Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Anmerkungen über Gellerts Moral, auf seinen ganzen übrigen Charakter so viel Ein-fluß hatte, brachte auch diese vielleicht zu weit ge- triebne Behutsamkeit hervor. Seine sinnlichen Begierden waren von Natur Anmerkungen uͤber Gellerts Moral, auf ſeinen ganzen uͤbrigen Charakter ſo viel Ein-fluß hatte, brachte auch dieſe vielleicht zu weit ge- triebne Behutſamkeit hervor. Seine ſinnlichen Begierden waren von Natur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0252" n="246"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,</hi></fw><lb/> auf ſeinen ganzen uͤbrigen Charakter ſo viel Ein-<lb/> fluß hatte, brachte auch dieſe vielleicht zu weit ge-<lb/> triebne Behutſamkeit hervor.</p><lb/> <p>Seine ſinnlichen Begierden waren von Natur<lb/> maͤßig. Seine Krankheit hatte ihm eine ſtrenge<lb/> Enthaltſamkeit aufgelegt; und ſeine Gottesfurcht<lb/> machte ihn geneigt, lieber eine unnoͤthige Ver-<lb/> leugnung zu uͤbernehmen, als ſich der nothwen-<lb/> digen zu weigern. Er foderte zu den Bequem-<lb/> lichkeiten und zu den Zierrathen des Lebens nur<lb/> wenig. Und in der That iſt Eitelkeit gewiß die<lb/> Leidenſchaft, die ein großer Geiſt am erſten unter<lb/> die Fuͤße tritt. Denn es iſt unmoͤglich, daß die<lb/> Seele mit etwas Großem und Gutem ſich abge-<lb/> ben, oder daß ſie mit wichtigen Gedanken und<lb/> Abſichten erfuͤllt ſeyn kann, wenn ihr noch der<lb/> Unterſchied der Kleider und des Hausgeraͤthes<lb/> wichtig ſcheint. Bey Gellerten konnte nur die<lb/> Gewohnheit, nicht die ſinnliche Begierde, eine<lb/> Art neuer Beduͤrfniſſe erzeugen. Er verlangte<lb/> keine Sache praͤchtig oder ſehr bequem; aber er<lb/> verlangte ſie ſo, wie er ſie immer gehabt hatte.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [246/0252]
Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,
auf ſeinen ganzen uͤbrigen Charakter ſo viel Ein-
fluß hatte, brachte auch dieſe vielleicht zu weit ge-
triebne Behutſamkeit hervor.
Seine ſinnlichen Begierden waren von Natur
maͤßig. Seine Krankheit hatte ihm eine ſtrenge
Enthaltſamkeit aufgelegt; und ſeine Gottesfurcht
machte ihn geneigt, lieber eine unnoͤthige Ver-
leugnung zu uͤbernehmen, als ſich der nothwen-
digen zu weigern. Er foderte zu den Bequem-
lichkeiten und zu den Zierrathen des Lebens nur
wenig. Und in der That iſt Eitelkeit gewiß die
Leidenſchaft, die ein großer Geiſt am erſten unter
die Fuͤße tritt. Denn es iſt unmoͤglich, daß die
Seele mit etwas Großem und Gutem ſich abge-
ben, oder daß ſie mit wichtigen Gedanken und
Abſichten erfuͤllt ſeyn kann, wenn ihr noch der
Unterſchied der Kleider und des Hausgeraͤthes
wichtig ſcheint. Bey Gellerten konnte nur die
Gewohnheit, nicht die ſinnliche Begierde, eine
Art neuer Beduͤrfniſſe erzeugen. Er verlangte
keine Sache praͤchtig oder ſehr bequem; aber er
verlangte ſie ſo, wie er ſie immer gehabt hatte.
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