Wege mehr zu leisten vermocht hätten, den Trieben der Gewinnsucht, zogen ihre Untersuchungen gänzlich auf den engen Punkt des Goldmachens zusammen, versteckten sich bey ihren fehlgeschlagnen Erwartungen hinter dem Schleyer einer geheimnißvollen und räthselhaften Sprache, oder täuschten auch wohl leichtgläubige Menschen durch kühne Betrügereyen. Um ihrer eitlen Kunst Ansehen zu verschaffen, schrieben sie ihr ein hohes Alter zu, und suchten sie in den Lehren des Hermes und in der Weisheit der alten Egyptier zu finden. Leider hat die Geschichte der Chymie bis ins sechszehnte Jahrhundert keine andern als alchymistische Schriften aufzuweisen, in welchen durch eine Menge von unverständlichen Worten und seltsamen Ideen nur hin und wieder eine oder die andere nützliche Wahrheit durchschimmert. Theophrastus Paracelsus Bombast von Hohenheim, ein berüchtigter Alchymist des sechszehnten Jahrhunderts und ein Mann von ausschweifender Lebhaftigkeit, setzte zu den vorigen Thorheiten noch die vorgebliche Erfindung einer Universalmedicin hinzu, verbrannte in einem Anfalle von Raserey die Bücher der alten Aerzte, und ward, ob er gleich im acht und vierzigsten Jahre starb, dennoch der Stifter einer Secte, welche durch einen und ebendenselben Prozeß sich Gold und Unsterblichkeit zu verschaffen suchte. Diejenigen unter seinen Nachfolgern, welche sich ihren Endzweck erreicht zu haben rühmten, nannten sich Adepten, und das Mittel, welches ihnen die Erfüllung ihrer Wünsche verschaffen sollte, den Stein der Weisen, so wie sie auch sich selbst den Namen der Feuerphilosophen (Philosophi per ignem) beylegten. So nannten sich in ältern Zeiten die Sterndeuter Mathematiker, wie Sertus Empirikus sagt, magnifico nomine artis vanitatem exornaturi.
Inzwischen ist doch unsere neuere, durch Bemühungen verdienstvoller Männer so sehr aufgeklärte, Chymie eine Tochter dieser übelberüchtigten Mutter, obgleich beyde mit einander nichts mehr, als den Namen und einige im Gebrauch gebliebene Kunstworte und Bezeichnungen, gemein haben. Schon im sechszehnten Jahrhunderte, und
Wege mehr zu leiſten vermocht haͤtten, den Trieben der Gewinnſucht, zogen ihre Unterſuchungen gaͤnzlich auf den engen Punkt des Goldmachens zuſammen, verſteckten ſich bey ihren fehlgeſchlagnen Erwartungen hinter dem Schleyer einer geheimnißvollen und raͤthſelhaften Sprache, oder taͤuſchten auch wohl leichtglaͤubige Menſchen durch kuͤhne Betruͤgereyen. Um ihrer eitlen Kunſt Anſehen zu verſchaffen, ſchrieben ſie ihr ein hohes Alter zu, und ſuchten ſie in den Lehren des Hermes und in der Weisheit der alten Egyptier zu finden. Leider hat die Geſchichte der Chymie bis ins ſechszehnte Jahrhundert keine andern als alchymiſtiſche Schriften aufzuweiſen, in welchen durch eine Menge von unverſtaͤndlichen Worten und ſeltſamen Ideen nur hin und wieder eine oder die andere nuͤtzliche Wahrheit durchſchimmert. Theophraſtus Paracelſus Bombaſt von Hohenheim, ein beruͤchtigter Alchymiſt des ſechszehnten Jahrhunderts und ein Mann von ausſchweifender Lebhaftigkeit, ſetzte zu den vorigen Thorheiten noch die vorgebliche Erfindung einer Univerſalmedicin hinzu, verbrannte in einem Anfalle von Raſerey die Buͤcher der alten Aerzte, und ward, ob er gleich im acht und vierzigſten Jahre ſtarb, dennoch der Stifter einer Secte, welche durch einen und ebendenſelben Prozeß ſich Gold und Unſterblichkeit zu verſchaffen ſuchte. Diejenigen unter ſeinen Nachfolgern, welche ſich ihren Endzweck erreicht zu haben ruͤhmten, nannten ſich Adepten, und das Mittel, welches ihnen die Erfuͤllung ihrer Wuͤnſche verſchaffen ſollte, den Stein der Weiſen, ſo wie ſie auch ſich ſelbſt den Namen der Feuerphiloſophen (Philoſophi per ignem) beylegten. So nannten ſich in aͤltern Zeiten die Sterndeuter Mathematiker, wie Sertus Empirikus ſagt, magnifico nomine artis vanitatem exornaturi.
Inzwiſchen iſt doch unſere neuere, durch Bemuͤhungen verdienſtvoller Maͤnner ſo ſehr aufgeklaͤrte, Chymie eine Tochter dieſer uͤbelberuͤchtigten Mutter, obgleich beyde mit einander nichts mehr, als den Namen und einige im Gebrauch gebliebene Kunſtworte und Bezeichnungen, gemein haben. Schon im ſechszehnten Jahrhunderte, und
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Wege mehr zu leiſten vermocht haͤtten, den Trieben der Gewinnſucht, zogen ihre Unterſuchungen gaͤnzlich auf den engen Punkt des Goldmachens zuſammen, verſteckten ſich bey ihren fehlgeſchlagnen Erwartungen hinter dem Schleyer einer geheimnißvollen und raͤthſelhaften Sprache, oder taͤuſchten auch wohl leichtglaͤubige Menſchen durch kuͤhne Betruͤgereyen. Um ihrer eitlen Kunſt Anſehen zu verſchaffen, ſchrieben ſie ihr ein hohes Alter zu, und ſuchten ſie in den Lehren des <hirendition="#b">Hermes</hi> und in der Weisheit der alten Egyptier zu finden. Leider hat die Geſchichte der Chymie bis ins ſechszehnte Jahrhundert keine andern als alchymiſtiſche Schriften aufzuweiſen, in welchen durch eine Menge von unverſtaͤndlichen Worten und ſeltſamen Ideen nur hin und wieder eine oder die andere nuͤtzliche Wahrheit durchſchimmert. <hirendition="#b">Theophraſtus Paracelſus Bombaſt von Hohenheim,</hi> ein beruͤchtigter Alchymiſt des ſechszehnten Jahrhunderts und ein Mann von ausſchweifender Lebhaftigkeit, ſetzte zu den vorigen Thorheiten noch die vorgebliche Erfindung einer Univerſalmedicin hinzu, verbrannte in einem Anfalle von Raſerey die Buͤcher der alten Aerzte, und ward, ob er gleich im acht und vierzigſten Jahre ſtarb, dennoch der Stifter einer Secte, welche durch einen und ebendenſelben Prozeß ſich Gold und Unſterblichkeit zu verſchaffen ſuchte. Diejenigen unter ſeinen Nachfolgern, welche ſich ihren Endzweck erreicht zu haben ruͤhmten, nannten ſich <hirendition="#b">Adepten,</hi> und das Mittel, welches ihnen die Erfuͤllung ihrer Wuͤnſche verſchaffen ſollte, den <hirendition="#b">Stein der Weiſen,</hi>ſo wie ſie auch ſich ſelbſt den Namen der Feuerphiloſophen <hirendition="#aq">(Philoſophi per ignem)</hi> beylegten. So nannten ſich in aͤltern Zeiten die Sterndeuter Mathematiker, wie Sertus Empirikus ſagt, <hirendition="#aq">magnifico nomine artis vanitatem exornaturi.</hi></p><p>Inzwiſchen iſt doch unſere neuere, durch Bemuͤhungen verdienſtvoller Maͤnner ſo ſehr aufgeklaͤrte, Chymie eine Tochter dieſer uͤbelberuͤchtigten Mutter, obgleich beyde mit einander nichts mehr, als den Namen und einige im Gebrauch gebliebene Kunſtworte und Bezeichnungen, gemein haben. Schon im ſechszehnten Jahrhunderte, und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
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Wege mehr zu leiſten vermocht haͤtten, den Trieben der Gewinnſucht, zogen ihre Unterſuchungen gaͤnzlich auf den engen Punkt des Goldmachens zuſammen, verſteckten ſich bey ihren fehlgeſchlagnen Erwartungen hinter dem Schleyer einer geheimnißvollen und raͤthſelhaften Sprache, oder taͤuſchten auch wohl leichtglaͤubige Menſchen durch kuͤhne Betruͤgereyen. Um ihrer eitlen Kunſt Anſehen zu verſchaffen, ſchrieben ſie ihr ein hohes Alter zu, und ſuchten ſie in den Lehren des Hermes und in der Weisheit der alten Egyptier zu finden. Leider hat die Geſchichte der Chymie bis ins ſechszehnte Jahrhundert keine andern als alchymiſtiſche Schriften aufzuweiſen, in welchen durch eine Menge von unverſtaͤndlichen Worten und ſeltſamen Ideen nur hin und wieder eine oder die andere nuͤtzliche Wahrheit durchſchimmert. Theophraſtus Paracelſus Bombaſt von Hohenheim, ein beruͤchtigter Alchymiſt des ſechszehnten Jahrhunderts und ein Mann von ausſchweifender Lebhaftigkeit, ſetzte zu den vorigen Thorheiten noch die vorgebliche Erfindung einer Univerſalmedicin hinzu, verbrannte in einem Anfalle von Raſerey die Buͤcher der alten Aerzte, und ward, ob er gleich im acht und vierzigſten Jahre ſtarb, dennoch der Stifter einer Secte, welche durch einen und ebendenſelben Prozeß ſich Gold und Unſterblichkeit zu verſchaffen ſuchte. Diejenigen unter ſeinen Nachfolgern, welche ſich ihren Endzweck erreicht zu haben ruͤhmten, nannten ſich Adepten, und das Mittel, welches ihnen die Erfuͤllung ihrer Wuͤnſche verſchaffen ſollte, den Stein der Weiſen, ſo wie ſie auch ſich ſelbſt den Namen der Feuerphiloſophen (Philoſophi per ignem) beylegten. So nannten ſich in aͤltern Zeiten die Sterndeuter Mathematiker, wie Sertus Empirikus ſagt, magnifico nomine artis vanitatem exornaturi.
Inzwiſchen iſt doch unſere neuere, durch Bemuͤhungen verdienſtvoller Maͤnner ſo ſehr aufgeklaͤrte, Chymie eine Tochter dieſer uͤbelberuͤchtigten Mutter, obgleich beyde mit einander nichts mehr, als den Namen und einige im Gebrauch gebliebene Kunſtworte und Bezeichnungen, gemein haben. Schon im ſechszehnten Jahrhunderte, und
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1798, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch01_1798/106>, abgerufen am 21.11.2024.
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