Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Wärme vermehrt die specifische Elasticität der elastischen Flüßigkeiten. Erwärmte Luft wird daher, wenn sie eingeschlossen ist, und also ihre Dichtigkeit nicht ändern kan, absolut elastischer, und drückt gegen das, was sie einschließt, stärker. Ist sie aber frey, und nur von der vorigen Kraft gedrückt, mit der sie kälter das Gleichgewicht hielt, so überwindet sie diese Kraft jetzt, und breitet sich so lange aus, bis ihre Dichtigkeit in eben dem Maaße geringer ist, in welchem ihre specifische Elasticität zugenommen hat. Daher wird die Luft durch die Wärme verdünnt.

Brennbare Luft ist specifisch elastischer, als die gemeine atmosphärische. Schließt man sie also in eine undurchdringliche biegsame Hülle ein, so wird sie diese so lange ausdehnen, bis sie mit der von außen entgegendrückenden atmosphärischen Luft einerley absolute Elasticität hat. Dann aber ist ihre Dichtigkeit oder specifische Schwere in eben dem Verhältnisse geringer, in welchem ihre specifische Elasticität größer ist. Man erhält dadurch ein Mittel, einen biegsamen Körper zu machen, der leichter, als ein eben so großes Luftvolumen, ist, ohne jedoch von der äußern Luft zusammengedrückt zu werden, s. Aerostat. Eben diese Bewandtniß hat es mit der erhitzten oder durch Feuer verdünnten Luft, die daher ebenfalls zur Füllung der aerostatischen Maschinen dient.

Die Gesetze der Bewegung elastischer Flüßigkeiten weichen von denen der unelastischen vornehmlich in Absicht auf die Geschwindigkeit der verschiedenen Schichten ab. Wenn z. B. ein unelastisches Flüßige in einer cylindrischen Röhre läuft, so haben alle Querschnitte eine gleiche Geschwindigkeit; bey dem elastischen Flüßigen hingegen bewegen sich, wenn die Ausbreitung nur nach der einen Seite geschieht, die der Oefnung näher liegenden Schichten schneller, als die entferntern. Daniel Bernoulli (Hydrodynam. Arg. 1738. 4.) hat die Gesetze des Drucks und der Bewegung elastischer flüßiger Materien aus dem Grundsatze der Erhaltung lebendiger Kräfte entwickelt, und daraus eine kurze Theorie der Zusammendrückung der Luft, ihrer Bewegung in Gefäßen mit Oefnungen, und der Gewalt


Die Waͤrme vermehrt die ſpecifiſche Elaſticitaͤt der elaſtiſchen Fluͤßigkeiten. Erwaͤrmte Luft wird daher, wenn ſie eingeſchloſſen iſt, und alſo ihre Dichtigkeit nicht aͤndern kan, abſolut elaſtiſcher, und druͤckt gegen das, was ſie einſchließt, ſtaͤrker. Iſt ſie aber frey, und nur von der vorigen Kraft gedruͤckt, mit der ſie kaͤlter das Gleichgewicht hielt, ſo uͤberwindet ſie dieſe Kraft jetzt, und breitet ſich ſo lange aus, bis ihre Dichtigkeit in eben dem Maaße geringer iſt, in welchem ihre ſpecifiſche Elaſticitaͤt zugenommen hat. Daher wird die Luft durch die Waͤrme verduͤnnt.

Brennbare Luft iſt ſpecifiſch elaſtiſcher, als die gemeine atmoſphaͤriſche. Schließt man ſie alſo in eine undurchdringliche biegſame Huͤlle ein, ſo wird ſie dieſe ſo lange ausdehnen, bis ſie mit der von außen entgegendruͤckenden atmoſphaͤriſchen Luft einerley abſolute Elaſticitaͤt hat. Dann aber iſt ihre Dichtigkeit oder ſpecifiſche Schwere in eben dem Verhaͤltniſſe geringer, in welchem ihre ſpecifiſche Elaſticitaͤt groͤßer iſt. Man erhaͤlt dadurch ein Mittel, einen biegſamen Koͤrper zu machen, der leichter, als ein eben ſo großes Luftvolumen, iſt, ohne jedoch von der aͤußern Luft zuſammengedruͤckt zu werden, ſ. Aeroſtat. Eben dieſe Bewandtniß hat es mit der erhitzten oder durch Feuer verduͤnnten Luft, die daher ebenfalls zur Fuͤllung der aeroſtatiſchen Maſchinen dient.

Die Geſetze der Bewegung elaſtiſcher Fluͤßigkeiten weichen von denen der unelaſtiſchen vornehmlich in Abſicht auf die Geſchwindigkeit der verſchiedenen Schichten ab. Wenn z. B. ein unelaſtiſches Fluͤßige in einer cylindriſchen Roͤhre laͤuft, ſo haben alle Querſchnitte eine gleiche Geſchwindigkeit; bey dem elaſtiſchen Fluͤßigen hingegen bewegen ſich, wenn die Ausbreitung nur nach der einen Seite geſchieht, die der Oefnung naͤher liegenden Schichten ſchneller, als die entferntern. Daniel Bernoulli (Hydrodynam. Arg. 1738. 4.) hat die Geſetze des Drucks und der Bewegung ëlaſtiſcher fluͤßiger Materien aus dem Grundſatze der Erhaltung lebendiger Kraͤfte entwickelt, und daraus eine kurze Theorie der Zuſammendruͤckung der Luft, ihrer Bewegung in Gefaͤßen mit Oefnungen, und der Gewalt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0724" xml:id="P.1.710" n="710"/><lb/>
          </p>
          <p>Die Wa&#x0364;rme vermehrt die &#x017F;pecifi&#x017F;che Ela&#x017F;ticita&#x0364;t der ela&#x017F;ti&#x017F;chen Flu&#x0364;ßigkeiten. Erwa&#x0364;rmte Luft wird daher, wenn &#x017F;ie einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, und al&#x017F;o ihre Dichtigkeit nicht a&#x0364;ndern kan, <hi rendition="#b">ab&#x017F;olut ela&#x017F;ti&#x017F;cher,</hi> und dru&#x0364;ckt gegen das, was &#x017F;ie ein&#x017F;chließt, &#x017F;ta&#x0364;rker. I&#x017F;t &#x017F;ie aber frey, und nur von der vorigen Kraft gedru&#x0364;ckt, mit der &#x017F;ie ka&#x0364;lter das Gleichgewicht hielt, &#x017F;o u&#x0364;berwindet &#x017F;ie die&#x017F;e Kraft jetzt, und breitet &#x017F;ich &#x017F;o lange aus, bis ihre Dichtigkeit in eben dem Maaße geringer i&#x017F;t, in welchem ihre &#x017F;pecifi&#x017F;che Ela&#x017F;ticita&#x0364;t zugenommen hat. Daher wird die Luft durch die Wa&#x0364;rme <hi rendition="#b">verdu&#x0364;nnt.</hi></p>
          <p>Brennbare Luft i&#x017F;t &#x017F;pecifi&#x017F;ch ela&#x017F;ti&#x017F;cher, als die gemeine atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;che. Schließt man &#x017F;ie al&#x017F;o in eine undurchdringliche bieg&#x017F;ame Hu&#x0364;lle ein, &#x017F;o wird &#x017F;ie die&#x017F;e &#x017F;o lange ausdehnen, bis &#x017F;ie mit der von außen entgegendru&#x0364;ckenden atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;chen Luft einerley ab&#x017F;olute Ela&#x017F;ticita&#x0364;t hat. Dann aber i&#x017F;t ihre Dichtigkeit oder &#x017F;pecifi&#x017F;che Schwere in eben dem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e geringer, in welchem ihre &#x017F;pecifi&#x017F;che Ela&#x017F;ticita&#x0364;t gro&#x0364;ßer i&#x017F;t. Man erha&#x0364;lt dadurch ein Mittel, einen bieg&#x017F;amen Ko&#x0364;rper zu machen, der leichter, als ein eben &#x017F;o großes Luftvolumen, i&#x017F;t, ohne jedoch von der a&#x0364;ußern Luft zu&#x017F;ammengedru&#x0364;ckt zu werden, <hi rendition="#b">&#x017F;. Aero&#x017F;tat.</hi> Eben die&#x017F;e Bewandtniß hat es mit der erhitzten oder durch Feuer verdu&#x0364;nnten Luft, die daher ebenfalls zur Fu&#x0364;llung der aero&#x017F;tati&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen dient.</p>
          <p>Die Ge&#x017F;etze der Bewegung ela&#x017F;ti&#x017F;cher Flu&#x0364;ßigkeiten weichen von denen der unela&#x017F;ti&#x017F;chen vornehmlich in Ab&#x017F;icht auf die Ge&#x017F;chwindigkeit der ver&#x017F;chiedenen Schichten ab. Wenn z. B. ein unela&#x017F;ti&#x017F;ches Flu&#x0364;ßige in einer cylindri&#x017F;chen Ro&#x0364;hre la&#x0364;uft, &#x017F;o haben alle Quer&#x017F;chnitte eine gleiche Ge&#x017F;chwindigkeit; bey dem ela&#x017F;ti&#x017F;chen Flu&#x0364;ßigen hingegen bewegen &#x017F;ich, wenn die Ausbreitung nur nach der einen Seite ge&#x017F;chieht, die der Oefnung na&#x0364;her liegenden Schichten &#x017F;chneller, als die entferntern. <hi rendition="#b">Daniel Bernoulli</hi> <hi rendition="#aq">(Hydrodynam. Arg. 1738. 4.)</hi> hat die Ge&#x017F;etze des Drucks und der Bewegung ëla&#x017F;ti&#x017F;cher flu&#x0364;ßiger Materien aus dem Grund&#x017F;atze der Erhaltung lebendiger Kra&#x0364;fte entwickelt, und daraus eine kurze Theorie der Zu&#x017F;ammendru&#x0364;ckung der Luft, ihrer Bewegung in Gefa&#x0364;ßen mit Oefnungen, und der Gewalt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[710/0724] Die Waͤrme vermehrt die ſpecifiſche Elaſticitaͤt der elaſtiſchen Fluͤßigkeiten. Erwaͤrmte Luft wird daher, wenn ſie eingeſchloſſen iſt, und alſo ihre Dichtigkeit nicht aͤndern kan, abſolut elaſtiſcher, und druͤckt gegen das, was ſie einſchließt, ſtaͤrker. Iſt ſie aber frey, und nur von der vorigen Kraft gedruͤckt, mit der ſie kaͤlter das Gleichgewicht hielt, ſo uͤberwindet ſie dieſe Kraft jetzt, und breitet ſich ſo lange aus, bis ihre Dichtigkeit in eben dem Maaße geringer iſt, in welchem ihre ſpecifiſche Elaſticitaͤt zugenommen hat. Daher wird die Luft durch die Waͤrme verduͤnnt. Brennbare Luft iſt ſpecifiſch elaſtiſcher, als die gemeine atmoſphaͤriſche. Schließt man ſie alſo in eine undurchdringliche biegſame Huͤlle ein, ſo wird ſie dieſe ſo lange ausdehnen, bis ſie mit der von außen entgegendruͤckenden atmoſphaͤriſchen Luft einerley abſolute Elaſticitaͤt hat. Dann aber iſt ihre Dichtigkeit oder ſpecifiſche Schwere in eben dem Verhaͤltniſſe geringer, in welchem ihre ſpecifiſche Elaſticitaͤt groͤßer iſt. Man erhaͤlt dadurch ein Mittel, einen biegſamen Koͤrper zu machen, der leichter, als ein eben ſo großes Luftvolumen, iſt, ohne jedoch von der aͤußern Luft zuſammengedruͤckt zu werden, ſ. Aeroſtat. Eben dieſe Bewandtniß hat es mit der erhitzten oder durch Feuer verduͤnnten Luft, die daher ebenfalls zur Fuͤllung der aeroſtatiſchen Maſchinen dient. Die Geſetze der Bewegung elaſtiſcher Fluͤßigkeiten weichen von denen der unelaſtiſchen vornehmlich in Abſicht auf die Geſchwindigkeit der verſchiedenen Schichten ab. Wenn z. B. ein unelaſtiſches Fluͤßige in einer cylindriſchen Roͤhre laͤuft, ſo haben alle Querſchnitte eine gleiche Geſchwindigkeit; bey dem elaſtiſchen Fluͤßigen hingegen bewegen ſich, wenn die Ausbreitung nur nach der einen Seite geſchieht, die der Oefnung naͤher liegenden Schichten ſchneller, als die entferntern. Daniel Bernoulli (Hydrodynam. Arg. 1738. 4.) hat die Geſetze des Drucks und der Bewegung ëlaſtiſcher fluͤßiger Materien aus dem Grundſatze der Erhaltung lebendiger Kraͤfte entwickelt, und daraus eine kurze Theorie der Zuſammendruͤckung der Luft, ihrer Bewegung in Gefaͤßen mit Oefnungen, und der Gewalt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/724
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/724>, abgerufen am 27.05.2024.