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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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Gewinnung. Die Bastfaser wird nach dem Spalten der Stengel
mit der Hand abgezogen. Diese Handhabung ist zwar zeitraubend und nicht
billig, dafür erhält man aber auch eine Faser von großer Festigkeit, welche
durch das widersinnige Rösten nicht erst morsch gemacht und obenein völlig
unverholzt ist. -- Sansone verarbeitet die Rohfaser, indem er dieselbe
durch mehrmaliges abwechselndes Kochen in verdünnter Natronlauge und Ein-
tauchen in Natriumbisulfitlösung reinigt und dann mit Natriumhyposulfit
bleicht.

Eigenschaften. Die so gewonnene Rohfaser ist fast immer gelb-
braun, gelb bis gelbgrün, glänzend, biegsam, außerordentlich zäh und fest.
Aus diesem Baste wird durch ein außerordentlich kompliziertes Verfahren,
welches zum Teil eine mechani-
sche Zerteilung der Bastbündel
in die einzelnen Fasern und die
Zerstörung des natürlich anhaf-
tenden Farbstoffes bezweckt, das
kotonisierte Chinagras ge-
wonnen, welches eine Gespinnst-
faser von etwa 6 cm Länge (sel-
ten darüber), von außerordent-
licher Stärke, Festigkeit und Fein-
heit, von rein weißer Farbe,
großer Biegsamkeit und starkem
Seidenglanz vorstellt. Die Fa-
sern haben eine Länge von 20 cm
und eine Breite von durchschnitt-

[Abbildung] Fig. 13.

Chinagras.

lich 0,03 bis 0,04 mm; die Enden sind meist dick abgerundet; das Lumen ist
wechselnd und beträgt oft bis zu 4/5 des Zelldurchmessers. Das kotonisierte
Chinagras zeigt (infolge der mechanischen Behandlung) Falten in den Wän-
den, Knickungen, Quetschungen und Risse. (Fig. 13.)

Chemische Zusammensetzung. Das Chinagras, insbesondere das
kotonisierte, als nicht verholzte Pflanzenfaser repräsentiert eine fast reine
Cellulose. Es reiht sich daher der Baumwolle und der Leinenfaser an; der
Wassergehalt des lufttrockenen kotonisierten Chinagrases beträgt 6,5 Prozent,
der des mit Wasserdampf gesättigten 18,5 Prozent, die Asche 1,91 Pro-
zent (Bolley).

Chemisches Verhalten. Anilinsulfat einerseits, sowie Phloroglucin
und Salzsäure andererseits, geben keine Färbung, ein Beweis, daß die Faser
absolut nicht verholzt ist. In konzentrierter Schwefelsäure quillt Chinagras
langsam auf, mit Jodlösung versetzt, erscheint das Lumen gelbgrün, während
die blaugefärbte Cellulose dasselbe als spiralig gewundener Wulst umgibt
(Fig. 12 bei C). -- Gegen verdünnte und konzentrierte Säuren, gegen Aetz-
alkalien, Lösungen der Alkalicarbonate und Seifen, gegen Chlor und Lösungen
unterchlorigsaurer Salze verhält sich das Chinagras ganz ebenso wie Baum-
wolle und Leinen. Kupferoxydammoniak bewirkt unter Bläuung starke Auf-
quellung, doch keine Lösung. Jod allein färbt die Faser gelb, den Inhalt
goldbraun.

Gewinnung. Die Baſtfaſer wird nach dem Spalten der Stengel
mit der Hand abgezogen. Dieſe Handhabung iſt zwar zeitraubend und nicht
billig, dafür erhält man aber auch eine Faſer von großer Feſtigkeit, welche
durch das widerſinnige Röſten nicht erſt morſch gemacht und obenein völlig
unverholzt iſt. — Sanſone verarbeitet die Rohfaſer, indem er dieſelbe
durch mehrmaliges abwechſelndes Kochen in verdünnter Natronlauge und Ein-
tauchen in Natriumbiſulfitlöſung reinigt und dann mit Natriumhypoſulfit
bleicht.

Eigenſchaften. Die ſo gewonnene Rohfaſer iſt faſt immer gelb-
braun, gelb bis gelbgrün, glänzend, biegſam, außerordentlich zäh und feſt.
Aus dieſem Baſte wird durch ein außerordentlich kompliziertes Verfahren,
welches zum Teil eine mechani-
ſche Zerteilung der Baſtbündel
in die einzelnen Faſern und die
Zerſtörung des natürlich anhaf-
tenden Farbſtoffes bezweckt, das
kotoniſierte Chinagras ge-
wonnen, welches eine Geſpinnſt-
faſer von etwa 6 cm Länge (ſel-
ten darüber), von außerordent-
licher Stärke, Feſtigkeit und Fein-
heit, von rein weißer Farbe,
großer Biegſamkeit und ſtarkem
Seidenglanz vorſtellt. Die Fa-
ſern haben eine Länge von 20 cm
und eine Breite von durchſchnitt-

[Abbildung] Fig. 13.

Chinagras.

lich 0,03 bis 0,04 mm; die Enden ſind meiſt dick abgerundet; das Lumen iſt
wechſelnd und beträgt oft bis zu ⅘ des Zelldurchmeſſers. Das kotoniſierte
Chinagras zeigt (infolge der mechaniſchen Behandlung) Falten in den Wän-
den, Knickungen, Quetſchungen und Riſſe. (Fig. 13.)

Chemiſche Zuſammenſetzung. Das Chinagras, insbeſondere das
kotoniſierte, als nicht verholzte Pflanzenfaſer repräſentiert eine faſt reine
Celluloſe. Es reiht ſich daher der Baumwolle und der Leinenfaſer an; der
Waſſergehalt des lufttrockenen kotoniſierten Chinagraſes beträgt 6,5 Prozent,
der des mit Waſſerdampf geſättigten 18,5 Prozent, die Aſche 1,91 Pro-
zent (Bolley).

Chemiſches Verhalten. Anilinſulfat einerſeits, ſowie Phloroglucin
und Salzſäure andererſeits, geben keine Färbung, ein Beweis, daß die Faſer
abſolut nicht verholzt iſt. In konzentrierter Schwefelſäure quillt Chinagras
langſam auf, mit Jodlöſung verſetzt, erſcheint das Lumen gelbgrün, während
die blaugefärbte Celluloſe dasſelbe als ſpiralig gewundener Wulſt umgibt
(Fig. 12 bei C). — Gegen verdünnte und konzentrierte Säuren, gegen Aetz-
alkalien, Löſungen der Alkalicarbonate und Seifen, gegen Chlor und Löſungen
unterchlorigſaurer Salze verhält ſich das Chinagras ganz ebenſo wie Baum-
wolle und Leinen. Kupferoxydammoniak bewirkt unter Bläuung ſtarke Auf-
quellung, doch keine Löſung. Jod allein färbt die Faſer gelb, den Inhalt
goldbraun.

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[73/0099] Gewinnung. Die Baſtfaſer wird nach dem Spalten der Stengel mit der Hand abgezogen. Dieſe Handhabung iſt zwar zeitraubend und nicht billig, dafür erhält man aber auch eine Faſer von großer Feſtigkeit, welche durch das widerſinnige Röſten nicht erſt morſch gemacht und obenein völlig unverholzt iſt. — Sanſone verarbeitet die Rohfaſer, indem er dieſelbe durch mehrmaliges abwechſelndes Kochen in verdünnter Natronlauge und Ein- tauchen in Natriumbiſulfitlöſung reinigt und dann mit Natriumhypoſulfit bleicht. Eigenſchaften. Die ſo gewonnene Rohfaſer iſt faſt immer gelb- braun, gelb bis gelbgrün, glänzend, biegſam, außerordentlich zäh und feſt. Aus dieſem Baſte wird durch ein außerordentlich kompliziertes Verfahren, welches zum Teil eine mechani- ſche Zerteilung der Baſtbündel in die einzelnen Faſern und die Zerſtörung des natürlich anhaf- tenden Farbſtoffes bezweckt, das kotoniſierte Chinagras ge- wonnen, welches eine Geſpinnſt- faſer von etwa 6 cm Länge (ſel- ten darüber), von außerordent- licher Stärke, Feſtigkeit und Fein- heit, von rein weißer Farbe, großer Biegſamkeit und ſtarkem Seidenglanz vorſtellt. Die Fa- ſern haben eine Länge von 20 cm und eine Breite von durchſchnitt- [Abbildung Fig. 13. Chinagras.] lich 0,03 bis 0,04 mm; die Enden ſind meiſt dick abgerundet; das Lumen iſt wechſelnd und beträgt oft bis zu ⅘ des Zelldurchmeſſers. Das kotoniſierte Chinagras zeigt (infolge der mechaniſchen Behandlung) Falten in den Wän- den, Knickungen, Quetſchungen und Riſſe. (Fig. 13.) Chemiſche Zuſammenſetzung. Das Chinagras, insbeſondere das kotoniſierte, als nicht verholzte Pflanzenfaſer repräſentiert eine faſt reine Celluloſe. Es reiht ſich daher der Baumwolle und der Leinenfaſer an; der Waſſergehalt des lufttrockenen kotoniſierten Chinagraſes beträgt 6,5 Prozent, der des mit Waſſerdampf geſättigten 18,5 Prozent, die Aſche 1,91 Pro- zent (Bolley). Chemiſches Verhalten. Anilinſulfat einerſeits, ſowie Phloroglucin und Salzſäure andererſeits, geben keine Färbung, ein Beweis, daß die Faſer abſolut nicht verholzt iſt. In konzentrierter Schwefelſäure quillt Chinagras langſam auf, mit Jodlöſung verſetzt, erſcheint das Lumen gelbgrün, während die blaugefärbte Celluloſe dasſelbe als ſpiralig gewundener Wulſt umgibt (Fig. 12 bei C). — Gegen verdünnte und konzentrierte Säuren, gegen Aetz- alkalien, Löſungen der Alkalicarbonate und Seifen, gegen Chlor und Löſungen unterchlorigſaurer Salze verhält ſich das Chinagras ganz ebenſo wie Baum- wolle und Leinen. Kupferoxydammoniak bewirkt unter Bläuung ſtarke Auf- quellung, doch keine Löſung. Jod allein färbt die Faſer gelb, den Inhalt goldbraun.

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/99>, abgerufen am 21.11.2024.