Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Einige Gedanken Umständen im Streite stehn? Es wird ein Mannseyn, welcher die Gewohnheit hat eine Person zu lieben, und welcher jezt eben Veranlassung bekömmt sie zu hassen; es wird einer seyn, der für beständig eine Person sehr verehrt, und für jezt veranlaßt ist, sie zu beschimpfen. Also ist im Grunde dieser Streit zwischen Charakter und Umständen, immer ein Streit zwischen Neigun- gen und Neigungen; zwischen einer Leidenschaft und der andern. Nur daß die eine Neigung schon längst ist erregt worden, und seit der Zeit fortgedauert hat; die andre erst jezt erregt wird und gröstentheils vorübergehend ist. Wir empfinden demungeachtet noch hierbey Einige Gedanken Umſtaͤnden im Streite ſtehn? Es wird ein Mannſeyn, welcher die Gewohnheit hat eine Perſon zu lieben, und welcher jezt eben Veranlaſſung bekoͤmmt ſie zu haſſen; es wird einer ſeyn, der fuͤr beſtaͤndig eine Perſon ſehr verehrt, und fuͤr jezt veranlaßt iſt, ſie zu beſchimpfen. Alſo iſt im Grunde dieſer Streit zwiſchen Charakter und Umſtaͤnden, immer ein Streit zwiſchen Neigun- gen und Neigungen; zwiſchen einer Leidenſchaft und der andern. Nur daß die eine Neigung ſchon laͤngſt iſt erregt worden, und ſeit der Zeit fortgedauert hat; die andre erſt jezt erregt wird und groͤſtentheils voruͤbergehend iſt. Wir empfinden demungeachtet noch hierbey <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0362" n="356"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/> Umſtaͤnden im Streite ſtehn? Es wird ein Mann<lb/> ſeyn, welcher <hi rendition="#fr">die Gewohnheit</hi> hat eine Perſon<lb/> zu lieben, und welcher jezt <hi rendition="#fr">eben Veranlaſſung<lb/> bekoͤmmt</hi> ſie zu haſſen; es wird einer ſeyn, der<lb/><hi rendition="#fr">fuͤr beſtaͤndig</hi> eine Perſon ſehr verehrt, und fuͤr<lb/> jezt veranlaßt iſt, ſie zu beſchimpfen. Alſo iſt<lb/> im Grunde dieſer Streit zwiſchen Charakter und<lb/> Umſtaͤnden, immer ein Streit zwiſchen Neigun-<lb/> gen und Neigungen; zwiſchen einer Leidenſchaft<lb/> und der andern. Nur daß die eine Neigung<lb/> ſchon laͤngſt iſt erregt worden, und ſeit der Zeit<lb/> fortgedauert hat; die andre erſt jezt erregt wird<lb/> und groͤſtentheils voruͤbergehend iſt.</p><lb/> <p>Wir empfinden demungeachtet noch hierbey<lb/> eine Verſchiedenheit. Eine Leidenſchaft kann ei-<lb/> ner andern auf eine doppelte Art zuwider ſeyn:<lb/> einmal, wie ſich Haß und Liebe gegen dieſelbe<lb/> Perſon zuwider iſt, ſo iſt es bey der Eiferſucht;<lb/> das andremal, wie der Geitz und die Liebe zu ei-<lb/> nem armen Maͤdchen, ſo iſt es beym Harpagon.<lb/> Man ſieht naͤmlich, im erſten Falle iſt der Streit<lb/> eigentlich zwiſchen den Begierden ſelbſt, man<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [356/0362]
Einige Gedanken
Umſtaͤnden im Streite ſtehn? Es wird ein Mann
ſeyn, welcher die Gewohnheit hat eine Perſon
zu lieben, und welcher jezt eben Veranlaſſung
bekoͤmmt ſie zu haſſen; es wird einer ſeyn, der
fuͤr beſtaͤndig eine Perſon ſehr verehrt, und fuͤr
jezt veranlaßt iſt, ſie zu beſchimpfen. Alſo iſt
im Grunde dieſer Streit zwiſchen Charakter und
Umſtaͤnden, immer ein Streit zwiſchen Neigun-
gen und Neigungen; zwiſchen einer Leidenſchaft
und der andern. Nur daß die eine Neigung
ſchon laͤngſt iſt erregt worden, und ſeit der Zeit
fortgedauert hat; die andre erſt jezt erregt wird
und groͤſtentheils voruͤbergehend iſt.
Wir empfinden demungeachtet noch hierbey
eine Verſchiedenheit. Eine Leidenſchaft kann ei-
ner andern auf eine doppelte Art zuwider ſeyn:
einmal, wie ſich Haß und Liebe gegen dieſelbe
Perſon zuwider iſt, ſo iſt es bey der Eiferſucht;
das andremal, wie der Geitz und die Liebe zu ei-
nem armen Maͤdchen, ſo iſt es beym Harpagon.
Man ſieht naͤmlich, im erſten Falle iſt der Streit
eigentlich zwiſchen den Begierden ſelbſt, man
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