Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Ueber die Prüfung dem Wesentlichen der Sachen abzugehen, und aufihre Zufälligkeiten und ihre äußern Verhältnisse zu sehen, so verhindert er die Untersuchung; und indem er die Aufmerksamkeit der Seele bey jedem Gegenstande theilt, und sie von der bloßen Be- trachtung gleich auf Anwendungen desselben ab- zieht, so läßt er keinen starken und bleibenden Eindruck zu. Der Witz ist der Diener und der Gehülfe der Eitelkeit. So wie er das Licht ist, welches die Talente den Augen des großen Hau- fens sichtbar macht, so erhöhet er sie zugleich in den Augen des Menschen selbst. Die Geschicklich- keit, sich mit Vortheile zu zeigen, erweckt die Be- gierde, es oft zu thun: und so wird die Bemü- hung, neue Vorzüge zu erwerben, durch die Be- mühung, seine alten sehen zu lassen, gestört. Man sollte sich aber um desto weniger um Ueber die Pruͤfung dem Weſentlichen der Sachen abzugehen, und aufihre Zufaͤlligkeiten und ihre aͤußern Verhaͤltniſſe zu ſehen, ſo verhindert er die Unterſuchung; und indem er die Aufmerkſamkeit der Seele bey jedem Gegenſtande theilt, und ſie von der bloßen Be- trachtung gleich auf Anwendungen deſſelben ab- zieht, ſo laͤßt er keinen ſtarken und bleibenden Eindruck zu. Der Witz iſt der Diener und der Gehuͤlfe der Eitelkeit. So wie er das Licht iſt, welches die Talente den Augen des großen Hau- fens ſichtbar macht, ſo erhoͤhet er ſie zugleich in den Augen des Menſchen ſelbſt. Die Geſchicklich- keit, ſich mit Vortheile zu zeigen, erweckt die Be- gierde, es oft zu thun: und ſo wird die Bemuͤ- hung, neue Vorzuͤge zu erwerben, durch die Be- muͤhung, ſeine alten ſehen zu laſſen, geſtoͤrt. Man ſollte ſich aber um deſto weniger um <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0096" n="90"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ueber die Pruͤfung</hi></fw><lb/> dem Weſentlichen der Sachen abzugehen, und auf<lb/> ihre Zufaͤlligkeiten und ihre aͤußern Verhaͤltniſſe<lb/> zu ſehen, ſo verhindert er die Unterſuchung; und<lb/> indem er die Aufmerkſamkeit der Seele bey jedem<lb/> Gegenſtande theilt, und ſie von der bloßen Be-<lb/> trachtung gleich auf Anwendungen deſſelben ab-<lb/> zieht, ſo laͤßt er keinen ſtarken und bleibenden<lb/> Eindruck zu. Der Witz iſt der Diener und der<lb/> Gehuͤlfe der Eitelkeit. So wie er das Licht iſt,<lb/> welches die Talente den Augen des großen Hau-<lb/> fens ſichtbar macht, ſo erhoͤhet er ſie zugleich in<lb/> den Augen des Menſchen ſelbſt. Die Geſchicklich-<lb/> keit, ſich mit Vortheile zu zeigen, erweckt die Be-<lb/> gierde, es oft zu thun: und ſo wird die Bemuͤ-<lb/> hung, neue Vorzuͤge zu erwerben, durch die Be-<lb/> muͤhung, ſeine alten ſehen zu laſſen, geſtoͤrt.</p><lb/> <p>Man ſollte ſich aber um deſto weniger um<lb/> dieſe Faͤhigkeit Muͤhe geben, weil ſie unter allen<lb/> uͤbrigen die wenigſte Cultur zulaͤßt oder erfodert.<lb/> Sie entwickelt ſich von ſelbſt, und man kann<lb/> nichts anders zu ihrer Ausbildung thun, als ſie<lb/> regieren und im Zaume halten. Der Witz iſt vor-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [90/0096]
Ueber die Pruͤfung
dem Weſentlichen der Sachen abzugehen, und auf
ihre Zufaͤlligkeiten und ihre aͤußern Verhaͤltniſſe
zu ſehen, ſo verhindert er die Unterſuchung; und
indem er die Aufmerkſamkeit der Seele bey jedem
Gegenſtande theilt, und ſie von der bloßen Be-
trachtung gleich auf Anwendungen deſſelben ab-
zieht, ſo laͤßt er keinen ſtarken und bleibenden
Eindruck zu. Der Witz iſt der Diener und der
Gehuͤlfe der Eitelkeit. So wie er das Licht iſt,
welches die Talente den Augen des großen Hau-
fens ſichtbar macht, ſo erhoͤhet er ſie zugleich in
den Augen des Menſchen ſelbſt. Die Geſchicklich-
keit, ſich mit Vortheile zu zeigen, erweckt die Be-
gierde, es oft zu thun: und ſo wird die Bemuͤ-
hung, neue Vorzuͤge zu erwerben, durch die Be-
muͤhung, ſeine alten ſehen zu laſſen, geſtoͤrt.
Man ſollte ſich aber um deſto weniger um
dieſe Faͤhigkeit Muͤhe geben, weil ſie unter allen
uͤbrigen die wenigſte Cultur zulaͤßt oder erfodert.
Sie entwickelt ſich von ſelbſt, und man kann
nichts anders zu ihrer Ausbildung thun, als ſie
regieren und im Zaume halten. Der Witz iſt vor-
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