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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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Bewegen sich nicht alle Punkte an einem Körper auf gleiche Weise, so muß eines jeden Bewegung und Richtung besonders betrachtet werden. Daher läßt sich jede Bewegung als Bewegung eines Punkts betrachten.

4) Die Länge des durch eine Bewegung zurückgelegten Wegs heißt der Raum. Da immer nur Bewegung von Punkten betrachtet wird, so ist dieser Raum stets eine gerade oder krumme Linie. Hiedurch wird die Betrachtung der Bewegungen geometrisch, und es lassen sich auf dieselbe die erhabensten Lehren der Meßkunst anwenden. Der Raum soll in den Formeln von der Bewegung durch die Buchstaben S und s angezeigt, und angenommen werden, daß man seine Länge in Tausendtheilen eines rheinl. Schuhes ausdrücke.

5) Jede Bewegung, auch durch den kleinsten Raum, erfordert Zeit. Wenn die Punkte A und B aus einander liegen, so kan der Körper, der sich von A nach B bewegt, nicht in A und B zugleich seyn: der Augenblick, da er in A ist, ist von dem, da er in B ist, unterschieden. Während des Zeitraums zwischen beyden Augenblicken geht der Körper von A in B über. Diese Schlüsse gelten, so klein auch die Entfernung des A von B sey; oder auch die kleinste Bewegung erfordert Zeit. Diese Zeit wird im Folgenden durch die Buchstaben T, t, bezeichnet, und in Secunden ausgedrückt angenommen.

6) Aus der Vergleichung der Räume und Zeiten entsteht der Begrif von Geschwindigkeit (celeritas, velocitas, vitesse). Eine Bewegung heißt geschwinder, als eine andere, wenn bey ihr in ebenderselben Zeit ein längerer Raum, oder ebenderselbe Raum in einer kürzern Zeit zurückgelegt wird. Doppelt so geschwind nennt man eine Bewegung, wenn bey ihr in eben der Zeit ein doppelter Raum, oder ebenderselbe Raum in der Helfte der Zeit durchlaufen wird. Daher ist Geschwindigkeit ein relativer Begrif, d. h. man kan nicht sagen, wie geschwind eine Bewegung, sondern nur, wie vielmal sie geschwinder, oder weniger geschwind, als eine andere, sey. Nimmt man inzwischen eine bekannte Geschwindigkeit zur Einheit an,


Bewegen ſich nicht alle Punkte an einem Koͤrper auf gleiche Weiſe, ſo muß eines jeden Bewegung und Richtung beſonders betrachtet werden. Daher laͤßt ſich jede Bewegung als Bewegung eines Punkts betrachten.

4) Die Laͤnge des durch eine Bewegung zuruͤckgelegten Wegs heißt der Raum. Da immer nur Bewegung von Punkten betrachtet wird, ſo iſt dieſer Raum ſtets eine gerade oder krumme Linie. Hiedurch wird die Betrachtung der Bewegungen geometriſch, und es laſſen ſich auf dieſelbe die erhabenſten Lehren der Meßkunſt anwenden. Der Raum ſoll in den Formeln von der Bewegung durch die Buchſtaben S und s angezeigt, und angenommen werden, daß man ſeine Laͤnge in Tauſendtheilen eines rheinl. Schuhes ausdruͤcke.

5) Jede Bewegung, auch durch den kleinſten Raum, erfordert Zeit. Wenn die Punkte A und B aus einander liegen, ſo kan der Koͤrper, der ſich von A nach B bewegt, nicht in A und B zugleich ſeyn: der Augenblick, da er in A iſt, iſt von dem, da er in B iſt, unterſchieden. Waͤhrend des Zeitraums zwiſchen beyden Augenblicken geht der Koͤrper von A in B uͤber. Dieſe Schluͤſſe gelten, ſo klein auch die Entfernung des A von B ſey; oder auch die kleinſte Bewegung erfordert Zeit. Dieſe Zeit wird im Folgenden durch die Buchſtaben T, t, bezeichnet, und in Secunden ausgedruͤckt angenommen.

6) Aus der Vergleichung der Raͤume und Zeiten entſteht der Begrif von Geſchwindigkeit (celeritas, velocitas, viteſſe). Eine Bewegung heißt geſchwinder, als eine andere, wenn bey ihr in ebenderſelben Zeit ein laͤngerer Raum, oder ebenderſelbe Raum in einer kuͤrzern Zeit zuruͤckgelegt wird. Doppelt ſo geſchwind nennt man eine Bewegung, wenn bey ihr in eben der Zeit ein doppelter Raum, oder ebenderſelbe Raum in der Helfte der Zeit durchlaufen wird. Daher iſt Geſchwindigkeit ein relativer Begrif, d. h. man kan nicht ſagen, wie geſchwind eine Bewegung, ſondern nur, wie vielmal ſie geſchwinder, oder weniger geſchwind, als eine andere, ſey. Nimmt man inzwiſchen eine bekannte Geſchwindigkeit zur Einheit an,

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[327/0341] Bewegen ſich nicht alle Punkte an einem Koͤrper auf gleiche Weiſe, ſo muß eines jeden Bewegung und Richtung beſonders betrachtet werden. Daher laͤßt ſich jede Bewegung als Bewegung eines Punkts betrachten. 4) Die Laͤnge des durch eine Bewegung zuruͤckgelegten Wegs heißt der Raum. Da immer nur Bewegung von Punkten betrachtet wird, ſo iſt dieſer Raum ſtets eine gerade oder krumme Linie. Hiedurch wird die Betrachtung der Bewegungen geometriſch, und es laſſen ſich auf dieſelbe die erhabenſten Lehren der Meßkunſt anwenden. Der Raum ſoll in den Formeln von der Bewegung durch die Buchſtaben S und s angezeigt, und angenommen werden, daß man ſeine Laͤnge in Tauſendtheilen eines rheinl. Schuhes ausdruͤcke. 5) Jede Bewegung, auch durch den kleinſten Raum, erfordert Zeit. Wenn die Punkte A und B aus einander liegen, ſo kan der Koͤrper, der ſich von A nach B bewegt, nicht in A und B zugleich ſeyn: der Augenblick, da er in A iſt, iſt von dem, da er in B iſt, unterſchieden. Waͤhrend des Zeitraums zwiſchen beyden Augenblicken geht der Koͤrper von A in B uͤber. Dieſe Schluͤſſe gelten, ſo klein auch die Entfernung des A von B ſey; oder auch die kleinſte Bewegung erfordert Zeit. Dieſe Zeit wird im Folgenden durch die Buchſtaben T, t, bezeichnet, und in Secunden ausgedruͤckt angenommen. 6) Aus der Vergleichung der Raͤume und Zeiten entſteht der Begrif von Geſchwindigkeit (celeritas, velocitas, viteſſe). Eine Bewegung heißt geſchwinder, als eine andere, wenn bey ihr in ebenderſelben Zeit ein laͤngerer Raum, oder ebenderſelbe Raum in einer kuͤrzern Zeit zuruͤckgelegt wird. Doppelt ſo geſchwind nennt man eine Bewegung, wenn bey ihr in eben der Zeit ein doppelter Raum, oder ebenderſelbe Raum in der Helfte der Zeit durchlaufen wird. Daher iſt Geſchwindigkeit ein relativer Begrif, d. h. man kan nicht ſagen, wie geſchwind eine Bewegung, ſondern nur, wie vielmal ſie geſchwinder, oder weniger geſchwind, als eine andere, ſey. Nimmt man inzwiſchen eine bekannte Geſchwindigkeit zur Einheit an,

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/341>, abgerufen am 17.05.2024.