Ordnung, in welcher er sieht, ist verschieden; und seine neuen Erfahrungen finden also bey ihm eine andere Grundlage vorher eingesammleter Begriffe, als bey jedem andern. Er hat andere Veran- lassungen, sich an seine gemachten Erfahrungen zu erinnern. Also bleiben bey ihm gewisse Ideen haften, die den übrigen entwischen, weil gerade nur er den Anstoß gehabt hat, sie so oft, als nö- thig war, zu erneuern. Dafür werden andere ihm dunkel, auf die ihn seine Umstände nicht oft genug wieder zurückgeführt haben. Er hat andre Neigungen, und daher auch die andre Bedürfniß, die Sachen kennen zu lernen. Er hat endlich an- dere Beyspiele vor sich, und hat seine einzelnen Begriffe auf eine andre Art zusammengesezt. In allen denen Ideen, die der Geist aus solchen Ope- rationen selbst hervorbringt, die er aus seinen eignen Erfahrungen, durch seine eigne Art von Ab- straktion schöpft, muß jeder Mensch etwas Eigen- thümliches, oder mit einem andern Worte etwas Originelles haben. Wir geben aber den Gedan- ken desselben diesen Namen nur alsdann, wenn
Verſchiedenheiten in den Werken
Ordnung, in welcher er ſieht, iſt verſchieden; und ſeine neuen Erfahrungen finden alſo bey ihm eine andere Grundlage vorher eingeſammleter Begriffe, als bey jedem andern. Er hat andere Veran- laſſungen, ſich an ſeine gemachten Erfahrungen zu erinnern. Alſo bleiben bey ihm gewiſſe Ideen haften, die den uͤbrigen entwiſchen, weil gerade nur er den Anſtoß gehabt hat, ſie ſo oft, als noͤ- thig war, zu erneuern. Dafuͤr werden andere ihm dunkel, auf die ihn ſeine Umſtaͤnde nicht oft genug wieder zuruͤckgefuͤhrt haben. Er hat andre Neigungen, und daher auch die andre Beduͤrfniß, die Sachen kennen zu lernen. Er hat endlich an- dere Beyſpiele vor ſich, und hat ſeine einzelnen Begriffe auf eine andre Art zuſammengeſezt. In allen denen Ideen, die der Geiſt aus ſolchen Ope- rationen ſelbſt hervorbringt, die er aus ſeinen eignen Erfahrungen, durch ſeine eigne Art von Ab- ſtraktion ſchoͤpft, muß jeder Menſch etwas Eigen- thuͤmliches, oder mit einem andern Worte etwas Originelles haben. Wir geben aber den Gedan- ken deſſelben dieſen Namen nur alsdann, wenn
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Verſchiedenheiten in den Werken
Ordnung, in welcher er ſieht, iſt verſchieden; und
ſeine neuen Erfahrungen finden alſo bey ihm eine
andere Grundlage vorher eingeſammleter Begriffe,
als bey jedem andern. Er hat andere Veran-
laſſungen, ſich an ſeine gemachten Erfahrungen
zu erinnern. Alſo bleiben bey ihm gewiſſe Ideen
haften, die den uͤbrigen entwiſchen, weil gerade
nur er den Anſtoß gehabt hat, ſie ſo oft, als noͤ-
thig war, zu erneuern. Dafuͤr werden andere
ihm dunkel, auf die ihn ſeine Umſtaͤnde nicht oft
genug wieder zuruͤckgefuͤhrt haben. Er hat andre
Neigungen, und daher auch die andre Beduͤrfniß,
die Sachen kennen zu lernen. Er hat endlich an-
dere Beyſpiele vor ſich, und hat ſeine einzelnen
Begriffe auf eine andre Art zuſammengeſezt. In
allen denen Ideen, die der Geiſt aus ſolchen Ope-
rationen ſelbſt hervorbringt, die er aus ſeinen
eignen Erfahrungen, durch ſeine eigne Art von Ab-
ſtraktion ſchoͤpft, muß jeder Menſch etwas Eigen-
thuͤmliches, oder mit einem andern Worte etwas
Originelles haben. Wir geben aber den Gedan-
ken deſſelben dieſen Namen nur alsdann, wenn
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/158>, abgerufen am 16.02.2025.
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