Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Hypothesen über die Ursache der Elektricität.

Die ersten Experimentatoren, welche noch keine andern elektrischen Erscheinungen, als das Anziehen und Zurückstoßen kannten, erklärten dasselbe durch ölichte oder klebrige Ausflüsse, welche aus den geriebnen Körpern ausgiengen, und in dieselben wieder zurückkehrten. Sie glaubten, diese Ausflüsse hiengen sich an alle Körper, und rissen die leichten und beweglichen mit sich fort, die, wenn sie den geriebnen Körper berührt hätten, durch neue Ausflüsse zurückgestoßen würden. Diese Meynung hat Gilbert und Kenelm Digby (Demonstrat. immortalitatis animae, 1664. 8. Tr. I. cap. 16.). Auch Boyle hat sie angenommen. Daß man sich diese Ausflüsse um den Körper herum in Gestalt eines Dunstkreises versammlet gedachte, das hat unstreitig zu der Benennung der elektrischen Atmosphären Anlaß gegeben.

Newton scheint die Elektricität als eine Art der Anziehung betrachtet zu haben, die auf ähnliche Art mit der Schwere bewirkt werde. Wenigstens stellt er in seinen der Optik beygefügten Fragen mehreremal Attractiones gravitatis, virtutisque magneticae et electricae zusammen. Das heißt bey ihm zwar nichts weiter, als daß er die Schwere sowohl, als die elektrische Kraft, wie bloße Phänomene, betrachte, und die Ursache von beyden nicht wisse; aber seine Schüler glaubten das Phänomen erklärt zu haben, wenn sie es von einer den Körpern wesentlichen besondern Art der Anziehung und Zurückstoßung herleiteten.

Du Fay erklärte das Anziehen und Zurückstoßen aus gewissen die elektrisirten Körper umringenden Wirbeln, dergleichen schon Cabeus (Philosoph. magnetica, Ferrar. 1629. fol.) angenommen hatte. "Wenn eine "Pflaumfeder, sagt er, auf die geriebne Glasröhre fällt, "so wird sie sogleich in die Höhe zurückgestoßen, und man "kan aus der Höhe, in welcher sie über der Röhre schwebt, "aufdiejenige Schicht des Wirbels schließen, welche Kraft


Hypotheſen uͤber die Urſache der Elektricitaͤt.

Die erſten Experimentatoren, welche noch keine andern elektriſchen Erſcheinungen, als das Anziehen und Zuruͤckſtoßen kannten, erklaͤrten daſſelbe durch oͤlichte oder klebrige Ausfluͤſſe, welche aus den geriebnen Koͤrpern ausgiengen, und in dieſelben wieder zuruͤckkehrten. Sie glaubten, dieſe Ausfluͤſſe hiengen ſich an alle Koͤrper, und riſſen die leichten und beweglichen mit ſich fort, die, wenn ſie den geriebnen Koͤrper beruͤhrt haͤtten, durch neue Ausfluͤſſe zuruͤckgeſtoßen wuͤrden. Dieſe Meynung hat Gilbert und Kenelm Digby (Demonſtrat. immortalitatis animae, 1664. 8. Tr. I. cap. 16.). Auch Boyle hat ſie angenommen. Daß man ſich dieſe Ausfluͤſſe um den Koͤrper herum in Geſtalt eines Dunſtkreiſes verſammlet gedachte, das hat unſtreitig zu der Benennung der elektriſchen Atmoſphaͤren Anlaß gegeben.

Newton ſcheint die Elektricitaͤt als eine Art der Anziehung betrachtet zu haben, die auf aͤhnliche Art mit der Schwere bewirkt werde. Wenigſtens ſtellt er in ſeinen der Optik beygefuͤgten Fragen mehreremal Attractiones gravitatis, virtutisque magneticae et electricae zuſammen. Das heißt bey ihm zwar nichts weiter, als daß er die Schwere ſowohl, als die elektriſche Kraft, wie bloße Phaͤnomene, betrachte, und die Urſache von beyden nicht wiſſe; aber ſeine Schuͤler glaubten das Phaͤnomen erklaͤrt zu haben, wenn ſie es von einer den Koͤrpern weſentlichen beſondern Art der Anziehung und Zuruͤckſtoßung herleiteten.

Du Fay erklaͤrte das Anziehen und Zuruͤckſtoßen aus gewiſſen die elektriſirten Koͤrper umringenden Wirbeln, dergleichen ſchon Cabeus (Philoſoph. magnetica, Ferrar. 1629. fol.) angenommen hatte. ”Wenn eine ”Pflaumfeder, ſagt er, auf die geriebne Glasroͤhre faͤllt, ”ſo wird ſie ſogleich in die Hoͤhe zuruͤckgeſtoßen, und man ”kan aus der Hoͤhe, in welcher ſie uͤber der Roͤhre ſchwebt, ”aufdiejenige Schicht des Wirbels ſchließen, welche Kraft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0769" xml:id="P.1.755" n="755"/><lb/> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#b">Hypothe&#x017F;en u&#x0364;ber die Ur&#x017F;ache der Elektricita&#x0364;t.</hi> </hi> </p>
          <p>Die er&#x017F;ten Experimentatoren, welche noch keine andern elektri&#x017F;chen Er&#x017F;cheinungen, als das Anziehen und Zuru&#x0364;ck&#x017F;toßen kannten, erkla&#x0364;rten da&#x017F;&#x017F;elbe durch <hi rendition="#b">o&#x0364;lichte</hi> oder klebrige <hi rendition="#b">Ausflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,</hi> welche aus den geriebnen Ko&#x0364;rpern ausgiengen, und in die&#x017F;elben wieder zuru&#x0364;ckkehrten. Sie glaubten, die&#x017F;e Ausflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e hiengen &#x017F;ich an alle Ko&#x0364;rper, und ri&#x017F;&#x017F;en die leichten und beweglichen mit &#x017F;ich fort, die, wenn &#x017F;ie den geriebnen Ko&#x0364;rper beru&#x0364;hrt ha&#x0364;tten, durch neue Ausflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zuru&#x0364;ckge&#x017F;toßen wu&#x0364;rden. Die&#x017F;e Meynung hat <hi rendition="#b">Gilbert</hi> und <hi rendition="#b">Kenelm Digby</hi> <hi rendition="#aq">(Demon&#x017F;trat. immortalitatis animae, 1664. 8. Tr. I. cap. 16.).</hi> Auch <hi rendition="#b">Boyle</hi> hat &#x017F;ie angenommen. Daß man &#x017F;ich die&#x017F;e Ausflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e um den Ko&#x0364;rper herum in Ge&#x017F;talt eines <hi rendition="#b">Dun&#x017F;tkrei&#x017F;es</hi> ver&#x017F;ammlet gedachte, das hat un&#x017F;treitig zu der Benennung der elektri&#x017F;chen <hi rendition="#b">Atmo&#x017F;pha&#x0364;ren</hi> Anlaß gegeben.</p>
          <p><hi rendition="#b">Newton</hi> &#x017F;cheint die Elektricita&#x0364;t als eine Art der Anziehung betrachtet zu haben, die auf a&#x0364;hnliche Art mit der Schwere bewirkt werde. Wenig&#x017F;tens &#x017F;tellt er in &#x017F;einen der Optik beygefu&#x0364;gten Fragen mehreremal <hi rendition="#aq">Attractiones gravitatis, virtutisque magneticae et electricae</hi> zu&#x017F;ammen. Das heißt bey ihm zwar nichts weiter, als daß er die Schwere &#x017F;owohl, als die elektri&#x017F;che Kraft, wie bloße Pha&#x0364;nomene, betrachte, und die Ur&#x017F;ache von beyden nicht wi&#x017F;&#x017F;e; aber &#x017F;eine Schu&#x0364;ler glaubten das Pha&#x0364;nomen <hi rendition="#b">erkla&#x0364;rt</hi> zu haben, wenn &#x017F;ie es von einer den Ko&#x0364;rpern we&#x017F;entlichen be&#x017F;ondern Art der Anziehung und Zuru&#x0364;ck&#x017F;toßung herleiteten.</p>
          <p><hi rendition="#b">Du Fay</hi> erkla&#x0364;rte das Anziehen und Zuru&#x0364;ck&#x017F;toßen aus gewi&#x017F;&#x017F;en die elektri&#x017F;irten Ko&#x0364;rper umringenden <hi rendition="#b">Wirbeln,</hi> dergleichen &#x017F;chon <hi rendition="#b">Cabeus</hi> <hi rendition="#aq">(Philo&#x017F;oph. magnetica, Ferrar. 1629. fol.)</hi> angenommen hatte. &#x201D;Wenn eine &#x201D;Pflaumfeder, &#x017F;agt er, auf die geriebne Glasro&#x0364;hre fa&#x0364;llt, &#x201D;&#x017F;o wird &#x017F;ie &#x017F;ogleich in die Ho&#x0364;he zuru&#x0364;ckge&#x017F;toßen, und man &#x201D;kan aus der Ho&#x0364;he, in welcher &#x017F;ie u&#x0364;ber der Ro&#x0364;hre &#x017F;chwebt, &#x201D;aufdiejenige Schicht des Wirbels &#x017F;chließen, welche Kraft<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[755/0769] Hypotheſen uͤber die Urſache der Elektricitaͤt. Die erſten Experimentatoren, welche noch keine andern elektriſchen Erſcheinungen, als das Anziehen und Zuruͤckſtoßen kannten, erklaͤrten daſſelbe durch oͤlichte oder klebrige Ausfluͤſſe, welche aus den geriebnen Koͤrpern ausgiengen, und in dieſelben wieder zuruͤckkehrten. Sie glaubten, dieſe Ausfluͤſſe hiengen ſich an alle Koͤrper, und riſſen die leichten und beweglichen mit ſich fort, die, wenn ſie den geriebnen Koͤrper beruͤhrt haͤtten, durch neue Ausfluͤſſe zuruͤckgeſtoßen wuͤrden. Dieſe Meynung hat Gilbert und Kenelm Digby (Demonſtrat. immortalitatis animae, 1664. 8. Tr. I. cap. 16.). Auch Boyle hat ſie angenommen. Daß man ſich dieſe Ausfluͤſſe um den Koͤrper herum in Geſtalt eines Dunſtkreiſes verſammlet gedachte, das hat unſtreitig zu der Benennung der elektriſchen Atmoſphaͤren Anlaß gegeben. Newton ſcheint die Elektricitaͤt als eine Art der Anziehung betrachtet zu haben, die auf aͤhnliche Art mit der Schwere bewirkt werde. Wenigſtens ſtellt er in ſeinen der Optik beygefuͤgten Fragen mehreremal Attractiones gravitatis, virtutisque magneticae et electricae zuſammen. Das heißt bey ihm zwar nichts weiter, als daß er die Schwere ſowohl, als die elektriſche Kraft, wie bloße Phaͤnomene, betrachte, und die Urſache von beyden nicht wiſſe; aber ſeine Schuͤler glaubten das Phaͤnomen erklaͤrt zu haben, wenn ſie es von einer den Koͤrpern weſentlichen beſondern Art der Anziehung und Zuruͤckſtoßung herleiteten. Du Fay erklaͤrte das Anziehen und Zuruͤckſtoßen aus gewiſſen die elektriſirten Koͤrper umringenden Wirbeln, dergleichen ſchon Cabeus (Philoſoph. magnetica, Ferrar. 1629. fol.) angenommen hatte. ”Wenn eine ”Pflaumfeder, ſagt er, auf die geriebne Glasroͤhre faͤllt, ”ſo wird ſie ſogleich in die Hoͤhe zuruͤckgeſtoßen, und man ”kan aus der Hoͤhe, in welcher ſie uͤber der Roͤhre ſchwebt, ”aufdiejenige Schicht des Wirbels ſchließen, welche Kraft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/769
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 755. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/769>, abgerufen am 24.11.2024.