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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798.

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wahren Erklärung der Phänomene des Saugens übrig blieb. So viel Gewalt hatte das verjährte Vorurtheil über einen der scharfsinnigsten Köpfe.

Evangelista Torricelli, des Galilei Schüler und Nachfolger im Lehramte zu Florenz, betrieb die Sache mit besserm Erfolg. Er kam auf den glücklichen Gedanken, daß eben die Ursache, welche das Wasser nur 32 Schuh hoch treibe und halte, das 14mal schwerere Quecksilber nur (32/14) Schuh, d. i. 27 1/2 Zoll hoch treiben und halten werde. Diese geringere Höhe verschafte den Versuchen mehr Bequemlichkeit. Torricelli schmolz nun eine Glasröhre von einigen Schuhen Länge an einem Ende zu, füllte sie durch das andere mit Quecksilber, verschloß die Oefnung mit dem Finger, und brachte sie in umgekehrter Stellung mit der zugehaltenen Oefnung in ein mit Quecksilber angefülltes Gefäß. Wenn er dann den Finger wegnahm, und das Quecksilber auslaufen ließ, so fand er seine Erwartung bestätigt. Nur der obere Theil der Röhre ward leer, und es blieb eine 27 1/2 Zoll hohe Quecksilbersäule in der Röhre stehen. Taf. III. Fig. 38. giebt hievon eine Abbildung. AB ist die Glasröhre, A ihr zugeschmolzenes, B ihr ofnes Ende. Sie steht im Gefäße CDEF, das bis GH mit Quecksilber gefüllt ist. Sobald der bey B vorgehaltene Finger weggenommen ward, leerte sich die vorher ganz angefüllte Röhre nur von A bis I aus. Die senkrechte Höhe von I über der Fläche des Quecksilbers im Gefäße GH betrug 27--28 Zoll.

Torricelli meldete den Erfolg dieses Versuchs im Jahre 1644 an den P. Mersenne in Nevers, durch dessen ausgebreiteten Briefwechsel damals fast alle Naturforscher und Mathematiker der europäischen Länder in Verbindung standen. Durch diesen erfuhr ihn der berühmte Pascal, und schrieb darüber im 23sten Jahre seines Alters eine Abhandlung (Experiences nouvelles touchans le vuide, Paris 1645.), durch die er zuerst von dieser Seite berühmt ward. Doch nimmt auch er hier noch den Abscheu vor der Leere an.


wahren Erklaͤrung der Phaͤnomene des Saugens uͤbrig blieb. So viel Gewalt hatte das verjaͤhrte Vorurtheil uͤber einen der ſcharfſinnigſten Koͤpfe.

Evangeliſta Torricelli, des Galilei Schuͤler und Nachfolger im Lehramte zu Florenz, betrieb die Sache mit beſſerm Erfolg. Er kam auf den gluͤcklichen Gedanken, daß eben die Urſache, welche das Waſſer nur 32 Schuh hoch treibe und halte, das 14mal ſchwerere Queckſilber nur (32/14) Schuh, d. i. 27 1/2 Zoll hoch treiben und halten werde. Dieſe geringere Hoͤhe verſchafte den Verſuchen mehr Bequemlichkeit. Torricelli ſchmolz nun eine Glasroͤhre von einigen Schuhen Laͤnge an einem Ende zu, fuͤllte ſie durch das andere mit Queckſilber, verſchloß die Oefnung mit dem Finger, und brachte ſie in umgekehrter Stellung mit der zugehaltenen Oefnung in ein mit Queckſilber angefuͤlltes Gefaͤß. Wenn er dann den Finger wegnahm, und das Queckſilber auslaufen ließ, ſo fand er ſeine Erwartung beſtaͤtigt. Nur der obere Theil der Roͤhre ward leer, und es blieb eine 27 1/2 Zoll hohe Queckſilberſaͤule in der Roͤhre ſtehen. Taf. III. Fig. 38. giebt hievon eine Abbildung. AB iſt die Glasroͤhre, A ihr zugeſchmolzenes, B ihr ofnes Ende. Sie ſteht im Gefaͤße CDEF, das bis GH mit Queckſilber gefuͤllt iſt. Sobald der bey B vorgehaltene Finger weggenommen ward, leerte ſich die vorher ganz angefuͤllte Roͤhre nur von A bis I aus. Die ſenkrechte Hoͤhe von I uͤber der Flaͤche des Queckſilbers im Gefaͤße GH betrug 27—28 Zoll.

Torricelli meldete den Erfolg dieſes Verſuchs im Jahre 1644 an den P. Merſenne in Nevers, durch deſſen ausgebreiteten Briefwechſel damals faſt alle Naturforſcher und Mathematiker der europaͤiſchen Laͤnder in Verbindung ſtanden. Durch dieſen erfuhr ihn der beruͤhmte Paſcal, und ſchrieb daruͤber im 23ſten Jahre ſeines Alters eine Abhandlung (Experiences nouvelles touchans le vuide, Paris 1645.), durch die er zuerſt von dieſer Seite beruͤhmt ward. Doch nimmt auch er hier noch den Abſcheu vor der Leere an.

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[238/0252] wahren Erklaͤrung der Phaͤnomene des Saugens uͤbrig blieb. So viel Gewalt hatte das verjaͤhrte Vorurtheil uͤber einen der ſcharfſinnigſten Koͤpfe. Evangeliſta Torricelli, des Galilei Schuͤler und Nachfolger im Lehramte zu Florenz, betrieb die Sache mit beſſerm Erfolg. Er kam auf den gluͤcklichen Gedanken, daß eben die Urſache, welche das Waſſer nur 32 Schuh hoch treibe und halte, das 14mal ſchwerere Queckſilber nur (32/14) Schuh, d. i. 27 1/2 Zoll hoch treiben und halten werde. Dieſe geringere Hoͤhe verſchafte den Verſuchen mehr Bequemlichkeit. Torricelli ſchmolz nun eine Glasroͤhre von einigen Schuhen Laͤnge an einem Ende zu, fuͤllte ſie durch das andere mit Queckſilber, verſchloß die Oefnung mit dem Finger, und brachte ſie in umgekehrter Stellung mit der zugehaltenen Oefnung in ein mit Queckſilber angefuͤlltes Gefaͤß. Wenn er dann den Finger wegnahm, und das Queckſilber auslaufen ließ, ſo fand er ſeine Erwartung beſtaͤtigt. Nur der obere Theil der Roͤhre ward leer, und es blieb eine 27 1/2 Zoll hohe Queckſilberſaͤule in der Roͤhre ſtehen. Taf. III. Fig. 38. giebt hievon eine Abbildung. AB iſt die Glasroͤhre, A ihr zugeſchmolzenes, B ihr ofnes Ende. Sie ſteht im Gefaͤße CDEF, das bis GH mit Queckſilber gefuͤllt iſt. Sobald der bey B vorgehaltene Finger weggenommen ward, leerte ſich die vorher ganz angefuͤllte Roͤhre nur von A bis I aus. Die ſenkrechte Hoͤhe von I uͤber der Flaͤche des Queckſilbers im Gefaͤße GH betrug 27—28 Zoll. Torricelli meldete den Erfolg dieſes Verſuchs im Jahre 1644 an den P. Merſenne in Nevers, durch deſſen ausgebreiteten Briefwechſel damals faſt alle Naturforſcher und Mathematiker der europaͤiſchen Laͤnder in Verbindung ſtanden. Durch dieſen erfuhr ihn der beruͤhmte Paſcal, und ſchrieb daruͤber im 23ſten Jahre ſeines Alters eine Abhandlung (Experiences nouvelles touchans le vuide, Paris 1645.), durch die er zuerſt von dieſer Seite beruͤhmt ward. Doch nimmt auch er hier noch den Abſcheu vor der Leere an.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/252>, abgerufen am 10.05.2024.