Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Uebrigens ist es die Sache des philosophischen Arz-
tes, daß er die Kräfte der Heilmittel, so viel mög-
lich, auf allgemeine Ordnungen zurückführe. Die
Heilkräfte der Natur machen die spezifischen Mittel,
wo nicht überflüssig, doch gröstentheils entbehrlich.
Die meisten Wechselfieber werden glücklich, so wie
die Blattern, Masern etc. ohne ein eignes Gegenmit-
tel geheilet.

Sehen wir nun, daß ein gewisser Krankheits-
reitz gewisse bestimmte Theile vorzüglich anzugreifen
pflegt, und wir kennen ein Mittel, welches vorzüg-
lich auf diese Theile wirkt; so haben wir gegründete
Hoffnung, von diesem Mittel in diesem Falle eine
auffallende Wirkung zu erwarten. Das Lustseuchen-
gift und die herben Obstsäuren z. B. greifen vorzüg-
lich die Schleim-Speichel- und Gedärmdrüsen an;
Quecksilber und Schierling sind bisher noch als die
wirksamsten Gegenmittel bekannt, und ihre Bestand-
theile zeigen ebenfalls die nächste Verwandschaft zu
den nämlichen hier leidenden Theilen. Das Gift der
Klapperschlange richtet die grösten Verheerungen in
den Lungen an, und die Senegawurzel, welche auch
die schleimichten Anhäufungen der Lungen mächtig zer-
theilet und ausleeret, thut die besten Dienste. So
wie der Schwefel, die Aloe, die Nießwurz mehr
auf den Unterleib wirken, so wirkt der Auszug des
Tabacks und der mineralische Kermes mehr auf die
Brust etc. Man lese, was Kämpf von den wirk-
samsten Mitteln gegen die verschiedenen Verderbnis-
se sagt. -- Und nun entscheide man, ob sich's nicht

jeder

Uebrigens iſt es die Sache des philoſophiſchen Arz-
tes, daß er die Kraͤfte der Heilmittel, ſo viel moͤg-
lich, auf allgemeine Ordnungen zuruͤckfuͤhre. Die
Heilkraͤfte der Natur machen die ſpezifiſchen Mittel,
wo nicht uͤberfluͤſſig, doch groͤſtentheils entbehrlich.
Die meiſten Wechſelfieber werden gluͤcklich, ſo wie
die Blattern, Maſern ꝛc. ohne ein eignes Gegenmit-
tel geheilet.

Sehen wir nun, daß ein gewiſſer Krankheits-
reitz gewiſſe beſtimmte Theile vorzuͤglich anzugreifen
pflegt, und wir kennen ein Mittel, welches vorzuͤg-
lich auf dieſe Theile wirkt; ſo haben wir gegruͤndete
Hoffnung, von dieſem Mittel in dieſem Falle eine
auffallende Wirkung zu erwarten. Das Luſtſeuchen-
gift und die herben Obſtſaͤuren z. B. greifen vorzuͤg-
lich die Schleim-Speichel- und Gedaͤrmdruͤſen an;
Queckſilber und Schierling ſind bisher noch als die
wirkſamſten Gegenmittel bekannt, und ihre Beſtand-
theile zeigen ebenfalls die naͤchſte Verwandſchaft zu
den naͤmlichen hier leidenden Theilen. Das Gift der
Klapperſchlange richtet die groͤſten Verheerungen in
den Lungen an, und die Senegawurzel, welche auch
die ſchleimichten Anhaͤufungen der Lungen maͤchtig zer-
theilet und ausleeret, thut die beſten Dienſte. So
wie der Schwefel, die Aloe, die Nießwurz mehr
auf den Unterleib wirken, ſo wirkt der Auszug des
Tabacks und der mineraliſche Kermes mehr auf die
Bruſt ꝛc. Man leſe, was Kämpf von den wirk-
ſamſten Mitteln gegen die verſchiedenen Verderbniſ-
ſe ſagt. — Und nun entſcheide man, ob ſich’s nicht

jeder
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0715" n="696"/>
            <p>Uebrigens i&#x017F;t es die Sache des philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Arz-<lb/>
tes, daß er die Kra&#x0364;fte der Heilmittel, &#x017F;o viel mo&#x0364;g-<lb/>
lich, auf allgemeine Ordnungen zuru&#x0364;ckfu&#x0364;hre. Die<lb/>
Heilkra&#x0364;fte der Natur machen die &#x017F;pezifi&#x017F;chen Mittel,<lb/>
wo nicht u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig, doch gro&#x0364;&#x017F;tentheils entbehrlich.<lb/>
Die mei&#x017F;ten Wech&#x017F;elfieber werden glu&#x0364;cklich, &#x017F;o wie<lb/>
die Blattern, Ma&#x017F;ern &#xA75B;c. ohne ein eignes Gegenmit-<lb/>
tel geheilet.</p><lb/>
            <p>Sehen wir nun, daß ein gewi&#x017F;&#x017F;er Krankheits-<lb/>
reitz gewi&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;timmte Theile vorzu&#x0364;glich anzugreifen<lb/>
pflegt, und wir kennen ein Mittel, welches vorzu&#x0364;g-<lb/>
lich auf die&#x017F;e Theile wirkt; &#x017F;o haben wir gegru&#x0364;ndete<lb/>
Hoffnung, von die&#x017F;em Mittel in die&#x017F;em Falle eine<lb/>
auffallende Wirkung zu erwarten. Das Lu&#x017F;t&#x017F;euchen-<lb/>
gift und die herben Ob&#x017F;t&#x017F;a&#x0364;uren z. B. greifen vorzu&#x0364;g-<lb/>
lich die Schleim-Speichel- und Geda&#x0364;rmdru&#x0364;&#x017F;en an;<lb/>
Queck&#x017F;ilber und Schierling &#x017F;ind bisher noch als die<lb/>
wirk&#x017F;am&#x017F;ten Gegenmittel bekannt, und ihre Be&#x017F;tand-<lb/>
theile zeigen ebenfalls die na&#x0364;ch&#x017F;te Verwand&#x017F;chaft zu<lb/>
den na&#x0364;mlichen hier leidenden Theilen. Das Gift der<lb/>
Klapper&#x017F;chlange richtet die gro&#x0364;&#x017F;ten Verheerungen in<lb/>
den Lungen an, und die Senegawurzel, welche auch<lb/>
die &#x017F;chleimichten Anha&#x0364;ufungen der Lungen ma&#x0364;chtig zer-<lb/>
theilet und ausleeret, thut die be&#x017F;ten Dien&#x017F;te. So<lb/>
wie der Schwefel, die Aloe, die Nießwurz mehr<lb/>
auf den Unterleib wirken, &#x017F;o wirkt der Auszug des<lb/>
Tabacks und der minerali&#x017F;che Kermes mehr auf die<lb/>
Bru&#x017F;t &#xA75B;c. Man le&#x017F;e, was <hi rendition="#fr">Kämpf</hi> von den wirk-<lb/>
&#x017F;am&#x017F;ten Mitteln gegen die ver&#x017F;chiedenen Verderbni&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e &#x017F;agt. &#x2014; Und nun ent&#x017F;cheide man, ob &#x017F;ich&#x2019;s nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">jeder</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[696/0715] Uebrigens iſt es die Sache des philoſophiſchen Arz- tes, daß er die Kraͤfte der Heilmittel, ſo viel moͤg- lich, auf allgemeine Ordnungen zuruͤckfuͤhre. Die Heilkraͤfte der Natur machen die ſpezifiſchen Mittel, wo nicht uͤberfluͤſſig, doch groͤſtentheils entbehrlich. Die meiſten Wechſelfieber werden gluͤcklich, ſo wie die Blattern, Maſern ꝛc. ohne ein eignes Gegenmit- tel geheilet. Sehen wir nun, daß ein gewiſſer Krankheits- reitz gewiſſe beſtimmte Theile vorzuͤglich anzugreifen pflegt, und wir kennen ein Mittel, welches vorzuͤg- lich auf dieſe Theile wirkt; ſo haben wir gegruͤndete Hoffnung, von dieſem Mittel in dieſem Falle eine auffallende Wirkung zu erwarten. Das Luſtſeuchen- gift und die herben Obſtſaͤuren z. B. greifen vorzuͤg- lich die Schleim-Speichel- und Gedaͤrmdruͤſen an; Queckſilber und Schierling ſind bisher noch als die wirkſamſten Gegenmittel bekannt, und ihre Beſtand- theile zeigen ebenfalls die naͤchſte Verwandſchaft zu den naͤmlichen hier leidenden Theilen. Das Gift der Klapperſchlange richtet die groͤſten Verheerungen in den Lungen an, und die Senegawurzel, welche auch die ſchleimichten Anhaͤufungen der Lungen maͤchtig zer- theilet und ausleeret, thut die beſten Dienſte. So wie der Schwefel, die Aloe, die Nießwurz mehr auf den Unterleib wirken, ſo wirkt der Auszug des Tabacks und der mineraliſche Kermes mehr auf die Bruſt ꝛc. Man leſe, was Kämpf von den wirk- ſamſten Mitteln gegen die verſchiedenen Verderbniſ- ſe ſagt. — Und nun entſcheide man, ob ſich’s nicht jeder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/715
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/715>, abgerufen am 21.11.2024.