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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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den Begrif von Centralbewegung, wie man will, zerlegen, so findet man doch weiter nichts darinn, als: Geschwindigkeit nach der Tangente MT und Centripetalkraft nach C. Man fragt nun, was die Centrifugalkraft sey. Darauf antworten einige, z. B. Winkler (Anfangsgr. der Physik, Leipz. 1754. 8. §. 92.): "Die Kraft, womit "ein Körper nach einer Tangente getrieben wird, ist eine "vis centrifuga." Man glaubt also, es werde die Geschwindigkeit nach der Tangente selbst für Schwungkraft genommen. Aber diese ist eine bloße Wirkung der Trägheit, ein bloßes Beybehalten des vorigen Zustands, und kan nicht in dem Sinne, wie die Centrifugalkraft, Kraft genannt werden. Zudem geht ja die Richtung der Tangente oft sogar näher nach C zu, wie in der Figur bey M, wo der durch MT laufende Körper in T wirklich dem C näher seyn würde, als in M. Und wenn man auf die Sätze kömmt, welche von der Schwungkraft behauptet werden, so sieht man vollends mit Ueberzeugung ein, daß sie nicht von der Geschwindigkeit nach der Tangente gelten, daß also unter Schwungkraft etwas ganz anders verstanden werde.

Newton und Euler reden bey den Centralbewegungen immer nur von einer einzigen Kraft, nemlich der Centripetalkraft; Centrifugalkraft ist bey Newton etwas ganz anders hieher nicht gehöriges. Huygens, der Erfinder der Sätze von der Schwungkraft, Kästner, Karsten gedenkendieser Kraft nur bey der Kreisbewegung; inzwischen giebt es doch viele sehr gute Lehrer der Physik, Mechanik und Astronomie, z. B. Erxleben (Anfgr. der Naturl. §. 64. 659. 660.) und de la Lande, welche bey allen Centralbewegungen überhaupt, also auch bey dem elliptischen Laufe der Weltkörper, eine Centrifugalkraft betrachten. Ich werde also zuerst einen allgemeinen Begrif von Schwungkraft oder Centrifugalkraft, der sich auf alle diese Fälle anwenden läst, festzusetzen suchen, und dann zeigen, in wie fern man das so benannte eine Kraft nennen könne.


den Begrif von Centralbewegung, wie man will, zerlegen, ſo findet man doch weiter nichts darinn, als: Geſchwindigkeit nach der Tangente MT und Centripetalkraft nach C. Man fragt nun, was die Centrifugalkraft ſey. Darauf antworten einige, z. B. Winkler (Anfangsgr. der Phyſik, Leipz. 1754. 8. §. 92.): ”Die Kraft, womit ”ein Koͤrper nach einer Tangente getrieben wird, iſt eine ”vis centrifuga.“ Man glaubt alſo, es werde die Geſchwindigkeit nach der Tangente ſelbſt fuͤr Schwungkraft genommen. Aber dieſe iſt eine bloße Wirkung der Traͤgheit, ein bloßes Beybehalten des vorigen Zuſtands, und kan nicht in dem Sinne, wie die Centrifugalkraft, Kraft genannt werden. Zudem geht ja die Richtung der Tangente oft ſogar naͤher nach C zu, wie in der Figur bey M, wo der durch MT laufende Koͤrper in T wirklich dem C naͤher ſeyn wuͤrde, als in M. Und wenn man auf die Saͤtze koͤmmt, welche von der Schwungkraft behauptet werden, ſo ſieht man vollends mit Ueberzeugung ein, daß ſie nicht von der Geſchwindigkeit nach der Tangente gelten, daß alſo unter Schwungkraft etwas ganz anders verſtanden werde.

Newton und Euler reden bey den Centralbewegungen immer nur von einer einzigen Kraft, nemlich der Centripetalkraft; Centrifugalkraft iſt bey Newton etwas ganz anders hieher nicht gehoͤriges. Huygens, der Erfinder der Saͤtze von der Schwungkraft, Kaͤſtner, Karſten gedenkendieſer Kraft nur bey der Kreisbewegung; inzwiſchen giebt es doch viele ſehr gute Lehrer der Phyſik, Mechanik und Aſtronomie, z. B. Erxleben (Anfgr. der Naturl. §. 64. 659. 660.) und de la Lande, welche bey allen Centralbewegungen uͤberhaupt, alſo auch bey dem elliptiſchen Laufe der Weltkoͤrper, eine Centrifugalkraft betrachten. Ich werde alſo zuerſt einen allgemeinen Begrif von Schwungkraft oder Centrifugalkraft, der ſich auf alle dieſe Faͤlle anwenden laͤſt, feſtzuſetzen ſuchen, und dann zeigen, in wie fern man das ſo benannte eine Kraft nennen koͤnne.

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[488/0502] den Begrif von Centralbewegung, wie man will, zerlegen, ſo findet man doch weiter nichts darinn, als: Geſchwindigkeit nach der Tangente MT und Centripetalkraft nach C. Man fragt nun, was die Centrifugalkraft ſey. Darauf antworten einige, z. B. Winkler (Anfangsgr. der Phyſik, Leipz. 1754. 8. §. 92.): ”Die Kraft, womit ”ein Koͤrper nach einer Tangente getrieben wird, iſt eine ”vis centrifuga.“ Man glaubt alſo, es werde die Geſchwindigkeit nach der Tangente ſelbſt fuͤr Schwungkraft genommen. Aber dieſe iſt eine bloße Wirkung der Traͤgheit, ein bloßes Beybehalten des vorigen Zuſtands, und kan nicht in dem Sinne, wie die Centrifugalkraft, Kraft genannt werden. Zudem geht ja die Richtung der Tangente oft ſogar naͤher nach C zu, wie in der Figur bey M, wo der durch MT laufende Koͤrper in T wirklich dem C naͤher ſeyn wuͤrde, als in M. Und wenn man auf die Saͤtze koͤmmt, welche von der Schwungkraft behauptet werden, ſo ſieht man vollends mit Ueberzeugung ein, daß ſie nicht von der Geſchwindigkeit nach der Tangente gelten, daß alſo unter Schwungkraft etwas ganz anders verſtanden werde. Newton und Euler reden bey den Centralbewegungen immer nur von einer einzigen Kraft, nemlich der Centripetalkraft; Centrifugalkraft iſt bey Newton etwas ganz anders hieher nicht gehoͤriges. Huygens, der Erfinder der Saͤtze von der Schwungkraft, Kaͤſtner, Karſten gedenkendieſer Kraft nur bey der Kreisbewegung; inzwiſchen giebt es doch viele ſehr gute Lehrer der Phyſik, Mechanik und Aſtronomie, z. B. Erxleben (Anfgr. der Naturl. §. 64. 659. 660.) und de la Lande, welche bey allen Centralbewegungen uͤberhaupt, alſo auch bey dem elliptiſchen Laufe der Weltkoͤrper, eine Centrifugalkraft betrachten. Ich werde alſo zuerſt einen allgemeinen Begrif von Schwungkraft oder Centrifugalkraft, der ſich auf alle dieſe Faͤlle anwenden laͤſt, feſtzuſetzen ſuchen, und dann zeigen, in wie fern man das ſo benannte eine Kraft nennen koͤnne.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/502>, abgerufen am 22.11.2024.