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Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889.

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Gewinnung. Die erste Arbeit, um die Rohwolle einer marktwürdi-
gen Ware näher zu bringen, ist die mechanische Entfernung des
Schmutzes
. Diese geht der eigentlichen Schur voraus, und besteht in der
Pelzwäsche, einer mechanischen Waschung des Tieres mit kaltem Wasser
vor der Schur. Bisweilen unterbleibt die Pelzwäsche ganz. Ein völliges
Befreien von den erdigen Bestandteilen wird dadurch nicht erreicht; die Wolle
hält mechanisch noch etwa 1 bis 1,5 Prozent Mineralbestandteile fest. Durch
die Pelzwäsche wird aber auch zugleich ein Teil des Wollschweißes entfernt
und zwar löst sich nicht nur der seifenartige Bestandteil -- je nach seiner
Löslichkeit mehr oder weniger, oft selbst bis zur Hälfte -- und das Kalium-
carbonat, sondern letzteres wirkt sogar wieder lösend oder wenigstens emul-
gierend auf einen Teil des Wollfettes. Durch die Pelzwäsche verliert die
Wolle von 20 bis zu 70 Prozent ihres Gewichtes. -- Da durch die Wäsche
beim lebenden Tier ein reines Weiß nicht zu erzielen ist, so ist neuerdings *)
vorgeschlagen worden, die Wolle im zusammenhängenden abgeschorenen Vließ
zu waschen, wodurch eine vernunftgemäßere und sorgfältigere Wollsortierung
ermöglicht werden würde, und der Stapel des teuren Wollmaterials beim
Waschen mehr geschont werden könnte, als in der losen Flocke. Dieser
Gedanke hat seine offenbare Berechtigung, ist aber in der Praxis bisher
noch nicht zur Ausführung gelangt. Neuestens (Mai 1888) schreibt das
"Deutsche Wollengewerbe" hierüber: In England kommt man zu der Ueber-
zeugung, daß es rationeller ist, die Wolle erst nach der Schur zu reinigen.
Abgesehen von den Kosten für das Waschen der Schafe, welche von Anfang
bis Ende Mai für England auf 2 Millionen Mark geschätzt werden, hält
sich die Wolle ungewaschen nicht nur besser in ihrem natürlichen Fette, son-
dern sie kämmt und verarbeitet sich auch leichter und liefert eine bessere
Ware. Da die Wolle auch bei späterer Wäsche einen reichlichen Fettgehalt
im Wasser zurückläßt, so sollte aus ökonomischen Rücksichten die alte Methode
der Pelzwäsche überall ausgerottet werden.

Nun folgt als zweite Arbeit die Gewinnung der Wolle durch Scheeren.
Das Produkt dieser Operation, die Schurwolle oder Mutterwolle, be-
steht aus aneinander hängenden Wollfasern und heißt das Vließ. Haupt-
bedingung ist dabei, daß die Schur am lebenden Tier vollzogen wird
und nicht vom Fell eines toten Tieres kommt. Wolle, welche von der Haut
eines toten Tieres geschoren wird, sogen. Sterblingswolle, ist, wenn die
Enthaarung durch Kalk geschieht, von geringerer Güte, soll aber, wenn durch
Schneiden vom Fell entfernt, der Schurwolle gleichwertig sein. Die durch
die Schur gewonnene Rohwolle stellt, je nach ihrer Abstammung, mehr oder
minder gekräuselte oder verfilzte Wollflocken von (im gestreckten Zustande)
verschiedener Länge vor, von denen die längeren Wollfasern von 18 bis
23 cm (Wollsorten von langem Stapel) zum Kämmen bestimmt sind und
Kammwolle heißen, während die kürzeren Wollfasern von 2,5 bis 4 cm
(Wollsorten von kurzem Stapel) zum Spinnen bestimmt sind und als Tuch-
wolle
bezeichnet werden. Die dazwischen befindlichen Wollsorten von mittle-
rem Stapel (5 bis 22 cm) dienen teils zum Kämmen, teils zum Spinnen
und bilden die Stoffwolle.

*) Deutsches Wollengewerbe 1887, Nr. 15.

Gewinnung. Die erſte Arbeit, um die Rohwolle einer marktwürdi-
gen Ware näher zu bringen, iſt die mechaniſche Entfernung des
Schmutzes
. Dieſe geht der eigentlichen Schur voraus, und beſteht in der
Pelzwäſche, einer mechaniſchen Waſchung des Tieres mit kaltem Waſſer
vor der Schur. Bisweilen unterbleibt die Pelzwäſche ganz. Ein völliges
Befreien von den erdigen Beſtandteilen wird dadurch nicht erreicht; die Wolle
hält mechaniſch noch etwa 1 bis 1,5 Prozent Mineralbeſtandteile feſt. Durch
die Pelzwäſche wird aber auch zugleich ein Teil des Wollſchweißes entfernt
und zwar löſt ſich nicht nur der ſeifenartige Beſtandteil — je nach ſeiner
Löslichkeit mehr oder weniger, oft ſelbſt bis zur Hälfte — und das Kalium-
carbonat, ſondern letzteres wirkt ſogar wieder löſend oder wenigſtens emul-
gierend auf einen Teil des Wollfettes. Durch die Pelzwäſche verliert die
Wolle von 20 bis zu 70 Prozent ihres Gewichtes. — Da durch die Wäſche
beim lebenden Tier ein reines Weiß nicht zu erzielen iſt, ſo iſt neuerdings *)
vorgeſchlagen worden, die Wolle im zuſammenhängenden abgeſchorenen Vließ
zu waſchen, wodurch eine vernunftgemäßere und ſorgfältigere Wollſortierung
ermöglicht werden würde, und der Stapel des teuren Wollmaterials beim
Waſchen mehr geſchont werden könnte, als in der loſen Flocke. Dieſer
Gedanke hat ſeine offenbare Berechtigung, iſt aber in der Praxis bisher
noch nicht zur Ausführung gelangt. Neueſtens (Mai 1888) ſchreibt das
„Deutſche Wollengewerbe“ hierüber: In England kommt man zu der Ueber-
zeugung, daß es rationeller iſt, die Wolle erſt nach der Schur zu reinigen.
Abgeſehen von den Koſten für das Waſchen der Schafe, welche von Anfang
bis Ende Mai für England auf 2 Millionen Mark geſchätzt werden, hält
ſich die Wolle ungewaſchen nicht nur beſſer in ihrem natürlichen Fette, ſon-
dern ſie kämmt und verarbeitet ſich auch leichter und liefert eine beſſere
Ware. Da die Wolle auch bei ſpäterer Wäſche einen reichlichen Fettgehalt
im Waſſer zurückläßt, ſo ſollte aus ökonomiſchen Rückſichten die alte Methode
der Pelzwäſche überall ausgerottet werden.

Nun folgt als zweite Arbeit die Gewinnung der Wolle durch Scheeren.
Das Produkt dieſer Operation, die Schurwolle oder Mutterwolle, be-
ſteht aus aneinander hängenden Wollfaſern und heißt das Vließ. Haupt-
bedingung iſt dabei, daß die Schur am lebenden Tier vollzogen wird
und nicht vom Fell eines toten Tieres kommt. Wolle, welche von der Haut
eines toten Tieres geſchoren wird, ſogen. Sterblingswolle, iſt, wenn die
Enthaarung durch Kalk geſchieht, von geringerer Güte, ſoll aber, wenn durch
Schneiden vom Fell entfernt, der Schurwolle gleichwertig ſein. Die durch
die Schur gewonnene Rohwolle ſtellt, je nach ihrer Abſtammung, mehr oder
minder gekräuſelte oder verfilzte Wollflocken von (im geſtreckten Zuſtande)
verſchiedener Länge vor, von denen die längeren Wollfaſern von 18 bis
23 cm (Wollſorten von langem Stapel) zum Kämmen beſtimmt ſind und
Kammwolle heißen, während die kürzeren Wollfaſern von 2,5 bis 4 cm
(Wollſorten von kurzem Stapel) zum Spinnen beſtimmt ſind und als Tuch-
wolle
bezeichnet werden. Die dazwiſchen befindlichen Wollſorten von mittle-
rem Stapel (5 bis 22 cm) dienen teils zum Kämmen, teils zum Spinnen
und bilden die Stoffwolle.

*) Deutſches Wollengewerbe 1887, Nr. 15.
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[16/0042] Gewinnung. Die erſte Arbeit, um die Rohwolle einer marktwürdi- gen Ware näher zu bringen, iſt die mechaniſche Entfernung des Schmutzes. Dieſe geht der eigentlichen Schur voraus, und beſteht in der Pelzwäſche, einer mechaniſchen Waſchung des Tieres mit kaltem Waſſer vor der Schur. Bisweilen unterbleibt die Pelzwäſche ganz. Ein völliges Befreien von den erdigen Beſtandteilen wird dadurch nicht erreicht; die Wolle hält mechaniſch noch etwa 1 bis 1,5 Prozent Mineralbeſtandteile feſt. Durch die Pelzwäſche wird aber auch zugleich ein Teil des Wollſchweißes entfernt und zwar löſt ſich nicht nur der ſeifenartige Beſtandteil — je nach ſeiner Löslichkeit mehr oder weniger, oft ſelbſt bis zur Hälfte — und das Kalium- carbonat, ſondern letzteres wirkt ſogar wieder löſend oder wenigſtens emul- gierend auf einen Teil des Wollfettes. Durch die Pelzwäſche verliert die Wolle von 20 bis zu 70 Prozent ihres Gewichtes. — Da durch die Wäſche beim lebenden Tier ein reines Weiß nicht zu erzielen iſt, ſo iſt neuerdings *) vorgeſchlagen worden, die Wolle im zuſammenhängenden abgeſchorenen Vließ zu waſchen, wodurch eine vernunftgemäßere und ſorgfältigere Wollſortierung ermöglicht werden würde, und der Stapel des teuren Wollmaterials beim Waſchen mehr geſchont werden könnte, als in der loſen Flocke. Dieſer Gedanke hat ſeine offenbare Berechtigung, iſt aber in der Praxis bisher noch nicht zur Ausführung gelangt. Neueſtens (Mai 1888) ſchreibt das „Deutſche Wollengewerbe“ hierüber: In England kommt man zu der Ueber- zeugung, daß es rationeller iſt, die Wolle erſt nach der Schur zu reinigen. Abgeſehen von den Koſten für das Waſchen der Schafe, welche von Anfang bis Ende Mai für England auf 2 Millionen Mark geſchätzt werden, hält ſich die Wolle ungewaſchen nicht nur beſſer in ihrem natürlichen Fette, ſon- dern ſie kämmt und verarbeitet ſich auch leichter und liefert eine beſſere Ware. Da die Wolle auch bei ſpäterer Wäſche einen reichlichen Fettgehalt im Waſſer zurückläßt, ſo ſollte aus ökonomiſchen Rückſichten die alte Methode der Pelzwäſche überall ausgerottet werden. Nun folgt als zweite Arbeit die Gewinnung der Wolle durch Scheeren. Das Produkt dieſer Operation, die Schurwolle oder Mutterwolle, be- ſteht aus aneinander hängenden Wollfaſern und heißt das Vließ. Haupt- bedingung iſt dabei, daß die Schur am lebenden Tier vollzogen wird und nicht vom Fell eines toten Tieres kommt. Wolle, welche von der Haut eines toten Tieres geſchoren wird, ſogen. Sterblingswolle, iſt, wenn die Enthaarung durch Kalk geſchieht, von geringerer Güte, ſoll aber, wenn durch Schneiden vom Fell entfernt, der Schurwolle gleichwertig ſein. Die durch die Schur gewonnene Rohwolle ſtellt, je nach ihrer Abſtammung, mehr oder minder gekräuſelte oder verfilzte Wollflocken von (im geſtreckten Zuſtande) verſchiedener Länge vor, von denen die längeren Wollfaſern von 18 bis 23 cm (Wollſorten von langem Stapel) zum Kämmen beſtimmt ſind und Kammwolle heißen, während die kürzeren Wollfaſern von 2,5 bis 4 cm (Wollſorten von kurzem Stapel) zum Spinnen beſtimmt ſind und als Tuch- wolle bezeichnet werden. Die dazwiſchen befindlichen Wollſorten von mittle- rem Stapel (5 bis 22 cm) dienen teils zum Kämmen, teils zum Spinnen und bilden die Stoffwolle. *) Deutſches Wollengewerbe 1887, Nr. 15.

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Zitationshilfe: Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/42>, abgerufen am 21.11.2024.