Der Zweck der Färberei ist die Einlagerung von Farbstoffen in die Gespinnstfasern, damit diese letzteren eine von ihrer ursprünglichen Natur- farbe abweichende Farbe annehmen. Das eigentliche Wesen der Färberei liegt in der Einlagerung des Farbstoffes, in einem vollständigen Ein- dringen in und einem Durchdringen durch die Elemente der Gespinnst- faser. Dadurch unterscheidet sich die Färberei scharf von der Malerei, bei welcher ja auch Farbstoffe auf Gewebefasern und Gewebe aufgetragen wer- den. Die Dekorationen der Theater werden mit den prächtigsten und wir- kungsvollsten Farben bemalt; die herrlichsten Farbenzusammenstellungen in den feinsten Abtönungen bis zur einfachsten und gewöhnlichsten Farbe haben wir auf unsern Tapeten; stimmungsvoller, und darum gewissermaßen noch schö- ner, wirken Oel- und Aquarellgemälde; ähnlich, nur minder kunstreich, wirken die farbigen Wachstuche. In allen genannten Fällen kommen Gewebe mit Farbstoffen in Berührung; aber die Farben sind nicht in die Elemente der Gewebefaser eingelagert, sondern sie liegen nur lose und locker auf der Faser auf, sie sind mittels mechanischen Auftragens auf den Geweben be- festigt und haften darauf lediglich mechanisch infolge der Adhäsion, wie sie sich auch durch rein mechanische Mittel (Reiben, Klopfen, Bürsten, Eintau- chen in Wasser u. dergl.) wieder entfernen lassen.
Minder scharf unterscheidet sich die Färberei von der Druckerei der Gewebe, dem Zeugdruck. Auch hier haben wir Gewebe und Farbstoffe; durch die mancherlei Operationen beim Zeugdruck wird der auf dem Gewebe anfangs mechanisch lose aufliegende Farbstoff zum Eindringen in die Faser genötigt. Der weitere Verlauf der Zeugdruckoperationen aber sorgt dafür, daß dieses Eindringen in die Gewebefaser nur ein oberflächliches ist, so daß von einem vollständigen Durchdringen des Gewebes keine Rede sein kann. A. v. Wagner bezeichnet den Zeugdruck noch als eine "örtliche Färberei", was er zweifellos nicht ist; denn, abgesehen von dem nur teil- weisen Eindringen des Farbstoffes in die Faser, wird derselbe durch allerlei chemische Zusätze (Verdickungsmittel) an einem eigentlichen Durchdringen der Faser direkt verhindert.
1*
Einleitung.
§ 1. Zweck und Weſen der Färberei.
Der Zweck der Färberei iſt die Einlagerung von Farbſtoffen in die Geſpinnſtfaſern, damit dieſe letzteren eine von ihrer urſprünglichen Natur- farbe abweichende Farbe annehmen. Das eigentliche Weſen der Färberei liegt in der Einlagerung des Farbſtoffes, in einem vollſtändigen Ein- dringen in und einem Durchdringen durch die Elemente der Geſpinnſt- faſer. Dadurch unterſcheidet ſich die Färberei ſcharf von der Malerei, bei welcher ja auch Farbſtoffe auf Gewebefaſern und Gewebe aufgetragen wer- den. Die Dekorationen der Theater werden mit den prächtigſten und wir- kungsvollſten Farben bemalt; die herrlichſten Farbenzuſammenſtellungen in den feinſten Abtönungen bis zur einfachſten und gewöhnlichſten Farbe haben wir auf unſern Tapeten; ſtimmungsvoller, und darum gewiſſermaßen noch ſchö- ner, wirken Oel- und Aquarellgemälde; ähnlich, nur minder kunſtreich, wirken die farbigen Wachstuche. In allen genannten Fällen kommen Gewebe mit Farbſtoffen in Berührung; aber die Farben ſind nicht in die Elemente der Gewebefaſer eingelagert, ſondern ſie liegen nur loſe und locker auf der Faſer auf, ſie ſind mittels mechaniſchen Auftragens auf den Geweben be- feſtigt und haften darauf lediglich mechaniſch infolge der Adhäſion, wie ſie ſich auch durch rein mechaniſche Mittel (Reiben, Klopfen, Bürſten, Eintau- chen in Waſſer u. dergl.) wieder entfernen laſſen.
Minder ſcharf unterſcheidet ſich die Färberei von der Druckerei der Gewebe, dem Zeugdruck. Auch hier haben wir Gewebe und Farbſtoffe; durch die mancherlei Operationen beim Zeugdruck wird der auf dem Gewebe anfangs mechaniſch loſe aufliegende Farbſtoff zum Eindringen in die Faſer genötigt. Der weitere Verlauf der Zeugdruckoperationen aber ſorgt dafür, daß dieſes Eindringen in die Gewebefaſer nur ein oberflächliches iſt, ſo daß von einem vollſtändigen Durchdringen des Gewebes keine Rede ſein kann. A. v. Wagner bezeichnet den Zeugdruck noch als eine „örtliche Färberei“, was er zweifellos nicht iſt; denn, abgeſehen von dem nur teil- weiſen Eindringen des Farbſtoffes in die Faſer, wird derſelbe durch allerlei chemiſche Zuſätze (Verdickungsmittel) an einem eigentlichen Durchdringen der Faſer direkt verhindert.
1*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0029"n="[3]"/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Einleitung.</hi></hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head>§ 1. <hirendition="#b">Zweck und Weſen der Färberei.</hi></head><lb/><p>Der Zweck der Färberei iſt die Einlagerung von Farbſtoffen in die<lb/>
Geſpinnſtfaſern, damit dieſe letzteren eine von ihrer urſprünglichen Natur-<lb/>
farbe abweichende Farbe annehmen. Das eigentliche Weſen der Färberei<lb/>
liegt in der <hirendition="#g">Einlagerung</hi> des Farbſtoffes, in einem vollſtändigen <hirendition="#g">Ein-<lb/>
dringen in</hi> und einem <hirendition="#g">Durchdringen durch</hi> die Elemente der Geſpinnſt-<lb/>
faſer. Dadurch unterſcheidet ſich die <hirendition="#g">Färberei</hi>ſcharf von der <hirendition="#g">Malerei</hi>,<lb/>
bei welcher ja auch Farbſtoffe auf Gewebefaſern und Gewebe aufgetragen wer-<lb/>
den. Die Dekorationen der Theater werden mit den prächtigſten und wir-<lb/>
kungsvollſten Farben bemalt; die herrlichſten Farbenzuſammenſtellungen in<lb/>
den feinſten Abtönungen bis zur einfachſten und gewöhnlichſten Farbe haben<lb/>
wir auf unſern Tapeten; ſtimmungsvoller, und darum gewiſſermaßen noch ſchö-<lb/>
ner, wirken Oel- und Aquarellgemälde; ähnlich, nur minder kunſtreich, wirken<lb/>
die farbigen Wachstuche. In allen genannten Fällen kommen Gewebe mit<lb/>
Farbſtoffen in Berührung; aber die Farben ſind <hirendition="#g">nicht</hi> in die Elemente der<lb/>
Gewebefaſer <hirendition="#g">eingelagert</hi>, ſondern ſie liegen nur <hirendition="#g">loſe und locker auf der<lb/>
Faſer auf</hi>, ſie ſind mittels mechaniſchen Auftragens auf den Geweben be-<lb/>
feſtigt und haften darauf lediglich mechaniſch infolge der Adhäſion, wie ſie<lb/>ſich auch durch rein mechaniſche Mittel (Reiben, Klopfen, Bürſten, Eintau-<lb/>
chen in Waſſer u. dergl.) wieder entfernen laſſen.</p><lb/><p>Minder ſcharf unterſcheidet ſich die Färberei von der <hirendition="#g">Druckerei</hi> der<lb/>
Gewebe, dem <hirendition="#g">Zeugdruck</hi>. Auch hier haben wir Gewebe und Farbſtoffe;<lb/>
durch die mancherlei Operationen beim Zeugdruck wird der auf dem Gewebe<lb/>
anfangs mechaniſch loſe aufliegende Farbſtoff zum Eindringen in die Faſer<lb/>
genötigt. Der weitere Verlauf der Zeugdruckoperationen aber ſorgt dafür,<lb/>
daß dieſes Eindringen in die Gewebefaſer nur ein <hirendition="#g">oberflächliches</hi> iſt, ſo<lb/>
daß von einem vollſtändigen Durchdringen des Gewebes keine Rede ſein<lb/>
kann. A. v. <hirendition="#g">Wagner</hi> bezeichnet den Zeugdruck noch als eine „örtliche<lb/>
Färberei“, was er zweifellos nicht iſt; denn, abgeſehen von dem nur teil-<lb/>
weiſen Eindringen des Farbſtoffes in die Faſer, wird derſelbe durch allerlei<lb/>
chemiſche Zuſätze (Verdickungsmittel) an einem eigentlichen Durchdringen der<lb/>
Faſer direkt verhindert.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">1*</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[[3]/0029]
Einleitung.
§ 1. Zweck und Weſen der Färberei.
Der Zweck der Färberei iſt die Einlagerung von Farbſtoffen in die
Geſpinnſtfaſern, damit dieſe letzteren eine von ihrer urſprünglichen Natur-
farbe abweichende Farbe annehmen. Das eigentliche Weſen der Färberei
liegt in der Einlagerung des Farbſtoffes, in einem vollſtändigen Ein-
dringen in und einem Durchdringen durch die Elemente der Geſpinnſt-
faſer. Dadurch unterſcheidet ſich die Färberei ſcharf von der Malerei,
bei welcher ja auch Farbſtoffe auf Gewebefaſern und Gewebe aufgetragen wer-
den. Die Dekorationen der Theater werden mit den prächtigſten und wir-
kungsvollſten Farben bemalt; die herrlichſten Farbenzuſammenſtellungen in
den feinſten Abtönungen bis zur einfachſten und gewöhnlichſten Farbe haben
wir auf unſern Tapeten; ſtimmungsvoller, und darum gewiſſermaßen noch ſchö-
ner, wirken Oel- und Aquarellgemälde; ähnlich, nur minder kunſtreich, wirken
die farbigen Wachstuche. In allen genannten Fällen kommen Gewebe mit
Farbſtoffen in Berührung; aber die Farben ſind nicht in die Elemente der
Gewebefaſer eingelagert, ſondern ſie liegen nur loſe und locker auf der
Faſer auf, ſie ſind mittels mechaniſchen Auftragens auf den Geweben be-
feſtigt und haften darauf lediglich mechaniſch infolge der Adhäſion, wie ſie
ſich auch durch rein mechaniſche Mittel (Reiben, Klopfen, Bürſten, Eintau-
chen in Waſſer u. dergl.) wieder entfernen laſſen.
Minder ſcharf unterſcheidet ſich die Färberei von der Druckerei der
Gewebe, dem Zeugdruck. Auch hier haben wir Gewebe und Farbſtoffe;
durch die mancherlei Operationen beim Zeugdruck wird der auf dem Gewebe
anfangs mechaniſch loſe aufliegende Farbſtoff zum Eindringen in die Faſer
genötigt. Der weitere Verlauf der Zeugdruckoperationen aber ſorgt dafür,
daß dieſes Eindringen in die Gewebefaſer nur ein oberflächliches iſt, ſo
daß von einem vollſtändigen Durchdringen des Gewebes keine Rede ſein
kann. A. v. Wagner bezeichnet den Zeugdruck noch als eine „örtliche
Färberei“, was er zweifellos nicht iſt; denn, abgeſehen von dem nur teil-
weiſen Eindringen des Farbſtoffes in die Faſer, wird derſelbe durch allerlei
chemiſche Zuſätze (Verdickungsmittel) an einem eigentlichen Durchdringen der
Faſer direkt verhindert.
1*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ganswindt, Albert: Handbuch der Färberei und der damit verwandten vorbereitenden und vollendenden Gewerbe. Weimar, 1889, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ganswindt_faerberei_1889/29>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.