den muß, sich aus dem Niedrigen und dem Ge- meinen hervorzuarbeiten: dann wird, durch diese Verbindung seiner eignen Vortrefflichkeit mit den Mängeln seiner Lehrer und seiner Zeit, diejenige Leichtigkeit, Verständlichkeit, Simplicität hervor- gebracht, die Gellerts Werke fast von allen nach- solgenden unterscheiden.
Das einzige Hülfsmittel, von welchem wir deutlich sehen, daß die Vorsehung es gebraucht hat, die Anlagen, die in seinem Geiste waren, auszuführen, sind die Freunde, die sie ihm in Leipzig zuführte, und mit denen er zugleich Mann und Schriftsteller wurde. Es ist merkwürdig, daß fast unter allen Nationen sich die guten Köpfe in Einem Zeitpunkte zusammengefunden haben. Gel- lert wußte, was er diesen Freunden schuldig war. Er erinnerte sich mit Dankbarkeit und Vergnügen an die Strenge, mit der er von ihnen beurtheilt worden, an die Schüchternheit, mit welcher er ihnen seine Sachen vorgelegt, und an den kleinen Stolz, mit welchem ihr sparsames Lob ihn erfüllt hatte.
Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,
den muß, ſich aus dem Niedrigen und dem Ge- meinen hervorzuarbeiten: dann wird, durch dieſe Verbindung ſeiner eignen Vortrefflichkeit mit den Maͤngeln ſeiner Lehrer und ſeiner Zeit, diejenige Leichtigkeit, Verſtaͤndlichkeit, Simplicitaͤt hervor- gebracht, die Gellerts Werke faſt von allen nach- ſolgenden unterſcheiden.
Das einzige Huͤlfsmittel, von welchem wir deutlich ſehen, daß die Vorſehung es gebraucht hat, die Anlagen, die in ſeinem Geiſte waren, auszufuͤhren, ſind die Freunde, die ſie ihm in Leipzig zufuͤhrte, und mit denen er zugleich Mann und Schriftſteller wurde. Es iſt merkwuͤrdig, daß faſt unter allen Nationen ſich die guten Koͤpfe in Einem Zeitpunkte zuſammengefunden haben. Gel- lert wußte, was er dieſen Freunden ſchuldig war. Er erinnerte ſich mit Dankbarkeit und Vergnuͤgen an die Strenge, mit der er von ihnen beurtheilt worden, an die Schuͤchternheit, mit welcher er ihnen ſeine Sachen vorgelegt, und an den kleinen Stolz, mit welchem ihr ſparſames Lob ihn erfuͤllt hatte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0228"n="222"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,</hi></fw><lb/>
den muß, ſich aus dem Niedrigen und dem Ge-<lb/>
meinen hervorzuarbeiten: dann wird, durch dieſe<lb/>
Verbindung ſeiner eignen Vortrefflichkeit mit den<lb/>
Maͤngeln ſeiner Lehrer und ſeiner Zeit, diejenige<lb/>
Leichtigkeit, Verſtaͤndlichkeit, Simplicitaͤt hervor-<lb/>
gebracht, die Gellerts Werke faſt von allen nach-<lb/>ſolgenden unterſcheiden.</p><lb/><p>Das einzige Huͤlfsmittel, von welchem wir<lb/>
deutlich ſehen, daß die Vorſehung es gebraucht<lb/>
hat, die Anlagen, die in ſeinem Geiſte waren,<lb/>
auszufuͤhren, ſind die Freunde, die ſie ihm in<lb/>
Leipzig zufuͤhrte, und mit denen er zugleich Mann<lb/>
und Schriftſteller wurde. Es iſt merkwuͤrdig, daß<lb/>
faſt unter allen Nationen ſich die guten Koͤpfe in<lb/>
Einem Zeitpunkte zuſammengefunden haben. Gel-<lb/>
lert wußte, was er dieſen Freunden ſchuldig war.<lb/>
Er erinnerte ſich mit Dankbarkeit und Vergnuͤgen<lb/>
an die Strenge, mit der er von ihnen beurtheilt<lb/>
worden, an die Schuͤchternheit, mit welcher er<lb/>
ihnen ſeine Sachen vorgelegt, und an den kleinen<lb/>
Stolz, mit welchem ihr ſparſames Lob ihn erfuͤllt<lb/>
hatte.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[222/0228]
Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,
den muß, ſich aus dem Niedrigen und dem Ge-
meinen hervorzuarbeiten: dann wird, durch dieſe
Verbindung ſeiner eignen Vortrefflichkeit mit den
Maͤngeln ſeiner Lehrer und ſeiner Zeit, diejenige
Leichtigkeit, Verſtaͤndlichkeit, Simplicitaͤt hervor-
gebracht, die Gellerts Werke faſt von allen nach-
ſolgenden unterſcheiden.
Das einzige Huͤlfsmittel, von welchem wir
deutlich ſehen, daß die Vorſehung es gebraucht
hat, die Anlagen, die in ſeinem Geiſte waren,
auszufuͤhren, ſind die Freunde, die ſie ihm in
Leipzig zufuͤhrte, und mit denen er zugleich Mann
und Schriftſteller wurde. Es iſt merkwuͤrdig, daß
faſt unter allen Nationen ſich die guten Koͤpfe in
Einem Zeitpunkte zuſammengefunden haben. Gel-
lert wußte, was er dieſen Freunden ſchuldig war.
Er erinnerte ſich mit Dankbarkeit und Vergnuͤgen
an die Strenge, mit der er von ihnen beurtheilt
worden, an die Schuͤchternheit, mit welcher er
ihnen ſeine Sachen vorgelegt, und an den kleinen
Stolz, mit welchem ihr ſparſames Lob ihn erfuͤllt
hatte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/228>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.