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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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beym obern Durchgange des Monds stärker, als die beym untern, seyn. Hat der Mond eine südliche Abweichung, so findet das Gegentheil statt. In den Syzygien des Sommers erfolgt zu Mittag der obere Durchgang des Monds, wenn er nördlich steht, und der untere, wenn er südlich steht; in beyden Fällen ist also die Nachmittagsfluth stärker, als die Morgenfluth. Hieraus erklärt sich sehr leicht die oben angeführte Erscheinung, daß die Fluthen der Syzygien im Sommer des Abends stärker, als des Morgens, sind. Im Winter geschieht, wie man bald übersieht, das Gegentheil.

Kömmt man näher gegen die Pole, so findet man Orte, wo der Mond bey seinem untern Durchgange gerade 90° vom Zenith entfernt ist, wo also statt der einen Erhebung der Gewässer Erniedrigung statt findet, und binnen 24 Stunden nur einmal Ebbe und Fluth erfolgt. Ausführlichere Rechnungen zeigen alle diese Sätze, die hier nur im Allgemeinen angegeben werden können, bestimmter und überzeugender.

Weil die Wirkungen der Sonne und des Monds monatlich nur zweymal, nemlich in den Syzygien, zusammenkommen, so hängt außer diesen Zeitpunkten der Augenblick der hohen Fluth weder vom Monde allein, noch von der Sonne allein, sondern vielmehr von einem zwischen beyden Gestirnen liegenden Punkte ab. Wenn nun der Mond von einer Syzygie zur Quadratur übergeht, so fällt dieser Punkt mehr abendwärts, als der Mond, geht also früher durch den Mittagskreis, und die Fluth tritt etwas früher ein; geht der Mond hingegen von einer Quadratur zur Syzygie, so fällt der erwähnte Punkt vom Monde morgenwärts, geht später durch den Mittagskreis, und die Fluth tritt später ein.

Da alle Wirkungen bey der Ebbe und Fluth durch die Trägheit des Wassers und durch das Beharren in der ihm einmal mitgetheilten Bewegung verzögert werden, so erfolgen daher die höchsten Fluthen auch nicht im Zeitpunkte der Syzygien selbst, sondern erst zwo bis drey Fluthen darnach,


beym obern Durchgange des Monds ſtaͤrker, als die beym untern, ſeyn. Hat der Mond eine ſuͤdliche Abweichung, ſo findet das Gegentheil ſtatt. In den Syzygien des Sommers erfolgt zu Mittag der obere Durchgang des Monds, wenn er noͤrdlich ſteht, und der untere, wenn er ſuͤdlich ſteht; in beyden Faͤllen iſt alſo die Nachmittagsfluth ſtaͤrker, als die Morgenfluth. Hieraus erklaͤrt ſich ſehr leicht die oben angefuͤhrte Erſcheinung, daß die Fluthen der Syzygien im Sommer des Abends ſtaͤrker, als des Morgens, ſind. Im Winter geſchieht, wie man bald uͤberſieht, das Gegentheil.

Koͤmmt man naͤher gegen die Pole, ſo findet man Orte, wo der Mond bey ſeinem untern Durchgange gerade 90° vom Zenith entfernt iſt, wo alſo ſtatt der einen Erhebung der Gewaͤſſer Erniedrigung ſtatt findet, und binnen 24 Stunden nur einmal Ebbe und Fluth erfolgt. Ausfuͤhrlichere Rechnungen zeigen alle dieſe Saͤtze, die hier nur im Allgemeinen angegeben werden koͤnnen, beſtimmter und uͤberzeugender.

Weil die Wirkungen der Sonne und des Monds monatlich nur zweymal, nemlich in den Syzygien, zuſammenkommen, ſo haͤngt außer dieſen Zeitpunkten der Augenblick der hohen Fluth weder vom Monde allein, noch von der Sonne allein, ſondern vielmehr von einem zwiſchen beyden Geſtirnen liegenden Punkte ab. Wenn nun der Mond von einer Syzygie zur Quadratur uͤbergeht, ſo faͤllt dieſer Punkt mehr abendwaͤrts, als der Mond, geht alſo fruͤher durch den Mittagskreis, und die Fluth tritt etwas fruͤher ein; geht der Mond hingegen von einer Quadratur zur Syzygie, ſo faͤllt der erwaͤhnte Punkt vom Monde morgenwaͤrts, geht ſpaͤter durch den Mittagskreis, und die Fluth tritt ſpaͤter ein.

Da alle Wirkungen bey der Ebbe und Fluth durch die Traͤgheit des Waſſers und durch das Beharren in der ihm einmal mitgetheilten Bewegung verzoͤgert werden, ſo erfolgen daher die hoͤchſten Fluthen auch nicht im Zeitpunkte der Syzygien ſelbſt, ſondern erſt zwo bis drey Fluthen darnach,

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[657/0671] beym obern Durchgange des Monds ſtaͤrker, als die beym untern, ſeyn. Hat der Mond eine ſuͤdliche Abweichung, ſo findet das Gegentheil ſtatt. In den Syzygien des Sommers erfolgt zu Mittag der obere Durchgang des Monds, wenn er noͤrdlich ſteht, und der untere, wenn er ſuͤdlich ſteht; in beyden Faͤllen iſt alſo die Nachmittagsfluth ſtaͤrker, als die Morgenfluth. Hieraus erklaͤrt ſich ſehr leicht die oben angefuͤhrte Erſcheinung, daß die Fluthen der Syzygien im Sommer des Abends ſtaͤrker, als des Morgens, ſind. Im Winter geſchieht, wie man bald uͤberſieht, das Gegentheil. Koͤmmt man naͤher gegen die Pole, ſo findet man Orte, wo der Mond bey ſeinem untern Durchgange gerade 90° vom Zenith entfernt iſt, wo alſo ſtatt der einen Erhebung der Gewaͤſſer Erniedrigung ſtatt findet, und binnen 24 Stunden nur einmal Ebbe und Fluth erfolgt. Ausfuͤhrlichere Rechnungen zeigen alle dieſe Saͤtze, die hier nur im Allgemeinen angegeben werden koͤnnen, beſtimmter und uͤberzeugender. Weil die Wirkungen der Sonne und des Monds monatlich nur zweymal, nemlich in den Syzygien, zuſammenkommen, ſo haͤngt außer dieſen Zeitpunkten der Augenblick der hohen Fluth weder vom Monde allein, noch von der Sonne allein, ſondern vielmehr von einem zwiſchen beyden Geſtirnen liegenden Punkte ab. Wenn nun der Mond von einer Syzygie zur Quadratur uͤbergeht, ſo faͤllt dieſer Punkt mehr abendwaͤrts, als der Mond, geht alſo fruͤher durch den Mittagskreis, und die Fluth tritt etwas fruͤher ein; geht der Mond hingegen von einer Quadratur zur Syzygie, ſo faͤllt der erwaͤhnte Punkt vom Monde morgenwaͤrts, geht ſpaͤter durch den Mittagskreis, und die Fluth tritt ſpaͤter ein. Da alle Wirkungen bey der Ebbe und Fluth durch die Traͤgheit des Waſſers und durch das Beharren in der ihm einmal mitgetheilten Bewegung verzoͤgert werden, ſo erfolgen daher die hoͤchſten Fluthen auch nicht im Zeitpunkte der Syzygien ſelbſt, ſondern erſt zwo bis drey Fluthen darnach,

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 657. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/671>, abgerufen am 19.05.2024.