Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Wegen
(motus non liber), wo die Kräfte nicht den Weg bestimmen, sondern nur die Geschwindigkeit ändern können. Zu den freyen krummlinigten Bewegungen gehören die Bewegung geworfner Körper (motus projectorum s. projectilium), s. Wurf, und die Bewegungen durch Centralkräfte, wie die der Himmelskörper, s. Centralbewegung. Unter den auf vorgeschriebenen Wegen sind die merkwürdigsten das Schwingen der Penduln oder die Schwungbewegung, s. Pendul, der Fall im Kreise, s. Fall der Körper, und der tavtochronische Fall durch die Cycloide, s. Tavtochronische Linie.

Die Betrachtung der krummlinigten Bewegungen macht einen wichtigen Theil der höhern Mechanik aus. Ihre Gründe beruhen auf dem Gesetze der zusammengesetzten Bewegung, mit dem Satze ds=vdt, und dem unter dem Worte: Kraft, beschleunigende, angeführten (dv=2gfdt) verbunden. Noch im Fortgange dieses Artikels werden bey dem Worte: Zusammengesetzte Bewegung, einige hiezu gehörige Formeln vorkommen.

Relative Bewegung, Motus relativus, Mouvement relatif. Veräuderung des relativen Orts oder der Lage gegen einen oder mehrere andere Körper. Diese andern Körper werden dabey gleichsam zum festen Standpunkte angenommen, oder es wird gesetzt, daß sie ruhen. Diese Voraussetzung kan und wird sehr oft falsch seyn. Daher ist die relative Bewegung mehrentheils eine ganz andere, als die absolute. Gemeinschaftlich bewegte Körper ändern ihre Lage gegen einander nicht, sind also in relativer Ruhe, und doch in absoluter Bewegung. Wer auf einem Kahn die Ufer gegen sich kommen sieht, dem sind die darauf stehenden Bäume in relativer Bewegung, weil er ihre Lage auf sich bezieht; dem, der am Ufer steht, sind sie in relativer Ruhe. [Abbildung] Geht ein Körper von A nach C, indem ein anderer von A nach B geht, so sind ihre absoluten Bewegungen durch die


Wegen
(motus non liber), wo die Kraͤfte nicht den Weg beſtimmen, ſondern nur die Geſchwindigkeit aͤndern koͤnnen. Zu den freyen krummlinigten Bewegungen gehoͤren die Bewegung geworfner Koͤrper (motus projectorum ſ. projectilium), ſ. Wurf, und die Bewegungen durch Centralkraͤfte, wie die der Himmelskoͤrper, ſ. Centralbewegung. Unter den auf vorgeſchriebenen Wegen ſind die merkwuͤrdigſten das Schwingen der Penduln oder die Schwungbewegung, ſ. Pendul, der Fall im Kreiſe, ſ. Fall der Koͤrper, und der tavtochroniſche Fall durch die Cycloide, ſ. Tavtochroniſche Linie.

Die Betrachtung der krummlinigten Bewegungen macht einen wichtigen Theil der hoͤhern Mechanik aus. Ihre Gruͤnde beruhen auf dem Geſetze der zuſammengeſetzten Bewegung, mit dem Satze ds=vdt, und dem unter dem Worte: Kraft, beſchleunigende, angefuͤhrten (dv=2gfdt) verbunden. Noch im Fortgange dieſes Artikels werden bey dem Worte: Zuſammengeſetzte Bewegung, einige hiezu gehoͤrige Formeln vorkommen.

Relative Bewegung, Motus relativus, Mouvement relatif. Veraͤuderung des relativen Orts oder der Lage gegen einen oder mehrere andere Koͤrper. Dieſe andern Koͤrper werden dabey gleichſam zum feſten Standpunkte angenommen, oder es wird geſetzt, daß ſie ruhen. Dieſe Vorausſetzung kan und wird ſehr oft falſch ſeyn. Daher iſt die relative Bewegung mehrentheils eine ganz andere, als die abſolute. Gemeinſchaftlich bewegte Koͤrper aͤndern ihre Lage gegen einander nicht, ſind alſo in relativer Ruhe, und doch in abſoluter Bewegung. Wer auf einem Kahn die Ufer gegen ſich kommen ſieht, dem ſind die darauf ſtehenden Baͤume in relativer Bewegung, weil er ihre Lage auf ſich bezieht; dem, der am Ufer ſteht, ſind ſie in relativer Ruhe. [Abbildung] Geht ein Koͤrper von A nach C, indem ein anderer von A nach B geht, ſo ſind ihre abſoluten Bewegungen durch die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0355" xml:id="P.1.341" n="341"/><lb/>
Wegen</hi><hi rendition="#aq">(motus non liber),</hi> wo die Kra&#x0364;fte nicht den Weg be&#x017F;timmen, &#x017F;ondern nur die Ge&#x017F;chwindigkeit a&#x0364;ndern ko&#x0364;nnen. Zu den freyen krummlinigten Bewegungen geho&#x0364;ren die Bewegung geworfner Ko&#x0364;rper <hi rendition="#aq">(motus projectorum &#x017F;. projectilium),</hi> <hi rendition="#b">&#x017F;. Wurf,</hi> und die Bewegungen durch Centralkra&#x0364;fte, wie die der Himmelsko&#x0364;rper, <hi rendition="#b">&#x017F;. Centralbewegung.</hi> Unter den auf vorge&#x017F;chriebenen Wegen &#x017F;ind die merkwu&#x0364;rdig&#x017F;ten das Schwingen der Penduln oder die Schwungbewegung, <hi rendition="#b">&#x017F;. Pendul,</hi> der Fall im Krei&#x017F;e, <hi rendition="#b">&#x017F;. Fall der Ko&#x0364;rper,</hi> und der tavtochroni&#x017F;che Fall durch die Cycloide, <hi rendition="#b">&#x017F;. Tavtochroni&#x017F;che Linie.</hi></p>
          <p>Die Betrachtung der krummlinigten Bewegungen macht einen wichtigen Theil der ho&#x0364;hern Mechanik aus. Ihre Gru&#x0364;nde beruhen auf dem Ge&#x017F;etze der zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Bewegung, mit dem Satze <hi rendition="#aq">ds=vdt,</hi> und dem unter dem Worte: <hi rendition="#b">Kraft, be&#x017F;chleunigende,</hi> angefu&#x0364;hrten <hi rendition="#aq">(dv=2gfdt)</hi> verbunden. Noch im Fortgange die&#x017F;es Artikels werden bey dem Worte: <hi rendition="#b">Zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte Bewegung,</hi> einige hiezu geho&#x0364;rige Formeln vorkommen.</p>
          <p><hi rendition="#b">Relative Bewegung,</hi><hi rendition="#aq">Motus relativus, <hi rendition="#i">Mouvement relatif.</hi></hi> Vera&#x0364;uderung des relativen Orts oder der Lage gegen einen oder mehrere andere Ko&#x0364;rper. Die&#x017F;e andern Ko&#x0364;rper werden dabey gleich&#x017F;am zum fe&#x017F;ten Standpunkte angenommen, oder es wird ge&#x017F;etzt, daß &#x017F;ie ruhen. Die&#x017F;e Voraus&#x017F;etzung kan und wird &#x017F;ehr oft fal&#x017F;ch &#x017F;eyn. Daher i&#x017F;t die relative Bewegung mehrentheils eine ganz andere, als die ab&#x017F;olute. Gemein&#x017F;chaftlich bewegte Ko&#x0364;rper a&#x0364;ndern ihre Lage gegen einander nicht, &#x017F;ind al&#x017F;o in relativer Ruhe, und doch in ab&#x017F;oluter Bewegung. Wer auf einem Kahn die Ufer gegen &#x017F;ich kommen &#x017F;ieht, dem &#x017F;ind die darauf &#x017F;tehenden Ba&#x0364;ume in relativer Bewegung, weil er ihre Lage auf &#x017F;ich bezieht; dem, der am Ufer &#x017F;teht, &#x017F;ind &#x017F;ie in relativer Ruhe. <figure/> Geht ein Ko&#x0364;rper von <hi rendition="#aq">A</hi> nach <hi rendition="#aq">C,</hi> indem ein anderer von <hi rendition="#aq">A</hi> nach <hi rendition="#aq">B</hi> geht, &#x017F;o &#x017F;ind ihre ab&#x017F;oluten Bewegungen durch die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[341/0355] Wegen (motus non liber), wo die Kraͤfte nicht den Weg beſtimmen, ſondern nur die Geſchwindigkeit aͤndern koͤnnen. Zu den freyen krummlinigten Bewegungen gehoͤren die Bewegung geworfner Koͤrper (motus projectorum ſ. projectilium), ſ. Wurf, und die Bewegungen durch Centralkraͤfte, wie die der Himmelskoͤrper, ſ. Centralbewegung. Unter den auf vorgeſchriebenen Wegen ſind die merkwuͤrdigſten das Schwingen der Penduln oder die Schwungbewegung, ſ. Pendul, der Fall im Kreiſe, ſ. Fall der Koͤrper, und der tavtochroniſche Fall durch die Cycloide, ſ. Tavtochroniſche Linie. Die Betrachtung der krummlinigten Bewegungen macht einen wichtigen Theil der hoͤhern Mechanik aus. Ihre Gruͤnde beruhen auf dem Geſetze der zuſammengeſetzten Bewegung, mit dem Satze ds=vdt, und dem unter dem Worte: Kraft, beſchleunigende, angefuͤhrten (dv=2gfdt) verbunden. Noch im Fortgange dieſes Artikels werden bey dem Worte: Zuſammengeſetzte Bewegung, einige hiezu gehoͤrige Formeln vorkommen. Relative Bewegung, Motus relativus, Mouvement relatif. Veraͤuderung des relativen Orts oder der Lage gegen einen oder mehrere andere Koͤrper. Dieſe andern Koͤrper werden dabey gleichſam zum feſten Standpunkte angenommen, oder es wird geſetzt, daß ſie ruhen. Dieſe Vorausſetzung kan und wird ſehr oft falſch ſeyn. Daher iſt die relative Bewegung mehrentheils eine ganz andere, als die abſolute. Gemeinſchaftlich bewegte Koͤrper aͤndern ihre Lage gegen einander nicht, ſind alſo in relativer Ruhe, und doch in abſoluter Bewegung. Wer auf einem Kahn die Ufer gegen ſich kommen ſieht, dem ſind die darauf ſtehenden Baͤume in relativer Bewegung, weil er ihre Lage auf ſich bezieht; dem, der am Ufer ſteht, ſind ſie in relativer Ruhe. [Abbildung] Geht ein Koͤrper von A nach C, indem ein anderer von A nach B geht, ſo ſind ihre abſoluten Bewegungen durch die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/355
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/355>, abgerufen am 06.09.2024.