rigkeiten zu überwinden, Anstalten zu machen, Un- ternehmungen und Erwartungen sind: da wird es erst dem Dichter selbst, und dann auch dem Zuschauer leichter, an die Stelle der Person zu treten. Aber wo nun die Leidenschaft ruhig bloß ihrer selbst genießt; wo sie nichts mehr zu wünschen noch zu fürchten hat: da sinkt der Flug des Dich- ters; seine Begeisterung wird matt, und mit ihm erkaltet der Leser.
Auf eine doppelte Art aber können Leiden- schaften wirksam seyn, entweder indem sie zu Ge- danken Anlaß geben, oder indem sie Unterneh- mungen und neue Begierden erzeugen. Ist die Leidenschaft von der Art der stummen, so muß sie unternehmend seyn; ist sie gelassen, so muß sie beredt seyn: der Schmerz auf dem Theater ist ent- weder Wehmuth oder Verzweiflung.
Aus dieser Regel haben einige neuere Kunst- richter geschlossen, daß die ganz vollkommnen Cha- raktere in der Dichtkunst nicht interessant seyn kön- nen, weil sie nicht thätig genug sind. Aber ist diese Entscheidung wohl richtig?
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uͤber das Intereſſirende.
rigkeiten zu uͤberwinden, Anſtalten zu machen, Un- ternehmungen und Erwartungen ſind: da wird es erſt dem Dichter ſelbſt, und dann auch dem Zuſchauer leichter, an die Stelle der Perſon zu treten. Aber wo nun die Leidenſchaft ruhig bloß ihrer ſelbſt genießt; wo ſie nichts mehr zu wuͤnſchen noch zu fuͤrchten hat: da ſinkt der Flug des Dich- ters; ſeine Begeiſterung wird matt, und mit ihm erkaltet der Leſer.
Auf eine doppelte Art aber koͤnnen Leiden- ſchaften wirkſam ſeyn, entweder indem ſie zu Ge- danken Anlaß geben, oder indem ſie Unterneh- mungen und neue Begierden erzeugen. Iſt die Leidenſchaft von der Art der ſtummen, ſo muß ſie unternehmend ſeyn; iſt ſie gelaſſen, ſo muß ſie beredt ſeyn: der Schmerz auf dem Theater iſt ent- weder Wehmuth oder Verzweiflung.
Aus dieſer Regel haben einige neuere Kunſt- richter geſchloſſen, daß die ganz vollkommnen Cha- raktere in der Dichtkunſt nicht intereſſant ſeyn koͤn- nen, weil ſie nicht thaͤtig genug ſind. Aber iſt dieſe Entſcheidung wohl richtig?
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uͤber das Intereſſirende.
rigkeiten zu uͤberwinden, Anſtalten zu machen, Un-
ternehmungen und Erwartungen ſind: da wird
es erſt dem Dichter ſelbſt, und dann auch dem
Zuſchauer leichter, an die Stelle der Perſon zu
treten. Aber wo nun die Leidenſchaft ruhig bloß
ihrer ſelbſt genießt; wo ſie nichts mehr zu wuͤnſchen
noch zu fuͤrchten hat: da ſinkt der Flug des Dich-
ters; ſeine Begeiſterung wird matt, und mit ihm
erkaltet der Leſer.
Auf eine doppelte Art aber koͤnnen Leiden-
ſchaften wirkſam ſeyn, entweder indem ſie zu Ge-
danken Anlaß geben, oder indem ſie Unterneh-
mungen und neue Begierden erzeugen. Iſt die
Leidenſchaft von der Art der ſtummen, ſo muß ſie
unternehmend ſeyn; iſt ſie gelaſſen, ſo muß ſie
beredt ſeyn: der Schmerz auf dem Theater iſt ent-
weder Wehmuth oder Verzweiflung.
Aus dieſer Regel haben einige neuere Kunſt-
richter geſchloſſen, daß die ganz vollkommnen Cha-
raktere in der Dichtkunſt nicht intereſſant ſeyn koͤn-
nen, weil ſie nicht thaͤtig genug ſind. Aber iſt
dieſe Entſcheidung wohl richtig?
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/375>, abgerufen am 22.11.2024.
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