ben werden soll, reden hört: dann wird er im höchsten Grade interessirt.
Zweytens in dieser Zukunft muß noch einige Dunkelheit seyn. Es ist eine ungewisse Erwar- tung, mit Begierde oder Abscheu verbunden. So- bald ein guter oder schlimmer Ausgang gewiß ist, sobald ist die Beschäftigung der Seele, die Un- ruhe nicht mehr so groß. Man sage dem Spieler voraus, daß er gewinnen wird, so mag er sich mehr freuen, aber seine Seele wird weniger thä- tig seyn. Und warum dies? Die Thätigkeit der Seele besteht in der Begierde, und die Begierde hört auf, wenn die Sache erreicht ist. Er- reicht ist aber auch die Zukunft, sobald sie gewiß wird.
Drittens: So viel es also in unsern Umstän- den Veränderungen zum Bessern oder zum Schlechtern geben kann, große oder kleine: auf so vielfache Weise können wir interessirt werden. In dem Laufe jedes Tages kommen auch dem ein- gezogensten, ruhigsten Menschen tausend kleine angenehme Vorfälle vor, deren Erwartung zu ge-
Einige Gedanken
ben werden ſoll, reden hoͤrt: dann wird er im hoͤchſten Grade intereſſirt.
Zweytens in dieſer Zukunft muß noch einige Dunkelheit ſeyn. Es iſt eine ungewiſſe Erwar- tung, mit Begierde oder Abſcheu verbunden. So- bald ein guter oder ſchlimmer Ausgang gewiß iſt, ſobald iſt die Beſchaͤftigung der Seele, die Un- ruhe nicht mehr ſo groß. Man ſage dem Spieler voraus, daß er gewinnen wird, ſo mag er ſich mehr freuen, aber ſeine Seele wird weniger thaͤ- tig ſeyn. Und warum dies? Die Thaͤtigkeit der Seele beſteht in der Begierde, und die Begierde hoͤrt auf, wenn die Sache erreicht iſt. Er- reicht iſt aber auch die Zukunft, ſobald ſie gewiß wird.
Drittens: So viel es alſo in unſern Umſtaͤn- den Veraͤnderungen zum Beſſern oder zum Schlechtern geben kann, große oder kleine: auf ſo vielfache Weiſe koͤnnen wir intereſſirt werden. In dem Laufe jedes Tages kommen auch dem ein- gezogenſten, ruhigſten Menſchen tauſend kleine angenehme Vorfaͤlle vor, deren Erwartung zu ge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0322"n="316"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Einige Gedanken</hi></fw><lb/>
ben werden ſoll, reden hoͤrt: dann wird er im<lb/>
hoͤchſten Grade intereſſirt.</p><lb/><p>Zweytens in dieſer Zukunft muß noch einige<lb/>
Dunkelheit ſeyn. Es iſt eine ungewiſſe Erwar-<lb/>
tung, mit Begierde oder Abſcheu verbunden. So-<lb/>
bald ein guter oder ſchlimmer Ausgang gewiß iſt,<lb/>ſobald iſt die Beſchaͤftigung der Seele, die Un-<lb/>
ruhe nicht mehr ſo groß. Man ſage dem Spieler<lb/>
voraus, daß er gewinnen wird, ſo mag er ſich<lb/>
mehr freuen, aber ſeine Seele wird weniger thaͤ-<lb/>
tig ſeyn. Und warum dies? Die Thaͤtigkeit der<lb/>
Seele beſteht in der Begierde, und die Begierde<lb/>
hoͤrt auf, wenn die Sache erreicht iſt. Er-<lb/>
reicht iſt aber auch die Zukunft, ſobald ſie gewiß<lb/>
wird.</p><lb/><p>Drittens: So viel es alſo in unſern Umſtaͤn-<lb/>
den Veraͤnderungen zum Beſſern oder zum<lb/>
Schlechtern geben kann, große oder kleine: auf<lb/>ſo vielfache Weiſe koͤnnen wir intereſſirt werden.<lb/>
In dem Laufe jedes Tages kommen auch dem ein-<lb/>
gezogenſten, ruhigſten Menſchen tauſend kleine<lb/>
angenehme Vorfaͤlle vor, deren Erwartung zu ge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[316/0322]
Einige Gedanken
ben werden ſoll, reden hoͤrt: dann wird er im
hoͤchſten Grade intereſſirt.
Zweytens in dieſer Zukunft muß noch einige
Dunkelheit ſeyn. Es iſt eine ungewiſſe Erwar-
tung, mit Begierde oder Abſcheu verbunden. So-
bald ein guter oder ſchlimmer Ausgang gewiß iſt,
ſobald iſt die Beſchaͤftigung der Seele, die Un-
ruhe nicht mehr ſo groß. Man ſage dem Spieler
voraus, daß er gewinnen wird, ſo mag er ſich
mehr freuen, aber ſeine Seele wird weniger thaͤ-
tig ſeyn. Und warum dies? Die Thaͤtigkeit der
Seele beſteht in der Begierde, und die Begierde
hoͤrt auf, wenn die Sache erreicht iſt. Er-
reicht iſt aber auch die Zukunft, ſobald ſie gewiß
wird.
Drittens: So viel es alſo in unſern Umſtaͤn-
den Veraͤnderungen zum Beſſern oder zum
Schlechtern geben kann, große oder kleine: auf
ſo vielfache Weiſe koͤnnen wir intereſſirt werden.
In dem Laufe jedes Tages kommen auch dem ein-
gezogenſten, ruhigſten Menſchen tauſend kleine
angenehme Vorfaͤlle vor, deren Erwartung zu ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/322>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.