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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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Das Sternrohr ist ein so einfaches und schönes Werkzeug, daß ich mich nicht habe enthalten können, von der Theorie desselben die vornehmsten Sätze beyzubringen. Diese Theorie ist zuerst von Keplern entwickelt, dann aber nach Erfindung der wahren Gesetze der Brechung erst von Huygens in seiner Dioptrik umständlicher ausgeführt worden. Descartes, ob er gleich das Gesetz der Brechung kannte, und einer der größten Geometern war, giebt doch von den Wirkungen des Fernrohrs eine Erklärung, die man nach Huygens Warnung ja nicht suchen darf, zu verstehen, weil die Mühe vergeblich seyn würde. Analytisch haben die Theorie der Fernröhre überhaupt Herr Kästner in seiner Ausgabe von Smith's vollständigem Lehrbegrif der Optik, und Herr Klügel in seiner analytischen Dioptrik vorgetragen.

Daß das Sternrohr die Gegenstände umkehrt, ist für den Astronomen, der einmal damit bekannt ist, ein sehr gleichgültiger Umstand. Inzwischen haben schon Kepler und Scheiner einen Vorschlag gethan, dieser vermeynten Unbequemlichkeit abzuhelfen. Bey dem Worte: Linsengläser wird gezeigt, daß ein Convexglas von der Brennweite f, Stralen aus einem Punkte, der um 2 f von ihm entfernt ist, wieder in einen Punkt vereiniget, der um 2 f hinter ihm liegt. Man rücke also Taf. IX. Fig. 25 das Augenglas GH von a, dem Brennpunkte des Vorderglases, um 2 f oder um seine doppelte Brennweite ab, so werden sich die Stralen, die in a und b vereiniget waren, hinter dem Augenglase in der Entfernung der doppelten Brennweite zum zweytenmale vereinigen und ein umgekehrtes Bild von ab, d. i. ein aufgerichtetes Bild vom Gegenstande AB machen. Stellt man gegen dieses Bild ein zweytes Augenglas so, wie GH gegen ab steht, daß nemlich das Bild im Brennraume des zweyten Augenglases liegt, so erfolgt alles, wie beym Sternrohre, nur daß das Bild nunmehr aufgerichtet erscheint. Diese Art von Fernrohr mit drey Gläsern ist aber nicht in Gebrauch gekommen, weil die Abweichungen dabey allzugroß werden.


Das Sternrohr iſt ein ſo einfaches und ſchoͤnes Werkzeug, daß ich mich nicht habe enthalten koͤnnen, von der Theorie deſſelben die vornehmſten Saͤtze beyzubringen. Dieſe Theorie iſt zuerſt von Keplern entwickelt, dann aber nach Erfindung der wahren Geſetze der Brechung erſt von Huygens in ſeiner Dioptrik umſtaͤndlicher ausgefuͤhrt worden. Descartes, ob er gleich das Geſetz der Brechung kannte, und einer der groͤßten Geometern war, giebt doch von den Wirkungen des Fernrohrs eine Erklaͤrung, die man nach Huygens Warnung ja nicht ſuchen darf, zu verſtehen, weil die Muͤhe vergeblich ſeyn wuͤrde. Analytiſch haben die Theorie der Fernroͤhre uͤberhaupt Herr Kaͤſtner in ſeiner Ausgabe von Smith's vollſtaͤndigem Lehrbegrif der Optik, und Herr Kluͤgel in ſeiner analytiſchen Dioptrik vorgetragen.

Daß das Sternrohr die Gegenſtaͤnde umkehrt, iſt fuͤr den Aſtronomen, der einmal damit bekannt iſt, ein ſehr gleichguͤltiger Umſtand. Inzwiſchen haben ſchon Kepler und Scheiner einen Vorſchlag gethan, dieſer vermeynten Unbequemlichkeit abzuhelfen. Bey dem Worte: Linſenglaͤſer wird gezeigt, daß ein Convexglas von der Brennweite f, Stralen aus einem Punkte, der um 2 f von ihm entfernt iſt, wieder in einen Punkt vereiniget, der um 2 f hinter ihm liegt. Man ruͤcke alſo Taf. IX. Fig. 25 das Augenglas GH von a, dem Brennpunkte des Vorderglaſes, um 2 f oder um ſeine doppelte Brennweite ab, ſo werden ſich die Stralen, die in a und b vereiniget waren, hinter dem Augenglaſe in der Entfernung der doppelten Brennweite zum zweytenmale vereinigen und ein umgekehrtes Bild von ab, d. i. ein aufgerichtetes Bild vom Gegenſtande AB machen. Stellt man gegen dieſes Bild ein zweytes Augenglas ſo, wie GH gegen ab ſteht, daß nemlich das Bild im Brennraume des zweyten Augenglaſes liegt, ſo erfolgt alles, wie beym Sternrohre, nur daß das Bild nunmehr aufgerichtet erſcheint. Dieſe Art von Fernrohr mit drey Glaͤſern iſt aber nicht in Gebrauch gekommen, weil die Abweichungen dabey allzugroß werden.

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[194/0200] Das Sternrohr iſt ein ſo einfaches und ſchoͤnes Werkzeug, daß ich mich nicht habe enthalten koͤnnen, von der Theorie deſſelben die vornehmſten Saͤtze beyzubringen. Dieſe Theorie iſt zuerſt von Keplern entwickelt, dann aber nach Erfindung der wahren Geſetze der Brechung erſt von Huygens in ſeiner Dioptrik umſtaͤndlicher ausgefuͤhrt worden. Descartes, ob er gleich das Geſetz der Brechung kannte, und einer der groͤßten Geometern war, giebt doch von den Wirkungen des Fernrohrs eine Erklaͤrung, die man nach Huygens Warnung ja nicht ſuchen darf, zu verſtehen, weil die Muͤhe vergeblich ſeyn wuͤrde. Analytiſch haben die Theorie der Fernroͤhre uͤberhaupt Herr Kaͤſtner in ſeiner Ausgabe von Smith's vollſtaͤndigem Lehrbegrif der Optik, und Herr Kluͤgel in ſeiner analytiſchen Dioptrik vorgetragen. Daß das Sternrohr die Gegenſtaͤnde umkehrt, iſt fuͤr den Aſtronomen, der einmal damit bekannt iſt, ein ſehr gleichguͤltiger Umſtand. Inzwiſchen haben ſchon Kepler und Scheiner einen Vorſchlag gethan, dieſer vermeynten Unbequemlichkeit abzuhelfen. Bey dem Worte: Linſenglaͤſer wird gezeigt, daß ein Convexglas von der Brennweite f, Stralen aus einem Punkte, der um 2 f von ihm entfernt iſt, wieder in einen Punkt vereiniget, der um 2 f hinter ihm liegt. Man ruͤcke alſo Taf. IX. Fig. 25 das Augenglas GH von a, dem Brennpunkte des Vorderglaſes, um 2 f oder um ſeine doppelte Brennweite ab, ſo werden ſich die Stralen, die in a und b vereiniget waren, hinter dem Augenglaſe in der Entfernung der doppelten Brennweite zum zweytenmale vereinigen und ein umgekehrtes Bild von ab, d. i. ein aufgerichtetes Bild vom Gegenſtande AB machen. Stellt man gegen dieſes Bild ein zweytes Augenglas ſo, wie GH gegen ab ſteht, daß nemlich das Bild im Brennraume des zweyten Augenglaſes liegt, ſo erfolgt alles, wie beym Sternrohre, nur daß das Bild nunmehr aufgerichtet erſcheint. Dieſe Art von Fernrohr mit drey Glaͤſern iſt aber nicht in Gebrauch gekommen, weil die Abweichungen dabey allzugroß werden.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/200>, abgerufen am 21.11.2024.