gleich hernach von nichts mehr. Er verstel darauf in eine völlige Wuth, so, daß man ihn an Ketten legen muste.*) -- Crech commantirte den Lucrez, und er empfand dabey eine so tödende Langweise, daß er auf das Manuscript schrieb: NB. Ich werde mich erhenken müssen, wenn ich diesen Comentarium geendet habe.". Er hat sich wirklich selbst getödtet nach dem Beispiele seines Schriftstellers. Die Empfindungen im Kopfe, besonders im Vorderhaupt, die besondere Art von Kopfschmerz verbunden mit gewißen unangenehmen Ge- fühlen von zu vielem Nachdenken, die anwandelnden Uiblichkeiten, das Feuersehen, worauf bei fortgesetz- ter Anstrengung Gedankenlosigkeit und endlich auch Verrückungen folgen, sind allen streng Studierenden be- kannt; Zimmermann und We kard haben sie beschrie- ben.**) Vor dem Ausbruch hitziger Krankheiten wird man manchmal ihrer Ankunft gewahr, daß man aller- hand Gestalten mit der grösten Lebhaftigkeit sieht, so- bald man die Augen verschließt. Ich habe gesehen, daß sich ein ganzes Jahr vor dem Anfalle einer schweren Krankheit alle Tage besonders gegen Nacht oder ge- gen Tag außerordentliche Aengsten, als wäre der Tod unvermeidlich, geäußert haben; nach einigen Minuten wurde das Gemüth wieder ruhig. Vor an- wandelnden Ohnmachten wird es einem gewöhnlich ums Herz oder im Kopfe sonderbar leer und leicht, wo- bey ein dunkler warmer Flor das Gesicht und ganze Gehirn umzieht. Man hat mehrere Beyspiele von
Leu-
*)Forest O[b]s[e] vat lib X. p. 317.
**) Von der Erfahrung, und der philosophische Arzt.
gleich hernach von nichts mehr. Er verſtel darauf in eine voͤllige Wuth, ſo, daß man ihn an Ketten legen muſte.*) — Crech commantirte den Lucrez, und er empfand dabey eine ſo toͤdende Langweiſe, daß er auf das Manuſcript ſchrieb: NB. Ich werde mich erhenken muͤſſen, wenn ich dieſen Comentarium geendet habe.„. Er hat ſich wirklich ſelbſt getoͤdtet nach dem Beiſpiele ſeines Schriftſtellers. Die Empfindungen im Kopfe, beſonders im Vorderhaupt, die beſondere Art von Kopfſchmerz verbunden mit gewißen unangenehmen Ge- fuͤhlen von zu vielem Nachdenken, die anwandelnden Uiblichkeiten, das Feuerſehen, worauf bei fortgeſetz- ter Anſtrengung Gedankenloſigkeit und endlich auch Verruͤckungen folgen, ſind allen ſtreng Studierenden be- kannt; Zimmermann und We kard haben ſie beſchrie- ben.**) Vor dem Ausbruch hitziger Krankheiten wird man manchmal ihrer Ankunft gewahr, daß man aller- hand Geſtalten mit der groͤſten Lebhaftigkeit ſieht, ſo- bald man die Augen verſchließt. Ich habe geſehen, daß ſich ein ganzes Jahr vor dem Anfalle einer ſchweren Krankheit alle Tage beſonders gegen Nacht oder ge- gen Tag außerordentliche Aengſten, als waͤre der Tod unvermeidlich, geaͤußert haben; nach einigen Minuten wurde das Gemuͤth wieder ruhig. Vor an- wandelnden Ohnmachten wird es einem gewoͤhnlich ums Herz oder im Kopfe ſonderbar leer und leicht, wo- bey ein dunkler warmer Flor das Geſicht und ganze Gehirn umzieht. Man hat mehrere Beyſpiele von
Leu-
*)Foreſt O[b]ſ[e] vat lib X. p. 317.
**) Von der Erfahrung, und der philoſophiſche Arzt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0093"n="74"/>
gleich hernach von nichts mehr. Er verſtel darauf in<lb/>
eine voͤllige Wuth, ſo, daß man ihn an Ketten legen<lb/>
muſte.<noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">Foreſt O<supplied>b</supplied>ſ<supplied>e</supplied> vat lib X. p.</hi> 317.</note>—<hirendition="#fr">Crech</hi> commantirte den <hirendition="#fr">Lucrez</hi>, und er<lb/>
empfand dabey eine ſo toͤdende Langweiſe, daß er auf<lb/>
das Manuſcript ſchrieb: <hirendition="#aq">NB.</hi> Ich werde mich erhenken<lb/>
muͤſſen, wenn ich dieſen Comentarium geendet habe.„.<lb/>
Er hat ſich wirklich ſelbſt getoͤdtet nach dem Beiſpiele<lb/>ſeines Schriftſtellers. Die Empfindungen im Kopfe,<lb/>
beſonders im Vorderhaupt, die beſondere Art von<lb/>
Kopfſchmerz verbunden mit gewißen unangenehmen Ge-<lb/>
fuͤhlen von zu vielem Nachdenken, die anwandelnden<lb/>
Uiblichkeiten, das Feuerſehen, worauf bei fortgeſetz-<lb/>
ter Anſtrengung Gedankenloſigkeit und endlich auch<lb/>
Verruͤckungen folgen, ſind allen ſtreng Studierenden be-<lb/>
kannt; <hirendition="#fr">Zimmermann</hi> und <hirendition="#fr">We kard</hi> haben ſie beſchrie-<lb/>
ben.<noteplace="foot"n="**)">Von der Erfahrung, und der philoſophiſche Arzt.</note> Vor dem Ausbruch hitziger Krankheiten wird<lb/>
man manchmal ihrer Ankunft gewahr, daß man aller-<lb/>
hand Geſtalten mit der groͤſten Lebhaftigkeit ſieht, ſo-<lb/>
bald man die Augen verſchließt. Ich habe geſehen,<lb/>
daß ſich ein ganzes Jahr vor dem Anfalle einer ſchweren<lb/>
Krankheit alle Tage beſonders gegen Nacht oder ge-<lb/>
gen Tag außerordentliche Aengſten, als waͤre der<lb/>
Tod unvermeidlich, geaͤußert haben; nach einigen<lb/>
Minuten wurde das Gemuͤth wieder ruhig. Vor an-<lb/>
wandelnden Ohnmachten wird es einem gewoͤhnlich<lb/>
ums Herz oder im Kopfe ſonderbar leer und leicht, wo-<lb/>
bey ein dunkler warmer Flor das Geſicht und ganze<lb/>
Gehirn umzieht. Man hat mehrere Beyſpiele von<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Leu-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[74/0093]
gleich hernach von nichts mehr. Er verſtel darauf in
eine voͤllige Wuth, ſo, daß man ihn an Ketten legen
muſte. *) — Crech commantirte den Lucrez, und er
empfand dabey eine ſo toͤdende Langweiſe, daß er auf
das Manuſcript ſchrieb: NB. Ich werde mich erhenken
muͤſſen, wenn ich dieſen Comentarium geendet habe.„.
Er hat ſich wirklich ſelbſt getoͤdtet nach dem Beiſpiele
ſeines Schriftſtellers. Die Empfindungen im Kopfe,
beſonders im Vorderhaupt, die beſondere Art von
Kopfſchmerz verbunden mit gewißen unangenehmen Ge-
fuͤhlen von zu vielem Nachdenken, die anwandelnden
Uiblichkeiten, das Feuerſehen, worauf bei fortgeſetz-
ter Anſtrengung Gedankenloſigkeit und endlich auch
Verruͤckungen folgen, ſind allen ſtreng Studierenden be-
kannt; Zimmermann und We kard haben ſie beſchrie-
ben. **) Vor dem Ausbruch hitziger Krankheiten wird
man manchmal ihrer Ankunft gewahr, daß man aller-
hand Geſtalten mit der groͤſten Lebhaftigkeit ſieht, ſo-
bald man die Augen verſchließt. Ich habe geſehen,
daß ſich ein ganzes Jahr vor dem Anfalle einer ſchweren
Krankheit alle Tage beſonders gegen Nacht oder ge-
gen Tag außerordentliche Aengſten, als waͤre der
Tod unvermeidlich, geaͤußert haben; nach einigen
Minuten wurde das Gemuͤth wieder ruhig. Vor an-
wandelnden Ohnmachten wird es einem gewoͤhnlich
ums Herz oder im Kopfe ſonderbar leer und leicht, wo-
bey ein dunkler warmer Flor das Geſicht und ganze
Gehirn umzieht. Man hat mehrere Beyſpiele von
Leu-
*) Foreſt Obſe vat lib X. p. 317.
**) Von der Erfahrung, und der philoſophiſche Arzt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/93>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.