her, daß in ihr mehr, als in andern spekulativen Wissenschaften, Aufgabe und Auflösung, die Schwierigkeit und die Hebung derselben, sich deut- lich von einander unterscheiden.
2. Aber worinne besteht die Verwickelung? Die Ueberwindung großer Schwierigkeiten ist es allemal, was den großen oder den merkwürdigen Mann zeigt. Diese müssen also in jeder Bege- benheit vorkommen, welche interessiren soll. Aus diesen entsteht die eigentliche Verwickelung, sobald dieselben, in einen kleinen Zeitraum zusammenge- drängt, sich schnell wieder auflösen sollen. Da- her finden wir in der Epopee, wo die Erzählung Zeit und Raum hat, zwar allemal große Hinder- nisse, widrige Zufälle, feindliche Anschläge, Ge- fahren, die den Muth oder die Weisheit des Hel- den aufbieten: aber weil diese Schwierigkeiten sich nicht auf Einen Punkt vereinigen, weil sie nicht auf einmal sich verlieren: so ist Verwicke- lung, Intrigue im engern Verstande, nicht die- sem Gedicht eigen. Auf dem Theater ist die Zeit durch die Dauer der Vorstellung eingeschränkt.
Einige Gedanken
her, daß in ihr mehr, als in andern ſpekulativen Wiſſenſchaften, Aufgabe und Aufloͤſung, die Schwierigkeit und die Hebung derſelben, ſich deut- lich von einander unterſcheiden.
2. Aber worinne beſteht die Verwickelung? Die Ueberwindung großer Schwierigkeiten iſt es allemal, was den großen oder den merkwuͤrdigen Mann zeigt. Dieſe muͤſſen alſo in jeder Bege- benheit vorkommen, welche intereſſiren ſoll. Aus dieſen entſteht die eigentliche Verwickelung, ſobald dieſelben, in einen kleinen Zeitraum zuſammenge- draͤngt, ſich ſchnell wieder aufloͤſen ſollen. Da- her finden wir in der Epopee, wo die Erzaͤhlung Zeit und Raum hat, zwar allemal große Hinder- niſſe, widrige Zufaͤlle, feindliche Anſchlaͤge, Ge- fahren, die den Muth oder die Weisheit des Hel- den aufbieten: aber weil dieſe Schwierigkeiten ſich nicht auf Einen Punkt vereinigen, weil ſie nicht auf einmal ſich verlieren: ſo iſt Verwicke- lung, Intrigue im engern Verſtande, nicht die- ſem Gedicht eigen. Auf dem Theater iſt die Zeit durch die Dauer der Vorſtellung eingeſchraͤnkt.
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Einige Gedanken
her, daß in ihr mehr, als in andern ſpekulativen
Wiſſenſchaften, Aufgabe und Aufloͤſung, die
Schwierigkeit und die Hebung derſelben, ſich deut-
lich von einander unterſcheiden.
2. Aber worinne beſteht die Verwickelung?
Die Ueberwindung großer Schwierigkeiten iſt es
allemal, was den großen oder den merkwuͤrdigen
Mann zeigt. Dieſe muͤſſen alſo in jeder Bege-
benheit vorkommen, welche intereſſiren ſoll. Aus
dieſen entſteht die eigentliche Verwickelung, ſobald
dieſelben, in einen kleinen Zeitraum zuſammenge-
draͤngt, ſich ſchnell wieder aufloͤſen ſollen. Da-
her finden wir in der Epopee, wo die Erzaͤhlung
Zeit und Raum hat, zwar allemal große Hinder-
niſſe, widrige Zufaͤlle, feindliche Anſchlaͤge, Ge-
fahren, die den Muth oder die Weisheit des Hel-
den aufbieten: aber weil dieſe Schwierigkeiten
ſich nicht auf Einen Punkt vereinigen, weil ſie
nicht auf einmal ſich verlieren: ſo iſt Verwicke-
lung, Intrigue im engern Verſtande, nicht die-
ſem Gedicht eigen. Auf dem Theater iſt die Zeit
durch die Dauer der Vorſtellung eingeſchraͤnkt.
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/438>, abgerufen am 22.11.2024.
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