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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Sind das nicht eben so viele gegenseitige Ver-
hältniße, woraus wir lernen sollten, nur mit gröster
Behutsamkeit von den sinnlichen Wirkungen eines
Mittels auf seinen wahren und ganzen Einfluß auf
den Körper oder seine verschiedene Theile zu folgern?
Woher endlich kömmt es, daß einige Mittel die Feuch-
tigkeiten nach dem Darmkanal, andere nach der Harn-
blase, nach den Speicheldrüsen, andere nach der Haut,
und wieder andere nach dem Kopfe treiben? daß
einige das Blut gerinnen machen, andere es übermä-
ßig ausdehnen? daß einige das Athmen ungemein er-
leichtern, und andere es auf einmal hemmen, und
andere schon bey bloßer Berührung der Nerven die
Lebenskraft auf ein Mal ertöden? u. s. w. --

Gerade so ist es auch mit den verschiedenen
Krankheitsmaterien. Das Blattern- und Masern-
gift etc. be geben sich nach der Haut; die Kehle, die
Schleim- und Speicheldrüsen sind der Sitz der Wir-
kung in dem Keuchhusten und der Wasserscheue; die
Skrofeln greifen das System der Lymphatischen Ge-
fäße und besonders der Lymphatischen Drüsen an;
die Brüste, die Hoden, und die zusammengesetzten
Drüsen sind der Sitz des Krebses; die Haut, der
Hals, und die Nase werden von dem Lustseuchengifte
leichter befallen, als die Knochen und die Knochen-
haut; die zum Leben nothwendigen Theile hingegen
werden nur äusserst selten davon angegriffen. Dieser
Krankheitsstoff leeret sich durch diese Weege, und
jener durch andere aus dem Körper; dieser früher,
jener später u. s. w. -- Und dennoch kann man die

Eigen-

Sind das nicht eben ſo viele gegenſeitige Ver-
haͤltniße, woraus wir lernen ſollten, nur mit groͤſter
Behutſamkeit von den ſinnlichen Wirkungen eines
Mittels auf ſeinen wahren und ganzen Einfluß auf
den Koͤrper oder ſeine verſchiedene Theile zu folgern?
Woher endlich koͤmmt es, daß einige Mittel die Feuch-
tigkeiten nach dem Darmkanal, andere nach der Harn-
blaſe, nach den Speicheldruͤſen, andere nach der Haut,
und wieder andere nach dem Kopfe treiben? daß
einige das Blut gerinnen machen, andere es uͤbermaͤ-
ßig ausdehnen? daß einige das Athmen ungemein er-
leichtern, und andere es auf einmal hemmen, und
andere ſchon bey bloßer Beruͤhrung der Nerven die
Lebenskraft auf ein Mal ertoͤden? u. ſ. w. —

Gerade ſo iſt es auch mit den verſchiedenen
Krankheitsmaterien. Das Blattern- und Maſern-
gift ꝛc. be geben ſich nach der Haut; die Kehle, die
Schleim- und Speicheldruͤſen ſind der Sitz der Wir-
kung in dem Keuchhuſten und der Waſſerſcheue; die
Skrofeln greifen das Syſtem der Lymphatiſchen Ge-
faͤße und beſonders der Lymphatiſchen Druͤſen an;
die Bruͤſte, die Hoden, und die zuſammengeſetzten
Druͤſen ſind der Sitz des Krebſes; die Haut, der
Hals, und die Naſe werden von dem Luſtſeuchengifte
leichter befallen, als die Knochen und die Knochen-
haut; die zum Leben nothwendigen Theile hingegen
werden nur aͤuſſerſt ſelten davon angegriffen. Dieſer
Krankheitsſtoff leeret ſich durch dieſe Weege, und
jener durch andere aus dem Koͤrper; dieſer fruͤher,
jener ſpaͤter u. ſ. w. — Und dennoch kann man die

Eigen-
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[693/0712] Sind das nicht eben ſo viele gegenſeitige Ver- haͤltniße, woraus wir lernen ſollten, nur mit groͤſter Behutſamkeit von den ſinnlichen Wirkungen eines Mittels auf ſeinen wahren und ganzen Einfluß auf den Koͤrper oder ſeine verſchiedene Theile zu folgern? Woher endlich koͤmmt es, daß einige Mittel die Feuch- tigkeiten nach dem Darmkanal, andere nach der Harn- blaſe, nach den Speicheldruͤſen, andere nach der Haut, und wieder andere nach dem Kopfe treiben? daß einige das Blut gerinnen machen, andere es uͤbermaͤ- ßig ausdehnen? daß einige das Athmen ungemein er- leichtern, und andere es auf einmal hemmen, und andere ſchon bey bloßer Beruͤhrung der Nerven die Lebenskraft auf ein Mal ertoͤden? u. ſ. w. — Gerade ſo iſt es auch mit den verſchiedenen Krankheitsmaterien. Das Blattern- und Maſern- gift ꝛc. be geben ſich nach der Haut; die Kehle, die Schleim- und Speicheldruͤſen ſind der Sitz der Wir- kung in dem Keuchhuſten und der Waſſerſcheue; die Skrofeln greifen das Syſtem der Lymphatiſchen Ge- faͤße und beſonders der Lymphatiſchen Druͤſen an; die Bruͤſte, die Hoden, und die zuſammengeſetzten Druͤſen ſind der Sitz des Krebſes; die Haut, der Hals, und die Naſe werden von dem Luſtſeuchengifte leichter befallen, als die Knochen und die Knochen- haut; die zum Leben nothwendigen Theile hingegen werden nur aͤuſſerſt ſelten davon angegriffen. Dieſer Krankheitsſtoff leeret ſich durch dieſe Weege, und jener durch andere aus dem Koͤrper; dieſer fruͤher, jener ſpaͤter u. ſ. w. — Und dennoch kann man die Eigen-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/712>, abgerufen am 27.04.2024.