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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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eine Kugel von geölter Seide von 10 Fuß Durchmesser in London hatte steigen lassen, so erfolgte doch daselbst die erste, gleichfalls von einem Italiäner Lunardi unternommene, Luftreise erst den 15 Sept. 1784. Mit desto mehr Theilnehmung sahe man nachher die Versuche, welche Blanchard in London, Sadler in Oxford, Harper in Birmingham u. a. anstellten.

In Absicht auf die willkührliche Lenkung der Luftmaschinen sind den öffentlichen Nachrichten (Journ. de Paris vom 29 Aug. 1785) zufolge die Herren Vallet und Alban, Directoren der chymischen Officin zu Iavelle bey Paris, glücklicher, als alle ihre Vorgänger, gewesen. Sie haben den 25 Aug. 1785 eine Luftreise nach vorherbestimmten Richtungen gemacht, ihr Luftschif nach Gefallen an dem dazu ausgezeichneten Orte niedergelassen; sie sind früh von Iavelle nach St. Cloud, und Abends wiederum nach Iavelle zurück gegangen.

Der Name Aerostat ist diesen Maschinen zum Erstenmale von le Roy in dem Berichte der Commissarien der Pariser Akademie der Wissenschaften vom 23 Dec. 1783 beygelegt worden.

Nach dieser kurzen Darstellung der Geschichte und der bisherigen Fortschritte dieser Erfindung will ich nun von der Theorie und Praxis derselben noch einige Nachricht geben.

Die Hydrostatik oder allgemeine Theorie des Gleichgewichts flüßiger Körper lehrt, daß feste Körper in einem flüßigen Mittel so viel von ihrem Gewichte verlieren, als die von ihnen aus der Stelle getriebne flüßige Materie wiegt; daß sie also nicht nur alles Gewicht verlieren, sondern sogar emporgetrieben werden, wenn das, was sie verlieren, mehr ist, als das, was sie wiegen. Feste Körper müssen also auch in der Luft aufsteigen, wenn sie weniger wiegen, als die Luft, welche von ihnen aus der Stelle getrieben wird. Für sich allein wiegen alle bekannte feste Körper mehr, als die Luft, deren Raum sie einnehmen; sie müssen daher, um in der Luft aufzusteigen, hohl und mit etwas angefüllt seyn, das leichter, als Luft, ist. Alles kömmt hiebey auf die Wahl eines


eine Kugel von geoͤlter Seide von 10 Fuß Durchmeſſer in London hatte ſteigen laſſen, ſo erfolgte doch daſelbſt die erſte, gleichfalls von einem Italiaͤner Lunardi unternommene, Luftreiſe erſt den 15 Sept. 1784. Mit deſto mehr Theilnehmung ſahe man nachher die Verſuche, welche Blanchard in London, Sadler in Oxford, Harper in Birmingham u. a. anſtellten.

In Abſicht auf die willkuͤhrliche Lenkung der Luftmaſchinen ſind den oͤffentlichen Nachrichten (Journ. de Paris vom 29 Aug. 1785) zufolge die Herren Vallet und Alban, Directoren der chymiſchen Officin zu Iavelle bey Paris, gluͤcklicher, als alle ihre Vorgaͤnger, geweſen. Sie haben den 25 Aug. 1785 eine Luftreiſe nach vorherbeſtimmten Richtungen gemacht, ihr Luftſchif nach Gefallen an dem dazu ausgezeichneten Orte niedergelaſſen; ſie ſind fruͤh von Iavelle nach St. Cloud, und Abends wiederum nach Iavelle zuruͤck gegangen.

Der Name Aeroſtat iſt dieſen Maſchinen zum Erſtenmale von le Roy in dem Berichte der Commiſſarien der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften vom 23 Dec. 1783 beygelegt worden.

Nach dieſer kurzen Darſtellung der Geſchichte und der bisherigen Fortſchritte dieſer Erfindung will ich nun von der Theorie und Praxis derſelben noch einige Nachricht geben.

Die Hydroſtatik oder allgemeine Theorie des Gleichgewichts fluͤßiger Koͤrper lehrt, daß feſte Koͤrper in einem fluͤßigen Mittel ſo viel von ihrem Gewichte verlieren, als die von ihnen aus der Stelle getriebne fluͤßige Materie wiegt; daß ſie alſo nicht nur alles Gewicht verlieren, ſondern ſogar emporgetrieben werden, wenn das, was ſie verlieren, mehr iſt, als das, was ſie wiegen. Feſte Koͤrper muͤſſen alſo auch in der Luft aufſteigen, wenn ſie weniger wiegen, als die Luft, welche von ihnen aus der Stelle getrieben wird. Fuͤr ſich allein wiegen alle bekannte feſte Koͤrper mehr, als die Luft, deren Raum ſie einnehmen; ſie muͤſſen daher, um in der Luft aufzuſteigen, hohl und mit etwas angefuͤllt ſeyn, das leichter, als Luft, iſt. Alles koͤmmt hiebey auf die Wahl eines

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[62/0076] eine Kugel von geoͤlter Seide von 10 Fuß Durchmeſſer in London hatte ſteigen laſſen, ſo erfolgte doch daſelbſt die erſte, gleichfalls von einem Italiaͤner Lunardi unternommene, Luftreiſe erſt den 15 Sept. 1784. Mit deſto mehr Theilnehmung ſahe man nachher die Verſuche, welche Blanchard in London, Sadler in Oxford, Harper in Birmingham u. a. anſtellten. In Abſicht auf die willkuͤhrliche Lenkung der Luftmaſchinen ſind den oͤffentlichen Nachrichten (Journ. de Paris vom 29 Aug. 1785) zufolge die Herren Vallet und Alban, Directoren der chymiſchen Officin zu Iavelle bey Paris, gluͤcklicher, als alle ihre Vorgaͤnger, geweſen. Sie haben den 25 Aug. 1785 eine Luftreiſe nach vorherbeſtimmten Richtungen gemacht, ihr Luftſchif nach Gefallen an dem dazu ausgezeichneten Orte niedergelaſſen; ſie ſind fruͤh von Iavelle nach St. Cloud, und Abends wiederum nach Iavelle zuruͤck gegangen. Der Name Aeroſtat iſt dieſen Maſchinen zum Erſtenmale von le Roy in dem Berichte der Commiſſarien der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften vom 23 Dec. 1783 beygelegt worden. Nach dieſer kurzen Darſtellung der Geſchichte und der bisherigen Fortſchritte dieſer Erfindung will ich nun von der Theorie und Praxis derſelben noch einige Nachricht geben. Die Hydroſtatik oder allgemeine Theorie des Gleichgewichts fluͤßiger Koͤrper lehrt, daß feſte Koͤrper in einem fluͤßigen Mittel ſo viel von ihrem Gewichte verlieren, als die von ihnen aus der Stelle getriebne fluͤßige Materie wiegt; daß ſie alſo nicht nur alles Gewicht verlieren, ſondern ſogar emporgetrieben werden, wenn das, was ſie verlieren, mehr iſt, als das, was ſie wiegen. Feſte Koͤrper muͤſſen alſo auch in der Luft aufſteigen, wenn ſie weniger wiegen, als die Luft, welche von ihnen aus der Stelle getrieben wird. Fuͤr ſich allein wiegen alle bekannte feſte Koͤrper mehr, als die Luft, deren Raum ſie einnehmen; ſie muͤſſen daher, um in der Luft aufzuſteigen, hohl und mit etwas angefuͤllt ſeyn, das leichter, als Luft, iſt. Alles koͤmmt hiebey auf die Wahl eines

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/76>, abgerufen am 27.04.2024.