den Verdacht eines übeln Geschmacks oder eines Mangels an Kenntniß zuzuziehen.
Was also von den Alten am meisten nachge- ahmt wurde, was sich bey ihnen auf etwas All- gemeines und Deutliches bringen, in Regeln ab- fassen, in ein System vereinigen ließ, das ist ihre Geschichte, ihre Maschinen, ihre Metaphern, der Gang ihrer Epopee, ihres Trauerspiels, ihrer Ode, ihre Erklärungen der natürlichen Phänomene, ihre politischen Gesinnungen (z. B. ihre ausschließende Hochachtung für die Tapferkeit und für die Ehre eines Kriegers), ihre Anzeichen und Prophezei- hungen, u. s. w. --
Im Einzelnen hingegen, in der Ausführung behalten die Werke der Neuern, so sehr sie sich auch mit dem Geiste der Alten mögen genährt haben, doch immer das Gepräge eines Jahrhunderts, das immer weniger und weniger sinnlich wird; dessen Imagination sich immer weiter von der bloßen Zusammensetzung von Bildern entfernet, und unter der Aufsicht der Philosophie nur an der Verschönerung allgemeiner Ideen arbeitet. Das
der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
den Verdacht eines uͤbeln Geſchmacks oder eines Mangels an Kenntniß zuzuziehen.
Was alſo von den Alten am meiſten nachge- ahmt wurde, was ſich bey ihnen auf etwas All- gemeines und Deutliches bringen, in Regeln ab- faſſen, in ein Syſtem vereinigen ließ, das iſt ihre Geſchichte, ihre Maſchinen, ihre Metaphern, der Gang ihrer Epopee, ihres Trauerſpiels, ihrer Ode, ihre Erklaͤrungen der natuͤrlichen Phaͤnomene, ihre politiſchen Geſinnungen (z. B. ihre ausſchließende Hochachtung fuͤr die Tapferkeit und fuͤr die Ehre eines Kriegers), ihre Anzeichen und Prophezei- hungen, u. ſ. w. —
Im Einzelnen hingegen, in der Ausfuͤhrung behalten die Werke der Neuern, ſo ſehr ſie ſich auch mit dem Geiſte der Alten moͤgen genaͤhrt haben, doch immer das Gepraͤge eines Jahrhunderts, das immer weniger und weniger ſinnlich wird; deſſen Imagination ſich immer weiter von der bloßen Zuſammenſetzung von Bildern entfernet, und unter der Aufſicht der Philoſophie nur an der Verſchoͤnerung allgemeiner Ideen arbeitet. Das
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der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
den Verdacht eines uͤbeln Geſchmacks oder eines
Mangels an Kenntniß zuzuziehen.
Was alſo von den Alten am meiſten nachge-
ahmt wurde, was ſich bey ihnen auf etwas All-
gemeines und Deutliches bringen, in Regeln ab-
faſſen, in ein Syſtem vereinigen ließ, das iſt ihre
Geſchichte, ihre Maſchinen, ihre Metaphern, der
Gang ihrer Epopee, ihres Trauerſpiels, ihrer Ode,
ihre Erklaͤrungen der natuͤrlichen Phaͤnomene, ihre
politiſchen Geſinnungen (z. B. ihre ausſchließende
Hochachtung fuͤr die Tapferkeit und fuͤr die Ehre
eines Kriegers), ihre Anzeichen und Prophezei-
hungen, u. ſ. w. —
Im Einzelnen hingegen, in der Ausfuͤhrung
behalten die Werke der Neuern, ſo ſehr ſie ſich auch
mit dem Geiſte der Alten moͤgen genaͤhrt haben,
doch immer das Gepraͤge eines Jahrhunderts,
das immer weniger und weniger ſinnlich wird;
deſſen Imagination ſich immer weiter von der
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und unter der Aufſicht der Philoſophie nur an der
Verſchoͤnerung allgemeiner Ideen arbeitet. Das
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/193>, abgerufen am 27.11.2024.
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