jezt liebt; der Mensch, welcher gezwungen wird, von sich selbst ein nachtheiliges Urtheil zu fällen; der Beschäftigungen, an denen er sonst Vergnü- gungen fand, weil er sie billigte, aufgeben muß, weil er sie jezt mißbilligt und verwirft: dieser Mensch ist auf eine moralische Weise unglücklich. Man sieht leicht, daß hier nicht von einer beson- dern Art der Unglücksfälle, sondern von einer besondern Art der Eindrücke die Rede sey, wel- che jeder Unglücksfall machen kann. Alle merk- liche Veränderungen des Glücks werden zugleich unsre Gesinnungen gegen gewisse Personen, oder dieser ihre gegen uns ändern; bey allen Vorfäl- len wird unser moralischer Zustand mit berührt werden. Es kömmt nur darauf an, daß der Dichter diesen Gesichtspunkt fasse, daß er ihn für den wichtigsten halte, daß er selbst in seiner Person mehr von Freundschaft und Ruhe des Geistes, als von Reichthum und Wohlstand ge- rührt werde.
2) Der Dichter zeige uns mehr die Theilneh- mung der andern Personen an dem Schicksale
uͤber das Intereſſirende.
jezt liebt; der Menſch, welcher gezwungen wird, von ſich ſelbſt ein nachtheiliges Urtheil zu faͤllen; der Beſchaͤftigungen, an denen er ſonſt Vergnuͤ- gungen fand, weil er ſie billigte, aufgeben muß, weil er ſie jezt mißbilligt und verwirft: dieſer Menſch iſt auf eine moraliſche Weiſe ungluͤcklich. Man ſieht leicht, daß hier nicht von einer beſon- dern Art der Ungluͤcksfaͤlle, ſondern von einer beſondern Art der Eindruͤcke die Rede ſey, wel- che jeder Ungluͤcksfall machen kann. Alle merk- liche Veraͤnderungen des Gluͤcks werden zugleich unſre Geſinnungen gegen gewiſſe Perſonen, oder dieſer ihre gegen uns aͤndern; bey allen Vorfaͤl- len wird unſer moraliſcher Zuſtand mit beruͤhrt werden. Es koͤmmt nur darauf an, daß der Dichter dieſen Geſichtspunkt faſſe, daß er ihn fuͤr den wichtigſten halte, daß er ſelbſt in ſeiner Perſon mehr von Freundſchaft und Ruhe des Geiſtes, als von Reichthum und Wohlſtand ge- ruͤhrt werde.
2) Der Dichter zeige uns mehr die Theilneh- mung der andern Perſonen an dem Schickſale
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0369"n="363"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">uͤber das Intereſſirende.</hi></fw><lb/>
jezt liebt; der Menſch, welcher gezwungen wird,<lb/>
von ſich ſelbſt ein nachtheiliges Urtheil zu faͤllen;<lb/>
der Beſchaͤftigungen, an denen er ſonſt Vergnuͤ-<lb/>
gungen fand, weil er ſie billigte, aufgeben muß,<lb/>
weil er ſie jezt mißbilligt und verwirft: dieſer<lb/>
Menſch iſt auf eine moraliſche Weiſe ungluͤcklich.<lb/>
Man ſieht leicht, daß hier nicht von einer beſon-<lb/>
dern Art der Ungluͤcksfaͤlle, ſondern von einer<lb/>
beſondern Art der Eindruͤcke die Rede ſey, wel-<lb/>
che jeder Ungluͤcksfall machen kann. Alle merk-<lb/>
liche Veraͤnderungen des Gluͤcks werden zugleich<lb/>
unſre Geſinnungen gegen gewiſſe Perſonen, oder<lb/>
dieſer ihre gegen uns aͤndern; bey allen Vorfaͤl-<lb/>
len wird unſer moraliſcher Zuſtand mit beruͤhrt<lb/>
werden. Es koͤmmt nur darauf an, daß der<lb/>
Dichter dieſen Geſichtspunkt faſſe, daß er ihn<lb/>
fuͤr den wichtigſten halte, daß er ſelbſt in ſeiner<lb/>
Perſon mehr von Freundſchaft und Ruhe des<lb/>
Geiſtes, als von Reichthum und Wohlſtand ge-<lb/>
ruͤhrt werde.</p><lb/><p>2) Der Dichter zeige uns mehr die Theilneh-<lb/>
mung der andern Perſonen an dem Schickſale<lb/></p></div></body></text></TEI>
[363/0369]
uͤber das Intereſſirende.
jezt liebt; der Menſch, welcher gezwungen wird,
von ſich ſelbſt ein nachtheiliges Urtheil zu faͤllen;
der Beſchaͤftigungen, an denen er ſonſt Vergnuͤ-
gungen fand, weil er ſie billigte, aufgeben muß,
weil er ſie jezt mißbilligt und verwirft: dieſer
Menſch iſt auf eine moraliſche Weiſe ungluͤcklich.
Man ſieht leicht, daß hier nicht von einer beſon-
dern Art der Ungluͤcksfaͤlle, ſondern von einer
beſondern Art der Eindruͤcke die Rede ſey, wel-
che jeder Ungluͤcksfall machen kann. Alle merk-
liche Veraͤnderungen des Gluͤcks werden zugleich
unſre Geſinnungen gegen gewiſſe Perſonen, oder
dieſer ihre gegen uns aͤndern; bey allen Vorfaͤl-
len wird unſer moraliſcher Zuſtand mit beruͤhrt
werden. Es koͤmmt nur darauf an, daß der
Dichter dieſen Geſichtspunkt faſſe, daß er ihn
fuͤr den wichtigſten halte, daß er ſelbſt in ſeiner
Perſon mehr von Freundſchaft und Ruhe des
Geiſtes, als von Reichthum und Wohlſtand ge-
ruͤhrt werde.
2) Der Dichter zeige uns mehr die Theilneh-
mung der andern Perſonen an dem Schickſale
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/369>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.