſetzung der vollkommnen Kugelgeſtalt folgte aus Picard's Beſtimmung der Umkreis des Meridians = 360 X 57060 = 20541600 Toiſen; hieraus durch das Verhaͤltniß 355:113 die Groͤße des Durchmeſſers der Erde = 6538600 Toiſen; die des Halbmeſſers = 3269300 Toiſen, oder 19615800 pariſer Schuh. Dieſe Beſtimmung haben Huygens und Newton bey ihren Berechnungen zum Grunde gelegt, und man gebraucht ſie noch jetzt, wenn es nicht nothwendig iſt, auf die abgeplattete Geſtalt der Erde Ruͤckſicht zu nehmen. Allein da Picard ſelbſt anrieth, die von ihm angefangene Gradmeſſung fortzuſetzen, ſo veranlaſſete dies die in den Jahren 1683, 1700 und 1718 unternommene Verlaͤngerung der pariſer Mittagslinie durch ganz Frankreich, bey welcher die beyden Caſſini die noͤrdlichen Grade kleiner, als die ſuͤdlichen, zu finden glaubten und dadurch den bereits im Vorigen erzaͤhlten Streit uͤber die Geſtalt der Erde erregten, welcher erſt durch die in den Jahren 1735 bis 1744

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/44
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/44>, abgerufen am 19.04.2024.