Sind das nicht eben so viele gegenseitige Ver- hältniße, woraus wir lernen sollten, nur mit gröster Behutsamkeit von den sinnlichen Wirkungen eines Mittels auf seinen wahren und ganzen Einfluß auf den Körper oder seine verschiedene Theile zu folgern? Woher endlich kömmt es, daß einige Mittel die Feuch- tigkeiten nach dem Darmkanal, andere nach der Harn- blase, nach den Speicheldrüsen, andere nach der Haut, und wieder andere nach dem Kopfe treiben? daß einige das Blut gerinnen machen, andere es übermä- ßig ausdehnen? daß einige das Athmen ungemein er- leichtern, und andere es auf einmal hemmen, und andere schon bey bloßer Berührung der Nerven die Lebenskraft auf ein Mal ertöden? u. s. w. --
Gerade so ist es auch mit den verschiedenen Krankheitsmaterien. Das Blattern- und Masern- gift etc. be geben sich nach der Haut; die Kehle, die Schleim- und Speicheldrüsen sind der Sitz der Wir- kung in dem Keuchhusten und der Wasserscheue; die Skrofeln greifen das System der Lymphatischen Ge- fäße und besonders der Lymphatischen Drüsen an; die Brüste, die Hoden, und die zusammengesetzten Drüsen sind der Sitz des Krebses; die Haut, der Hals, und die Nase werden von dem Lustseuchengifte leichter befallen, als die Knochen und die Knochen- haut; die zum Leben nothwendigen Theile hingegen werden nur äusserst selten davon angegriffen. Dieser Krankheitsstoff leeret sich durch diese Weege, und jener durch andere aus dem Körper; dieser früher, jener später u. s. w. -- Und dennoch kann man die
Eigen-
Sind das nicht eben ſo viele gegenſeitige Ver- haͤltniße, woraus wir lernen ſollten, nur mit groͤſter Behutſamkeit von den ſinnlichen Wirkungen eines Mittels auf ſeinen wahren und ganzen Einfluß auf den Koͤrper oder ſeine verſchiedene Theile zu folgern? Woher endlich koͤmmt es, daß einige Mittel die Feuch- tigkeiten nach dem Darmkanal, andere nach der Harn- blaſe, nach den Speicheldruͤſen, andere nach der Haut, und wieder andere nach dem Kopfe treiben? daß einige das Blut gerinnen machen, andere es uͤbermaͤ- ßig ausdehnen? daß einige das Athmen ungemein er- leichtern, und andere es auf einmal hemmen, und andere ſchon bey bloßer Beruͤhrung der Nerven die Lebenskraft auf ein Mal ertoͤden? u. ſ. w. —
Gerade ſo iſt es auch mit den verſchiedenen Krankheitsmaterien. Das Blattern- und Maſern- gift ꝛc. be geben ſich nach der Haut; die Kehle, die Schleim- und Speicheldruͤſen ſind der Sitz der Wir- kung in dem Keuchhuſten und der Waſſerſcheue; die Skrofeln greifen das Syſtem der Lymphatiſchen Ge- faͤße und beſonders der Lymphatiſchen Druͤſen an; die Bruͤſte, die Hoden, und die zuſammengeſetzten Druͤſen ſind der Sitz des Krebſes; die Haut, der Hals, und die Naſe werden von dem Luſtſeuchengifte leichter befallen, als die Knochen und die Knochen- haut; die zum Leben nothwendigen Theile hingegen werden nur aͤuſſerſt ſelten davon angegriffen. Dieſer Krankheitsſtoff leeret ſich durch dieſe Weege, und jener durch andere aus dem Koͤrper; dieſer fruͤher, jener ſpaͤter u. ſ. w. — Und dennoch kann man die
Eigen-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0712"n="693"/><p>Sind das nicht eben ſo viele gegenſeitige Ver-<lb/>
haͤltniße, woraus wir lernen ſollten, nur mit groͤſter<lb/>
Behutſamkeit von den ſinnlichen Wirkungen eines<lb/>
Mittels auf ſeinen wahren und ganzen Einfluß auf<lb/>
den Koͤrper oder ſeine verſchiedene Theile zu folgern?<lb/>
Woher endlich koͤmmt es, daß einige Mittel die Feuch-<lb/>
tigkeiten nach dem Darmkanal, andere nach der Harn-<lb/>
blaſe, nach den Speicheldruͤſen, andere nach der Haut,<lb/>
und wieder andere nach dem Kopfe treiben? daß<lb/>
einige das Blut gerinnen machen, andere es uͤbermaͤ-<lb/>
ßig ausdehnen? daß einige das Athmen ungemein er-<lb/>
leichtern, und andere es auf einmal hemmen, und<lb/>
andere ſchon bey bloßer Beruͤhrung der Nerven die<lb/>
Lebenskraft auf ein Mal ertoͤden? u. ſ. w. —</p><lb/><p>Gerade ſo iſt es auch mit den verſchiedenen<lb/>
Krankheitsmaterien. Das Blattern- und Maſern-<lb/>
gift ꝛc. be geben ſich nach der Haut; die Kehle, die<lb/>
Schleim- und Speicheldruͤſen ſind der Sitz der Wir-<lb/>
kung in dem Keuchhuſten und der Waſſerſcheue; die<lb/>
Skrofeln greifen das Syſtem der Lymphatiſchen Ge-<lb/>
faͤße und beſonders der Lymphatiſchen Druͤſen an;<lb/>
die Bruͤſte, die Hoden, und die zuſammengeſetzten<lb/>
Druͤſen ſind der Sitz des Krebſes; die Haut, der<lb/>
Hals, und die Naſe werden von dem Luſtſeuchengifte<lb/>
leichter befallen, als die Knochen und die Knochen-<lb/>
haut; die zum Leben nothwendigen Theile hingegen<lb/>
werden nur aͤuſſerſt ſelten davon angegriffen. Dieſer<lb/>
Krankheitsſtoff leeret ſich durch dieſe Weege, und<lb/>
jener durch andere aus dem Koͤrper; dieſer fruͤher,<lb/>
jener ſpaͤter u. ſ. w. — Und dennoch kann man die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Eigen-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[693/0712]
Sind das nicht eben ſo viele gegenſeitige Ver-
haͤltniße, woraus wir lernen ſollten, nur mit groͤſter
Behutſamkeit von den ſinnlichen Wirkungen eines
Mittels auf ſeinen wahren und ganzen Einfluß auf
den Koͤrper oder ſeine verſchiedene Theile zu folgern?
Woher endlich koͤmmt es, daß einige Mittel die Feuch-
tigkeiten nach dem Darmkanal, andere nach der Harn-
blaſe, nach den Speicheldruͤſen, andere nach der Haut,
und wieder andere nach dem Kopfe treiben? daß
einige das Blut gerinnen machen, andere es uͤbermaͤ-
ßig ausdehnen? daß einige das Athmen ungemein er-
leichtern, und andere es auf einmal hemmen, und
andere ſchon bey bloßer Beruͤhrung der Nerven die
Lebenskraft auf ein Mal ertoͤden? u. ſ. w. —
Gerade ſo iſt es auch mit den verſchiedenen
Krankheitsmaterien. Das Blattern- und Maſern-
gift ꝛc. be geben ſich nach der Haut; die Kehle, die
Schleim- und Speicheldruͤſen ſind der Sitz der Wir-
kung in dem Keuchhuſten und der Waſſerſcheue; die
Skrofeln greifen das Syſtem der Lymphatiſchen Ge-
faͤße und beſonders der Lymphatiſchen Druͤſen an;
die Bruͤſte, die Hoden, und die zuſammengeſetzten
Druͤſen ſind der Sitz des Krebſes; die Haut, der
Hals, und die Naſe werden von dem Luſtſeuchengifte
leichter befallen, als die Knochen und die Knochen-
haut; die zum Leben nothwendigen Theile hingegen
werden nur aͤuſſerſt ſelten davon angegriffen. Dieſer
Krankheitsſtoff leeret ſich durch dieſe Weege, und
jener durch andere aus dem Koͤrper; dieſer fruͤher,
jener ſpaͤter u. ſ. w. — Und dennoch kann man die
Eigen-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/712>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.