kennen. -- Wörter haben wir also wohl für alle diese Dinge, aber nur nicht bekannte, nicht edle Wörter.
Liest man den Homer da, wo er Gegenstände fürs Gesicht und besonders Bewegungen vor- schreibt, so wird man gewahr, daß er für jede kleine Abänderung in der Gestalt der Sache ein besondres Wort hat, für die wir nur ein gemein- schaftliches, oder Umschreibungen haben. Er kann den Verfolg einer sinnlichen Veränderung, die Abwechselung, die die Bewegung der Körper in ihrem Anblicke hervorbringt, in ihrer vollstän- digen Folge auf einander vorstellen. -- Wären uns eben die Sachen zu beschreiben gegeben wor- den, so würde uns unsre itzige Denkungsart und das Naturell unsrer Sprache darauf geführt ha- ben, nur einen einzigen Umstand, den wir für den hauptsächlichsten gehalten hätten, herauszuheben. Wir hätten der Einbildungskraft unsrer Leser nur auf die Spur helfen können. Homer zeichnet ihr die Sache vollständig vor.
der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
kennen. — Woͤrter haben wir alſo wohl fuͤr alle dieſe Dinge, aber nur nicht bekannte, nicht edle Woͤrter.
Lieſt man den Homer da, wo er Gegenſtaͤnde fuͤrs Geſicht und beſonders Bewegungen vor- ſchreibt, ſo wird man gewahr, daß er fuͤr jede kleine Abaͤnderung in der Geſtalt der Sache ein beſondres Wort hat, fuͤr die wir nur ein gemein- ſchaftliches, oder Umſchreibungen haben. Er kann den Verfolg einer ſinnlichen Veraͤnderung, die Abwechſelung, die die Bewegung der Koͤrper in ihrem Anblicke hervorbringt, in ihrer vollſtaͤn- digen Folge auf einander vorſtellen. — Waͤren uns eben die Sachen zu beſchreiben gegeben wor- den, ſo wuͤrde uns unſre itzige Denkungsart und das Naturell unſrer Sprache darauf gefuͤhrt ha- ben, nur einen einzigen Umſtand, den wir fuͤr den hauptſaͤchlichſten gehalten haͤtten, herauszuheben. Wir haͤtten der Einbildungskraft unſrer Leſer nur auf die Spur helfen koͤnnen. Homer zeichnet ihr die Sache vollſtaͤndig vor.
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der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
kennen. — Woͤrter haben wir alſo wohl fuͤr alle
dieſe Dinge, aber nur nicht bekannte, nicht edle
Woͤrter.
Lieſt man den Homer da, wo er Gegenſtaͤnde
fuͤrs Geſicht und beſonders Bewegungen vor-
ſchreibt, ſo wird man gewahr, daß er fuͤr jede
kleine Abaͤnderung in der Geſtalt der Sache ein
beſondres Wort hat, fuͤr die wir nur ein gemein-
ſchaftliches, oder Umſchreibungen haben. Er
kann den Verfolg einer ſinnlichen Veraͤnderung,
die Abwechſelung, die die Bewegung der Koͤrper
in ihrem Anblicke hervorbringt, in ihrer vollſtaͤn-
digen Folge auf einander vorſtellen. — Waͤren
uns eben die Sachen zu beſchreiben gegeben wor-
den, ſo wuͤrde uns unſre itzige Denkungsart und
das Naturell unſrer Sprache darauf gefuͤhrt ha-
ben, nur einen einzigen Umſtand, den wir fuͤr den
hauptſaͤchlichſten gehalten haͤtten, herauszuheben.
Wir haͤtten der Einbildungskraft unſrer Leſer nur
auf die Spur helfen koͤnnen. Homer zeichnet ihr
die Sache vollſtaͤndig vor.
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Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/garve_sammlung_1779/147>, abgerufen am 23.11.2024.
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