in die Augen fällt, und wofür die Sprache nur al- lein gemacht ist. Aber sobald er den Pinsel in die Hand nimmt, da wird man gewahr, daß sein Auge tausend Sachen bemerkt hat, die uns un- sichtbar waren, und daß in seiner Vorstellung die Natur mit allen ihren Gestalten sich auf eine ganz andre Art abmale, als in der unsrigen.
Zweytens: Obgleich die Werkzeuge nicht verdorben seyn müssen, wenn die Empfindung gut seyn soll, so ist es doch falsch, daß sich die Stärke der leztern nach der Schärfe der erstern richtet. Was wir ein scharfes Auge nennen, ist nur ein Auge, das entferntere oder kleinere Ge- genstände doch noch deutlich sieht. Es sieht also ohne Zweifel mehr auf einmal: aber bey einer gewissen Größe und Nähe sieht das schwächere Auge eben so gut: es bedarf also mehr Zeit, sich dieselbe Anzahl von sinnlichen Begriffen zu ver- schaffen, aber es gelangt endlich doch dazu; und oft besser, weil sein Gesichtskreis immer einge- schränkter und seine Aufmerksamkeit also weniger getheilt ist.
der Faͤhigkeiten.
in die Augen faͤllt, und wofuͤr die Sprache nur al- lein gemacht iſt. Aber ſobald er den Pinſel in die Hand nimmt, da wird man gewahr, daß ſein Auge tauſend Sachen bemerkt hat, die uns un- ſichtbar waren, und daß in ſeiner Vorſtellung die Natur mit allen ihren Geſtalten ſich auf eine ganz andre Art abmale, als in der unſrigen.
Zweytens: Obgleich die Werkzeuge nicht verdorben ſeyn muͤſſen, wenn die Empfindung gut ſeyn ſoll, ſo iſt es doch falſch, daß ſich die Staͤrke der leztern nach der Schaͤrfe der erſtern richtet. Was wir ein ſcharfes Auge nennen, iſt nur ein Auge, das entferntere oder kleinere Ge- genſtaͤnde doch noch deutlich ſieht. Es ſieht alſo ohne Zweifel mehr auf einmal: aber bey einer gewiſſen Groͤße und Naͤhe ſieht das ſchwaͤchere Auge eben ſo gut: es bedarf alſo mehr Zeit, ſich dieſelbe Anzahl von ſinnlichen Begriffen zu ver- ſchaffen, aber es gelangt endlich doch dazu; und oft beſſer, weil ſein Geſichtskreis immer einge- ſchraͤnkter und ſeine Aufmerkſamkeit alſo weniger getheilt iſt.
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der Faͤhigkeiten.
in die Augen faͤllt, und wofuͤr die Sprache nur al-
lein gemacht iſt. Aber ſobald er den Pinſel in die
Hand nimmt, da wird man gewahr, daß ſein
Auge tauſend Sachen bemerkt hat, die uns un-
ſichtbar waren, und daß in ſeiner Vorſtellung
die Natur mit allen ihren Geſtalten ſich auf eine
ganz andre Art abmale, als in der unſrigen.
Zweytens: Obgleich die Werkzeuge nicht
verdorben ſeyn muͤſſen, wenn die Empfindung
gut ſeyn ſoll, ſo iſt es doch falſch, daß ſich die
Staͤrke der leztern nach der Schaͤrfe der erſtern
richtet. Was wir ein ſcharfes Auge nennen, iſt
nur ein Auge, das entferntere oder kleinere Ge-
genſtaͤnde doch noch deutlich ſieht. Es ſieht alſo
ohne Zweifel mehr auf einmal: aber bey einer
gewiſſen Groͤße und Naͤhe ſieht das ſchwaͤchere
Auge eben ſo gut: es bedarf alſo mehr Zeit, ſich
dieſelbe Anzahl von ſinnlichen Begriffen zu ver-
ſchaffen, aber es gelangt endlich doch dazu; und
oft beſſer, weil ſein Geſichtskreis immer einge-
ſchraͤnkter und ſeine Aufmerkſamkeit alſo weniger
getheilt iſt.
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/33>, abgerufen am 23.11.2024.
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