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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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zehnten Tag unverändert blieben, so war sehr wenig
oder gar keine Hoffnung mehr. Indeßen blieben bey
einer Frau alle Zufälle, welche den nahen Tod ver-
kündigten, bis den sechs und zwanzigsten Tag die
nämlichen; an diesem aber erfolgten sehr häufige,
gallichte Stühle, welche die Krankheit entschieden.

Leichengeruch und Hypochondrien mit Aufblähen
des Unterleibes (meteorismus) sind gewiß Zeichen
vom höchsten Grade der Auflösung, und dennoch hat
Krebs noch zwey solche Fälle geheilt.*) Eine bley-
farbne kalte Zunge zeigt allermeist den nahen Tod an.
In einer Krampfkolik aber waren bey einem Manne
von 78 Jahren Füße und Hände zusammengezogen,
die Zunge war kalt, weich, an den Rändern livid, die
Sprache gehindert, der Puls unmerklich, die äussern
Theile kalt, und doch erholte sich der Kranke.**)

Der Rosina Gresser, einem 32 jährigen Frau-
enzimmer wurden 1785 durch unzeitige Brechmittel
heftige Gliederschmerzen zugezogen. Sie war sehr
entkräftet, und hatte, ohne Entscheidung, schon den
zweyten Rückfall erlitten. Als ich das erste Mal zu
ihr gerufen wurde, fand ich sie sterbend, von Geist-
lichen umrungen. Sie lag hingestreckt; der Kopf
hieng zur Seite vorwärts; die Haare, die Stirne

und
*) Vogel Hand b. d. p. Arz. --
**) Le Roy, Vorh. S. 36. Nro 30.
Y y 2

zehnten Tag unveraͤndert blieben, ſo war ſehr wenig
oder gar keine Hoffnung mehr. Indeßen blieben bey
einer Frau alle Zufaͤlle, welche den nahen Tod ver-
kuͤndigten, bis den ſechs und zwanzigſten Tag die
naͤmlichen; an dieſem aber erfolgten ſehr haͤufige,
gallichte Stuͤhle, welche die Krankheit entſchieden.

Leichengeruch und Hypochondrien mit Aufblaͤhen
des Unterleibes (meteorismus) ſind gewiß Zeichen
vom hoͤchſten Grade der Aufloͤſung, und dennoch hat
Krebs noch zwey ſolche Faͤlle geheilt.*) Eine bley-
farbne kalte Zunge zeigt allermeiſt den nahen Tod an.
In einer Krampfkolik aber waren bey einem Manne
von 78 Jahren Fuͤße und Haͤnde zuſammengezogen,
die Zunge war kalt, weich, an den Raͤndern livid, die
Sprache gehindert, der Puls unmerklich, die aͤuſſern
Theile kalt, und doch erholte ſich der Kranke.**)

Der Roſina Greſſer, einem 32 jaͤhrigen Frau-
enzimmer wurden 1785 durch unzeitige Brechmittel
heftige Gliederſchmerzen zugezogen. Sie war ſehr
entkraͤftet, und hatte, ohne Entſcheidung, ſchon den
zweyten Ruͤckfall erlitten. Als ich das erſte Mal zu
ihr gerufen wurde, fand ich ſie ſterbend, von Geiſt-
lichen umrungen. Sie lag hingeſtreckt; der Kopf
hieng zur Seite vorwaͤrts; die Haare, die Stirne

und
*) Vogel Hand b. d. p. Arz. —
**) Le Roy, Vorh. S. 36. Nro 30.
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[707/0726] zehnten Tag unveraͤndert blieben, ſo war ſehr wenig oder gar keine Hoffnung mehr. Indeßen blieben bey einer Frau alle Zufaͤlle, welche den nahen Tod ver- kuͤndigten, bis den ſechs und zwanzigſten Tag die naͤmlichen; an dieſem aber erfolgten ſehr haͤufige, gallichte Stuͤhle, welche die Krankheit entſchieden. Leichengeruch und Hypochondrien mit Aufblaͤhen des Unterleibes (meteorismus) ſind gewiß Zeichen vom hoͤchſten Grade der Aufloͤſung, und dennoch hat Krebs noch zwey ſolche Faͤlle geheilt. *) Eine bley- farbne kalte Zunge zeigt allermeiſt den nahen Tod an. In einer Krampfkolik aber waren bey einem Manne von 78 Jahren Fuͤße und Haͤnde zuſammengezogen, die Zunge war kalt, weich, an den Raͤndern livid, die Sprache gehindert, der Puls unmerklich, die aͤuſſern Theile kalt, und doch erholte ſich der Kranke. **) Der Roſina Greſſer, einem 32 jaͤhrigen Frau- enzimmer wurden 1785 durch unzeitige Brechmittel heftige Gliederſchmerzen zugezogen. Sie war ſehr entkraͤftet, und hatte, ohne Entſcheidung, ſchon den zweyten Ruͤckfall erlitten. Als ich das erſte Mal zu ihr gerufen wurde, fand ich ſie ſterbend, von Geiſt- lichen umrungen. Sie lag hingeſtreckt; der Kopf hieng zur Seite vorwaͤrts; die Haare, die Stirne und *) Vogel Hand b. d. p. Arz. — **) Le Roy, Vorh. S. 36. Nro 30. Y y 2

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 707. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/726>, abgerufen am 27.04.2024.