Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Nimmt man diese Erschütterung des Gehirns für die Ursache des Todes der vom Blitz Erschlägnen an, so erklärt sich, warum Stehende oder Sitzende leichter, als Liegende, auch Menschen im freyen Felde eher, als in den Häusern, getödtet werden, weil der Stral leichter den Kopf trift. Eine andere Ursache könnte der Druck auf den Hals und die eben vollgeathmeten Lungen seyn; doch sind dergleichen Erstickungen durch den Blitz selten. Manche sterben auch nachher durch die Heftigkeit der zugefügten äußern Brandschäden. Ueberhaupt aber bleiben viele und vielleicht die meisten der getroffenen Personen am Leben.

Trift der Blitz in seiner Bahn auf nicht-leitende oder schlecht leitende Körper, so durchbricht er dieselben mit Gewalt und Zersprengung, und geht von ihnen oder durch sie auf dem kürzesten möglichen Wege zu bessern Leitern über. Solche dem Blitze widerstehende Körper sind leinene, wollene, lederne, seidne Kleider, trockne hänfene Stricke, seidne Schnüre, trocknes Holz, Steine, Ziegel, Glas, und überhaupt alle ursprünglich elektrische Körper. Auch unentzündete brennbare Körper locken wenigstens den Blitz nicht; sogar Schießpulver, über das er hinfährt, bleibt oft unentzündet. Die Luft, wenn sie nicht erhitzt oder feucht ist, widersteht dem Blitze stark, und er fährt lieber mit großen Umwegen durch eine Menge fester Körper, als daß er einen allzuweiten Sprung durch die Luft machen sollte. Er geht daher nie durch Fenster oder Thüren, wenn ihn nicht das daselbst befindliche Metall anlockt, oder er in dem Pfosten herabfährt; daher es auch eine irrige Meinung ist, wenn manche die Zugluft für eine Anlockung des Blitzes halten, oder bey Gewittern die Fenster zu öfnen fürchten, und durch eingesperrte Luft ihre oft aus körperlichen Ursachen entspringende Bangigkeit ohne Noth vermehren. Die Erschütterung der Luft durch das Läuten der Glocken scheint für den Blitz gleichgültig zu seyn. Uebrigens erklärt sich aus der Schwierigkeit, mit welcher er die Luft durchdringt, wie bisweilen eines errichteten Blitzableiters ungeachtet eine dem Blitze näher stehende Ecke des Gebäudes getroffen werden könne. Doch springt


Nimmt man dieſe Erſchuͤtterung des Gehirns fuͤr die Urſache des Todes der vom Blitz Erſchlaͤgnen an, ſo erklaͤrt ſich, warum Stehende oder Sitzende leichter, als Liegende, auch Menſchen im freyen Felde eher, als in den Haͤuſern, getoͤdtet werden, weil der Stral leichter den Kopf trift. Eine andere Urſache koͤnnte der Druck auf den Hals und die eben vollgeathmeten Lungen ſeyn; doch ſind dergleichen Erſtickungen durch den Blitz ſelten. Manche ſterben auch nachher durch die Heftigkeit der zugefuͤgten aͤußern Brandſchaͤden. Ueberhaupt aber bleiben viele und vielleicht die meiſten der getroffenen Perſonen am Leben.

Trift der Blitz in ſeiner Bahn auf nicht-leitende oder ſchlecht leitende Koͤrper, ſo durchbricht er dieſelben mit Gewalt und Zerſprengung, und geht von ihnen oder durch ſie auf dem kuͤrzeſten moͤglichen Wege zu beſſern Leitern uͤber. Solche dem Blitze widerſtehende Koͤrper ſind leinene, wollene, lederne, ſeidne Kleider, trockne haͤnfene Stricke, ſeidne Schnuͤre, trocknes Holz, Steine, Ziegel, Glas, und uͤberhaupt alle urſpruͤnglich elektriſche Koͤrper. Auch unentzuͤndete brennbare Koͤrper locken wenigſtens den Blitz nicht; ſogar Schießpulver, uͤber das er hinfaͤhrt, bleibt oft unentzuͤndet. Die Luft, wenn ſie nicht erhitzt oder feucht iſt, widerſteht dem Blitze ſtark, und er faͤhrt lieber mit großen Umwegen durch eine Menge feſter Koͤrper, als daß er einen allzuweiten Sprung durch die Luft machen ſollte. Er geht daher nie durch Fenſter oder Thuͤren, wenn ihn nicht das daſelbſt befindliche Metall anlockt, oder er in dem Pfoſten herabfaͤhrt; daher es auch eine irrige Meinung iſt, wenn manche die Zugluft fuͤr eine Anlockung des Blitzes halten, oder bey Gewittern die Fenſter zu oͤfnen fuͤrchten, und durch eingeſperrte Luft ihre oft aus koͤrperlichen Urſachen entſpringende Bangigkeit ohne Noth vermehren. Die Erſchuͤtterung der Luft durch das Laͤuten der Glocken ſcheint fuͤr den Blitz gleichguͤltig zu ſeyn. Uebrigens erklaͤrt ſich aus der Schwierigkeit, mit welcher er die Luft durchdringt, wie bisweilen eines errichteten Blitzableiters ungeachtet eine dem Blitze naͤher ſtehende Ecke des Gebaͤudes getroffen werden koͤnne. Doch ſpringt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0396" xml:id="P.1.382" n="382"/><lb/>
Nimmt man die&#x017F;e Er&#x017F;chu&#x0364;tterung des Gehirns fu&#x0364;r die Ur&#x017F;ache des Todes der vom Blitz Er&#x017F;chla&#x0364;gnen an, &#x017F;o erkla&#x0364;rt &#x017F;ich, warum Stehende oder Sitzende leichter, als Liegende, auch Men&#x017F;chen im freyen Felde eher, als in den Ha&#x0364;u&#x017F;ern, geto&#x0364;dtet werden, weil der Stral leichter den Kopf trift. Eine andere Ur&#x017F;ache ko&#x0364;nnte der Druck auf den Hals und die eben vollgeathmeten Lungen &#x017F;eyn; doch &#x017F;ind dergleichen Er&#x017F;tickungen durch den Blitz &#x017F;elten. Manche &#x017F;terben auch nachher durch die Heftigkeit der zugefu&#x0364;gten a&#x0364;ußern Brand&#x017F;cha&#x0364;den. Ueberhaupt aber bleiben viele und vielleicht die mei&#x017F;ten der getroffenen Per&#x017F;onen am Leben.</p>
          <p>Trift der Blitz in &#x017F;einer Bahn auf <hi rendition="#b">nicht-</hi>leitende oder &#x017F;chlecht leitende Ko&#x0364;rper, &#x017F;o durchbricht er die&#x017F;elben mit Gewalt und Zer&#x017F;prengung, und geht von ihnen oder durch &#x017F;ie auf dem ku&#x0364;rze&#x017F;ten mo&#x0364;glichen Wege zu be&#x017F;&#x017F;ern Leitern u&#x0364;ber. Solche dem Blitze wider&#x017F;tehende Ko&#x0364;rper &#x017F;ind leinene, wollene, lederne, &#x017F;eidne Kleider, trockne ha&#x0364;nfene Stricke, &#x017F;eidne Schnu&#x0364;re, trocknes Holz, Steine, Ziegel, Glas, und u&#x0364;berhaupt alle ur&#x017F;pru&#x0364;nglich elektri&#x017F;che Ko&#x0364;rper. Auch unentzu&#x0364;ndete brennbare Ko&#x0364;rper locken wenig&#x017F;tens den Blitz nicht; &#x017F;ogar Schießpulver, u&#x0364;ber das er hinfa&#x0364;hrt, bleibt oft unentzu&#x0364;ndet. Die <hi rendition="#b">Luft,</hi> wenn &#x017F;ie nicht erhitzt oder feucht i&#x017F;t, wider&#x017F;teht dem Blitze &#x017F;tark, und er fa&#x0364;hrt lieber mit großen Umwegen durch eine Menge fe&#x017F;ter Ko&#x0364;rper, als daß er einen allzuweiten Sprung durch die Luft machen &#x017F;ollte. Er geht daher nie durch Fen&#x017F;ter oder Thu&#x0364;ren, wenn ihn nicht das da&#x017F;elb&#x017F;t befindliche Metall anlockt, oder er in dem Pfo&#x017F;ten herabfa&#x0364;hrt; daher es auch eine irrige Meinung i&#x017F;t, wenn manche die <hi rendition="#b">Zugluft</hi> fu&#x0364;r eine Anlockung des Blitzes halten, oder bey Gewittern die Fen&#x017F;ter zu o&#x0364;fnen fu&#x0364;rchten, und durch einge&#x017F;perrte Luft ihre oft aus ko&#x0364;rperlichen Ur&#x017F;achen ent&#x017F;pringende Bangigkeit ohne Noth vermehren. Die Er&#x017F;chu&#x0364;tterung der Luft durch das La&#x0364;uten der Glocken &#x017F;cheint fu&#x0364;r den Blitz gleichgu&#x0364;ltig zu &#x017F;eyn. Uebrigens erkla&#x0364;rt &#x017F;ich aus der Schwierigkeit, mit welcher er die Luft durchdringt, wie bisweilen eines errichteten Blitzableiters ungeachtet eine dem Blitze na&#x0364;her &#x017F;tehende Ecke des Geba&#x0364;udes getroffen werden ko&#x0364;nne. Doch &#x017F;pringt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0396] Nimmt man dieſe Erſchuͤtterung des Gehirns fuͤr die Urſache des Todes der vom Blitz Erſchlaͤgnen an, ſo erklaͤrt ſich, warum Stehende oder Sitzende leichter, als Liegende, auch Menſchen im freyen Felde eher, als in den Haͤuſern, getoͤdtet werden, weil der Stral leichter den Kopf trift. Eine andere Urſache koͤnnte der Druck auf den Hals und die eben vollgeathmeten Lungen ſeyn; doch ſind dergleichen Erſtickungen durch den Blitz ſelten. Manche ſterben auch nachher durch die Heftigkeit der zugefuͤgten aͤußern Brandſchaͤden. Ueberhaupt aber bleiben viele und vielleicht die meiſten der getroffenen Perſonen am Leben. Trift der Blitz in ſeiner Bahn auf nicht-leitende oder ſchlecht leitende Koͤrper, ſo durchbricht er dieſelben mit Gewalt und Zerſprengung, und geht von ihnen oder durch ſie auf dem kuͤrzeſten moͤglichen Wege zu beſſern Leitern uͤber. Solche dem Blitze widerſtehende Koͤrper ſind leinene, wollene, lederne, ſeidne Kleider, trockne haͤnfene Stricke, ſeidne Schnuͤre, trocknes Holz, Steine, Ziegel, Glas, und uͤberhaupt alle urſpruͤnglich elektriſche Koͤrper. Auch unentzuͤndete brennbare Koͤrper locken wenigſtens den Blitz nicht; ſogar Schießpulver, uͤber das er hinfaͤhrt, bleibt oft unentzuͤndet. Die Luft, wenn ſie nicht erhitzt oder feucht iſt, widerſteht dem Blitze ſtark, und er faͤhrt lieber mit großen Umwegen durch eine Menge feſter Koͤrper, als daß er einen allzuweiten Sprung durch die Luft machen ſollte. Er geht daher nie durch Fenſter oder Thuͤren, wenn ihn nicht das daſelbſt befindliche Metall anlockt, oder er in dem Pfoſten herabfaͤhrt; daher es auch eine irrige Meinung iſt, wenn manche die Zugluft fuͤr eine Anlockung des Blitzes halten, oder bey Gewittern die Fenſter zu oͤfnen fuͤrchten, und durch eingeſperrte Luft ihre oft aus koͤrperlichen Urſachen entſpringende Bangigkeit ohne Noth vermehren. Die Erſchuͤtterung der Luft durch das Laͤuten der Glocken ſcheint fuͤr den Blitz gleichguͤltig zu ſeyn. Uebrigens erklaͤrt ſich aus der Schwierigkeit, mit welcher er die Luft durchdringt, wie bisweilen eines errichteten Blitzableiters ungeachtet eine dem Blitze naͤher ſtehende Ecke des Gebaͤudes getroffen werden koͤnne. Doch ſpringt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/396
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/396>, abgerufen am 25.11.2024.