die ganze Reihe der alten Ideen wieder vorstellt, so hat man die erste Art von Gedächtniß. Wenn man aber bey dem ersten Blicke auf die Sache wenig oder nichts von ihr weis, nach und nach aber und stufenweise sich eines Theils nach dem andern erinnert, und den Fortgang immer gewahr wird, wie eine Idee die nächstliegende aufweckt; so hat man die zweyte.
Man sieht also auch, warum man bey Kin- dern fast nur über das erste urtheilt. Alles, wo- mit man sie beschäftigt, und woran man ihre Fä- higkeiten prüft, sind größtentheils Sachen, die ohne innere Verbindung sind, und wo also kein ander Mittel ist, als daß man sie entweder aus- wendig wissen oder vergessen muß.
Wem beide Arten von Gedächtniß fehlen, der wird für sein Nachdenken nur wenig Gegenstände, und also einen kleinen und eingeschränkten Ver- stand haben.
III. Die Einbildungskraft nimmt aus den Em- pfindungen einzelne Theile, und macht daraus
Ueber die Pruͤfung
die ganze Reihe der alten Ideen wieder vorſtellt, ſo hat man die erſte Art von Gedaͤchtniß. Wenn man aber bey dem erſten Blicke auf die Sache wenig oder nichts von ihr weis, nach und nach aber und ſtufenweiſe ſich eines Theils nach dem andern erinnert, und den Fortgang immer gewahr wird, wie eine Idee die naͤchſtliegende aufweckt; ſo hat man die zweyte.
Man ſieht alſo auch, warum man bey Kin- dern faſt nur uͤber das erſte urtheilt. Alles, wo- mit man ſie beſchaͤftigt, und woran man ihre Faͤ- higkeiten pruͤft, ſind groͤßtentheils Sachen, die ohne innere Verbindung ſind, und wo alſo kein ander Mittel iſt, als daß man ſie entweder aus- wendig wiſſen oder vergeſſen muß.
Wem beide Arten von Gedaͤchtniß fehlen, der wird fuͤr ſein Nachdenken nur wenig Gegenſtaͤnde, und alſo einen kleinen und eingeſchraͤnkten Ver- ſtand haben.
III. Die Einbildungskraft nimmt aus den Em- pfindungen einzelne Theile, und macht daraus
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[32/0038]
Ueber die Pruͤfung
die ganze Reihe der alten Ideen wieder vorſtellt,
ſo hat man die erſte Art von Gedaͤchtniß. Wenn
man aber bey dem erſten Blicke auf die Sache
wenig oder nichts von ihr weis, nach und nach
aber und ſtufenweiſe ſich eines Theils nach dem
andern erinnert, und den Fortgang immer gewahr
wird, wie eine Idee die naͤchſtliegende aufweckt;
ſo hat man die zweyte.
Man ſieht alſo auch, warum man bey Kin-
dern faſt nur uͤber das erſte urtheilt. Alles, wo-
mit man ſie beſchaͤftigt, und woran man ihre Faͤ-
higkeiten pruͤft, ſind groͤßtentheils Sachen, die
ohne innere Verbindung ſind, und wo alſo kein
ander Mittel iſt, als daß man ſie entweder aus-
wendig wiſſen oder vergeſſen muß.
Wem beide Arten von Gedaͤchtniß fehlen, der
wird fuͤr ſein Nachdenken nur wenig Gegenſtaͤnde,
und alſo einen kleinen und eingeſchraͤnkten Ver-
ſtand haben.
III. Die Einbildungskraft nimmt aus den Em-
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/38>, abgerufen am 23.11.2024.
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