Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.Anmerkungen über Gellerts Moral, thume verzögert wird; bey dem sich zeitig mit die-sen niederschlagenden Umständen, eine Schwach- heit des Körpers, und ein anhaltendes, wenn auch nicht heftiges, Leiden vereiniget: was kann man wohl natürlicherweise von diesem Jünglinge erwarten? Wenn er nur einen geringen Grad von Kraft und Thätigkeit unter diese Umstände gebracht hat, so wird diese wahrscheinlicherweise verlöschen oder geschwächt werden, und sich in den alltäglichen Beschäfftigungen eines Hand- werksgelehrten verzehren. Ist es aber ein Mensch von edlerer Natur, von höhern Gaben, von grös- serm Feuer, so wird zwar der Flug des Geistes ei- nigermaßen gehemmt, seine emporstrebende Kraft ein wenig zurückgehalten, vielleicht seine eigene Glückseligkeit mit seinem Stolze zugleich vermin- dert werden: aber es werden auch die Früchte dieses Geistes reifer und milder, seine Gaben mehr in den Schranken der Brauchbarkeit erhal- ten, sein Trieb zu Unternehmungen mehr zu einer stillen sanften Wohlthätigkeit herabgestimmt wer- den. Anmerkungen uͤber Gellerts Moral, thume verzoͤgert wird; bey dem ſich zeitig mit die-ſen niederſchlagenden Umſtaͤnden, eine Schwach- heit des Koͤrpers, und ein anhaltendes, wenn auch nicht heftiges, Leiden vereiniget: was kann man wohl natuͤrlicherweiſe von dieſem Juͤnglinge erwarten? Wenn er nur einen geringen Grad von Kraft und Thaͤtigkeit unter dieſe Umſtaͤnde gebracht hat, ſo wird dieſe wahrſcheinlicherweiſe verloͤſchen oder geſchwaͤcht werden, und ſich in den alltaͤglichen Beſchaͤfftigungen eines Hand- werksgelehrten verzehren. Iſt es aber ein Menſch von edlerer Natur, von hoͤhern Gaben, von groͤſ- ſerm Feuer, ſo wird zwar der Flug des Geiſtes ei- nigermaßen gehemmt, ſeine emporſtrebende Kraft ein wenig zuruͤckgehalten, vielleicht ſeine eigene Gluͤckſeligkeit mit ſeinem Stolze zugleich vermin- dert werden: aber es werden auch die Fruͤchte dieſes Geiſtes reifer und milder, ſeine Gaben mehr in den Schranken der Brauchbarkeit erhal- ten, ſein Trieb zu Unternehmungen mehr zu einer ſtillen ſanften Wohlthaͤtigkeit herabgeſtimmt wer- den. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0226" n="220"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,</hi></fw><lb/> thume verzoͤgert wird; bey dem ſich zeitig mit die-<lb/> ſen niederſchlagenden Umſtaͤnden, eine Schwach-<lb/> heit des Koͤrpers, und ein anhaltendes, wenn<lb/> auch nicht heftiges, Leiden vereiniget: was kann<lb/> man wohl natuͤrlicherweiſe von dieſem Juͤnglinge<lb/> erwarten? Wenn er nur einen geringen Grad<lb/> von Kraft und Thaͤtigkeit unter dieſe Umſtaͤnde<lb/> gebracht hat, ſo wird dieſe wahrſcheinlicherweiſe<lb/> verloͤſchen oder geſchwaͤcht werden, und ſich in<lb/> den alltaͤglichen Beſchaͤfftigungen eines Hand-<lb/> werksgelehrten verzehren. Iſt es aber ein Menſch<lb/> von edlerer Natur, von hoͤhern Gaben, von groͤſ-<lb/> ſerm Feuer, ſo wird zwar der Flug des Geiſtes ei-<lb/> nigermaßen gehemmt, ſeine emporſtrebende Kraft<lb/> ein wenig zuruͤckgehalten, vielleicht ſeine eigene<lb/> Gluͤckſeligkeit mit ſeinem Stolze zugleich vermin-<lb/> dert werden: aber es werden auch die Fruͤchte<lb/> dieſes Geiſtes reifer und milder, ſeine Gaben<lb/> mehr in den Schranken der Brauchbarkeit erhal-<lb/> ten, ſein Trieb zu Unternehmungen mehr zu einer<lb/> ſtillen ſanften Wohlthaͤtigkeit herabgeſtimmt wer-<lb/> den.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [220/0226]
Anmerkungen uͤber Gellerts Moral,
thume verzoͤgert wird; bey dem ſich zeitig mit die-
ſen niederſchlagenden Umſtaͤnden, eine Schwach-
heit des Koͤrpers, und ein anhaltendes, wenn
auch nicht heftiges, Leiden vereiniget: was kann
man wohl natuͤrlicherweiſe von dieſem Juͤnglinge
erwarten? Wenn er nur einen geringen Grad
von Kraft und Thaͤtigkeit unter dieſe Umſtaͤnde
gebracht hat, ſo wird dieſe wahrſcheinlicherweiſe
verloͤſchen oder geſchwaͤcht werden, und ſich in
den alltaͤglichen Beſchaͤfftigungen eines Hand-
werksgelehrten verzehren. Iſt es aber ein Menſch
von edlerer Natur, von hoͤhern Gaben, von groͤſ-
ſerm Feuer, ſo wird zwar der Flug des Geiſtes ei-
nigermaßen gehemmt, ſeine emporſtrebende Kraft
ein wenig zuruͤckgehalten, vielleicht ſeine eigene
Gluͤckſeligkeit mit ſeinem Stolze zugleich vermin-
dert werden: aber es werden auch die Fruͤchte
dieſes Geiſtes reifer und milder, ſeine Gaben
mehr in den Schranken der Brauchbarkeit erhal-
ten, ſein Trieb zu Unternehmungen mehr zu einer
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