Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Die Theorie des Laufs der Flüsse ist weitläuftig und noch manchen Schwierigkeiten unterworfen, s. Hydrodynamik. Ihre Geschwindigkeit richtet sich nicht immer nach der Abhängigkeit des Grundes. Die Donau ist weniger abhängig, als der Rhe<*> und der Po, und doch geschwinder; die Loire hat nach Picard dreymal mehr Fall, als die doppelt so geschwinde Seine. Auch ist die Geschwindigkeit eines Flusses an verschiedenen Stellen ungleich, theils wegen des verschiedenen Falles, theils wegen der Verengerung oder Erweiterung des Bettes. Ueberdies kömmt es hiebey auf die Tiefe des Wassers und auf den Widerstand bey den Krümmungen, Inseln rc. an. Die geschwindesten Flüsse sind der Tiger, der Indus, die Donau. Wenn ein schneller Strom ins Meer ausfließt, oder in eine See geht, so behält er seine Geschwindigkeit noch eine Zeit lang, so daß man seine Fahrt auf eine ziemliche Weite von dem stillstehenden Wasser unterscheiden kan, ob es gleich ein Irrthum ist, daß der Rhein durch den Bodensee und die Rhone durch den Genfersee ganz durchgehen, ohne sich mit dem Wasser derselben zu vermischen. In der Mitte, wo die Geschwindigkeit am größten ist, sieht das Wasser eines Flusses bisweilen auf 3 Fuß höher, als an den Ufern; bey dem Ausflusse aber ist die Oberfläche in der Mitte hohl, weil das Meerwasser an den Seiten am stärksten aufsteigt. Durch diese Gegenwirkung sowohl, als durch Krümmungen, Inseln, Brücken u. dgl. können Wirbel entstehen; bisweilen werden sogar die Flüsse durch das Aufschwellen anderer hineinfallenden, durch das Zurücktreten des Meeres, durch Winde und Eisbrüche in ihrem Laufe aufgehalten oder zurückgetrieben. Die Oberfläche der Flüsse steigt und fällt, je nachdem die Zuflüsse zu- oder abnehmen. Bey verstärktem Zuflusse wächst zuerst die Geschwindigkeit in der Tiefe, daher bisweilen der Zufluß abgeführt wird, ohne daß die Oberfläche steigt. Nimmt das Wasser noch mehr zu, so wird auch auf der Oberfläche die Geschwindigkeit größer, bis eine Ueberschwemmung
Die Theorie des Laufs der Fluͤſſe iſt weitlaͤuftig und noch manchen Schwierigkeiten unterworfen, ſ. Hydrodynamik. Ihre Geſchwindigkeit richtet ſich nicht immer nach der Abhaͤngigkeit des Grundes. Die Donau iſt weniger abhaͤngig, als der Rhe<*> und der Po, und doch geſchwinder; die Loire hat nach Picard dreymal mehr Fall, als die doppelt ſo geſchwinde Seine. Auch iſt die Geſchwindigkeit eines Fluſſes an verſchiedenen Stellen ungleich, theils wegen des verſchiedenen Falles, theils wegen der Verengerung oder Erweiterung des Bettes. Ueberdies koͤmmt es hiebey auf die Tiefe des Waſſers und auf den Widerſtand bey den Kruͤmmungen, Inſeln rc. an. Die geſchwindeſten Fluͤſſe ſind der Tiger, der Indus, die Donau. Wenn ein ſchneller Strom ins Meer ausfließt, oder in eine See geht, ſo behaͤlt er ſeine Geſchwindigkeit noch eine Zeit lang, ſo daß man ſeine Fahrt auf eine ziemliche Weite von dem ſtillſtehenden Waſſer unterſcheiden kan, ob es gleich ein Irrthum iſt, daß der Rhein durch den Bodenſee und die Rhone durch den Genferſee ganz durchgehen, ohne ſich mit dem Waſſer derſelben zu vermiſchen. In der Mitte, wo die Geſchwindigkeit am groͤßten iſt, ſieht das Waſſer eines Fluſſes bisweilen auf 3 Fuß hoͤher, als an den Ufern; bey dem Ausfluſſe aber iſt die Oberflaͤche in der Mitte hohl, weil das Meerwaſſer an den Seiten am ſtaͤrkſten aufſteigt. Durch dieſe Gegenwirkung ſowohl, als durch Kruͤmmungen, Inſeln, Bruͤcken u. dgl. koͤnnen Wirbel entſtehen; bisweilen werden ſogar die Fluͤſſe durch das Aufſchwellen anderer hineinfallenden, durch das Zuruͤcktreten des Meeres, durch Winde und Eisbruͤche in ihrem Laufe aufgehalten oder zuruͤckgetrieben. Die Oberflaͤche der Fluͤſſe ſteigt und faͤllt, je nachdem die Zufluͤſſe zu- oder abnehmen. Bey verſtaͤrktem Zufluſſe waͤchſt zuerſt die Geſchwindigkeit in der Tiefe, daher bisweilen der Zufluß abgefuͤhrt wird, ohne daß die Oberflaͤche ſteigt. Nimmt das Waſſer noch mehr zu, ſo wird auch auf der Oberflaͤche die Geſchwindigkeit groͤßer, bis eine Ueberſchwemmung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0325" xml:id="P.2.319" n="319"/><lb/> und kommen an deren Ende in Geſtalt der Quellen wieder hervor.</p> <p>Die Theorie des Laufs der Fluͤſſe iſt weitlaͤuftig und noch manchen Schwierigkeiten unterworfen, <hi rendition="#b">ſ. Hydrodynamik.</hi> Ihre Geſchwindigkeit richtet ſich nicht immer nach der Abhaͤngigkeit des Grundes. Die <hi rendition="#b">Donau</hi> iſt weniger abhaͤngig, als der <hi rendition="#b">Rhe<*></hi> und der <hi rendition="#b">Po,</hi> und doch geſchwinder; die <hi rendition="#b">Loire</hi> hat nach Picard dreymal mehr Fall, als die doppelt ſo geſchwinde <hi rendition="#b">Seine.</hi> Auch iſt die Geſchwindigkeit eines Fluſſes an verſchiedenen Stellen ungleich, theils wegen des verſchiedenen Falles, theils wegen der Verengerung oder Erweiterung des Bettes. Ueberdies koͤmmt es hiebey auf die Tiefe des Waſſers und auf den Widerſtand bey den Kruͤmmungen, Inſeln rc. an. Die geſchwindeſten Fluͤſſe ſind der <hi rendition="#b">Tiger,</hi> der <hi rendition="#b">Indus,</hi> die <hi rendition="#b">Donau.</hi> Wenn ein ſchneller Strom ins Meer ausfließt, oder in eine See geht, ſo behaͤlt er ſeine Geſchwindigkeit noch eine Zeit lang, ſo daß man ſeine Fahrt auf eine ziemliche Weite von dem ſtillſtehenden Waſſer unterſcheiden kan, ob es gleich ein Irrthum iſt, daß der <hi rendition="#b">Rhein</hi> durch den <hi rendition="#b">Bodenſee</hi> und die <hi rendition="#b">Rhone</hi> durch den <hi rendition="#b">Genferſee</hi> ganz durchgehen, ohne ſich mit dem Waſſer derſelben zu vermiſchen.</p> <p>In der Mitte, wo die Geſchwindigkeit am groͤßten iſt, ſieht das Waſſer eines Fluſſes bisweilen auf 3 Fuß hoͤher, als an den Ufern; bey dem Ausfluſſe aber iſt die Oberflaͤche in der Mitte hohl, weil das Meerwaſſer an den Seiten am ſtaͤrkſten aufſteigt. Durch dieſe Gegenwirkung ſowohl, als durch Kruͤmmungen, Inſeln, Bruͤcken u. dgl. koͤnnen Wirbel entſtehen; bisweilen werden ſogar die Fluͤſſe durch das Aufſchwellen anderer hineinfallenden, durch das Zuruͤcktreten des Meeres, durch Winde und Eisbruͤche in ihrem Laufe aufgehalten oder zuruͤckgetrieben.</p> <p>Die Oberflaͤche der Fluͤſſe ſteigt und faͤllt, je nachdem die Zufluͤſſe zu- oder abnehmen. Bey verſtaͤrktem Zufluſſe waͤchſt zuerſt die Geſchwindigkeit in der Tiefe, daher bisweilen der Zufluß abgefuͤhrt wird, ohne daß die Oberflaͤche ſteigt. Nimmt das Waſſer noch mehr zu, ſo wird auch auf der Oberflaͤche die Geſchwindigkeit groͤßer, bis eine Ueberſchwemmung<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [319/0325]
und kommen an deren Ende in Geſtalt der Quellen wieder hervor.
Die Theorie des Laufs der Fluͤſſe iſt weitlaͤuftig und noch manchen Schwierigkeiten unterworfen, ſ. Hydrodynamik. Ihre Geſchwindigkeit richtet ſich nicht immer nach der Abhaͤngigkeit des Grundes. Die Donau iſt weniger abhaͤngig, als der Rhe<*> und der Po, und doch geſchwinder; die Loire hat nach Picard dreymal mehr Fall, als die doppelt ſo geſchwinde Seine. Auch iſt die Geſchwindigkeit eines Fluſſes an verſchiedenen Stellen ungleich, theils wegen des verſchiedenen Falles, theils wegen der Verengerung oder Erweiterung des Bettes. Ueberdies koͤmmt es hiebey auf die Tiefe des Waſſers und auf den Widerſtand bey den Kruͤmmungen, Inſeln rc. an. Die geſchwindeſten Fluͤſſe ſind der Tiger, der Indus, die Donau. Wenn ein ſchneller Strom ins Meer ausfließt, oder in eine See geht, ſo behaͤlt er ſeine Geſchwindigkeit noch eine Zeit lang, ſo daß man ſeine Fahrt auf eine ziemliche Weite von dem ſtillſtehenden Waſſer unterſcheiden kan, ob es gleich ein Irrthum iſt, daß der Rhein durch den Bodenſee und die Rhone durch den Genferſee ganz durchgehen, ohne ſich mit dem Waſſer derſelben zu vermiſchen.
In der Mitte, wo die Geſchwindigkeit am groͤßten iſt, ſieht das Waſſer eines Fluſſes bisweilen auf 3 Fuß hoͤher, als an den Ufern; bey dem Ausfluſſe aber iſt die Oberflaͤche in der Mitte hohl, weil das Meerwaſſer an den Seiten am ſtaͤrkſten aufſteigt. Durch dieſe Gegenwirkung ſowohl, als durch Kruͤmmungen, Inſeln, Bruͤcken u. dgl. koͤnnen Wirbel entſtehen; bisweilen werden ſogar die Fluͤſſe durch das Aufſchwellen anderer hineinfallenden, durch das Zuruͤcktreten des Meeres, durch Winde und Eisbruͤche in ihrem Laufe aufgehalten oder zuruͤckgetrieben.
Die Oberflaͤche der Fluͤſſe ſteigt und faͤllt, je nachdem die Zufluͤſſe zu- oder abnehmen. Bey verſtaͤrktem Zufluſſe waͤchſt zuerſt die Geſchwindigkeit in der Tiefe, daher bisweilen der Zufluß abgefuͤhrt wird, ohne daß die Oberflaͤche ſteigt. Nimmt das Waſſer noch mehr zu, ſo wird auch auf der Oberflaͤche die Geſchwindigkeit groͤßer, bis eine Ueberſchwemmung
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