Garve, Christian: Sammlung einiger Abhandlungen. Leipzig, 1779.der ältesten und neuern Schriftsteller. Offenherzigkeit und Vertraulichkeit, die uns alleindie Kenntniß fremder Herzen gewähren, und uns in dem Umgange mit ihnen eine Quelle zu Beob- achtungen eröffnen kann. In den alten Zeiten waren fast alle Glieder einer Stadt, einer Repu- blik einander bekannt. Die Staaten waren klei- ner. Ihre Bürger hatten alle ein gewisses gemein- schaftliches Interesse; Geschäfte, die sie oft zu- sammenbrachten; öffentliche Zusammenkünfte, wo sie sich durchaus kennen lernten; Feyerlichkeiten, an denen sie alle Theil nahmen. Die Rechte der verschiedenen Stände äußerten sich weniger durch eine gegenseitige Entfernung von einander in dem gesellschaftlichen Leben, als in einer Unterord- nung bey der Ausführung offentlicher Geschäfte. Das Befehlen und Gehorchen war bey denen Ge- legenheiten, wo es eigentlich darauf ankam, die Pflichten seines Standes zu erfüllen, sehr strenge. Aber sobald diese Gelegenheiten vorüber waren, so stellte sich eine Art von Gleichheit wieder her. Einen weit größern Unterschied unter den Men- schen macht der Reichthum, als der Rang; und der aͤlteſten und neuern Schriftſteller. Offenherzigkeit und Vertraulichkeit, die uns alleindie Kenntniß fremder Herzen gewaͤhren, und uns in dem Umgange mit ihnen eine Quelle zu Beob- achtungen eroͤffnen kann. In den alten Zeiten waren faſt alle Glieder einer Stadt, einer Repu- blik einander bekannt. Die Staaten waren klei- ner. Ihre Buͤrger hatten alle ein gewiſſes gemein- ſchaftliches Intereſſe; Geſchaͤfte, die ſie oft zu- ſammenbrachten; oͤffentliche Zuſammenkuͤnfte, wo ſie ſich durchaus kennen lernten; Feyerlichkeiten, an denen ſie alle Theil nahmen. Die Rechte der verſchiedenen Staͤnde aͤußerten ſich weniger durch eine gegenſeitige Entfernung von einander in dem geſellſchaftlichen Leben, als in einer Unterord- nung bey der Ausfuͤhrung offentlicher Geſchaͤfte. Das Befehlen und Gehorchen war bey denen Ge- legenheiten, wo es eigentlich darauf ankam, die Pflichten ſeines Standes zu erfuͤllen, ſehr ſtrenge. Aber ſobald dieſe Gelegenheiten voruͤber waren, ſo ſtellte ſich eine Art von Gleichheit wieder her. Einen weit groͤßern Unterſchied unter den Men- ſchen macht der Reichthum, als der Rang; und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0131" n="125"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.</hi></fw><lb/> Offenherzigkeit und Vertraulichkeit, die uns allein<lb/> die Kenntniß fremder Herzen gewaͤhren, und uns<lb/> in dem Umgange mit ihnen eine Quelle zu Beob-<lb/> achtungen eroͤffnen kann. In den alten Zeiten<lb/> waren faſt alle Glieder einer Stadt, einer Repu-<lb/> blik einander bekannt. Die Staaten waren klei-<lb/> ner. Ihre Buͤrger hatten alle ein gewiſſes gemein-<lb/> ſchaftliches Intereſſe; Geſchaͤfte, die ſie oft zu-<lb/> ſammenbrachten; oͤffentliche Zuſammenkuͤnfte, wo<lb/> ſie ſich durchaus kennen lernten; Feyerlichkeiten,<lb/> an denen ſie alle Theil nahmen. Die Rechte der<lb/> verſchiedenen Staͤnde aͤußerten ſich weniger durch<lb/> eine gegenſeitige Entfernung von einander in dem<lb/> geſellſchaftlichen Leben, als in einer Unterord-<lb/> nung bey der Ausfuͤhrung offentlicher Geſchaͤfte.<lb/> Das Befehlen und Gehorchen war bey denen Ge-<lb/> legenheiten, wo es eigentlich darauf ankam, die<lb/> Pflichten ſeines Standes zu erfuͤllen, ſehr ſtrenge.<lb/> Aber ſobald dieſe Gelegenheiten voruͤber waren,<lb/> ſo ſtellte ſich eine Art von Gleichheit wieder her.<lb/> Einen weit groͤßern Unterſchied unter den Men-<lb/> ſchen macht der Reichthum, als der Rang; und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [125/0131]
der aͤlteſten und neuern Schriftſteller.
Offenherzigkeit und Vertraulichkeit, die uns allein
die Kenntniß fremder Herzen gewaͤhren, und uns
in dem Umgange mit ihnen eine Quelle zu Beob-
achtungen eroͤffnen kann. In den alten Zeiten
waren faſt alle Glieder einer Stadt, einer Repu-
blik einander bekannt. Die Staaten waren klei-
ner. Ihre Buͤrger hatten alle ein gewiſſes gemein-
ſchaftliches Intereſſe; Geſchaͤfte, die ſie oft zu-
ſammenbrachten; oͤffentliche Zuſammenkuͤnfte, wo
ſie ſich durchaus kennen lernten; Feyerlichkeiten,
an denen ſie alle Theil nahmen. Die Rechte der
verſchiedenen Staͤnde aͤußerten ſich weniger durch
eine gegenſeitige Entfernung von einander in dem
geſellſchaftlichen Leben, als in einer Unterord-
nung bey der Ausfuͤhrung offentlicher Geſchaͤfte.
Das Befehlen und Gehorchen war bey denen Ge-
legenheiten, wo es eigentlich darauf ankam, die
Pflichten ſeines Standes zu erfuͤllen, ſehr ſtrenge.
Aber ſobald dieſe Gelegenheiten voruͤber waren,
ſo ſtellte ſich eine Art von Gleichheit wieder her.
Einen weit groͤßern Unterſchied unter den Men-
ſchen macht der Reichthum, als der Rang; und
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