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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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3 Gran versüstes Quecksilber, auf einmal und so
nach Umständen mehrere Tage wiederholt. -- "Die
heftigen Mittel, sagt er, wirken manchmal nicht mehr
als ein Loth Manna, bey einem westphälischen Bau-
ern; in dem Falle nämlich, wo der Darmkanal mit
einem undurchdringlichen Kleister außerordentlich an-
gefüllt, und dessen Wände durch einen lederhaften
Ueberzug gegen allen Reiz geschützt sind. Und dieses
ist gerade der Fall, wo der furchtsame Arzt durch
einen tollkühnen Quacksalber beschämt wird. Und ist
eben deßwegen auch der Fall, wo der vorsichtiche Arze
oft gezwungen ist, den verwegenen Quacksalber klug
nachzuahmen, oder mehr heroisch zu Werke zu gehen."
-- Bey Mutzer bekam ein schon lange Engbrüstiger
ein ganzes Quentel Meerzwiebelwurzel; darauf folgte
ein kaum zu stillendes Erbrechen; nachdem aber dieses
durch Arzneien gestillt war, beklagte sich der Kranke
über Hitze und Jucken der Haut, worauf die Kräze
wieder erschien. -- Sollte mir der Fall §. 95. Nro.
3. wieder vorkommen, so nähme ich nicht den gering-
sten Anstand, Sydenhams flüssiges Ludanum Quen-
telweis einzuschütten. -- Und, wenn meine Vermu-
thung S. 590. gegründet ist, daß die wahre Wasser-
scheuc nichts anders als der höchste Grad der nämli-
chen Krankheit seye, so darf man auch hoffen, daß
dieses bisher so widerspenstige Uebel ebenfalls mit
Mohnsaft, den man aber in ungeheuren Gaben, viel-
leicht zu mehrern Quentchen darreichen müste, geheilt
werden könne. Clerc sagt sehr wahr, daß wir mehr
spezifische Mittel haben würden, wenn wir die Ga-

ben

3 Gran verſuͤſtes Queckſilber, auf einmal und ſo
nach Umſtaͤnden mehrere Tage wiederholt. — „Die
heftigen Mittel, ſagt er, wirken manchmal nicht mehr
als ein Loth Manna, bey einem weſtphaͤliſchen Bau-
ern; in dem Falle naͤmlich, wo der Darmkanal mit
einem undurchdringlichen Kleiſter außerordentlich an-
gefuͤllt, und deſſen Waͤnde durch einen lederhaften
Ueberzug gegen allen Reiz geſchuͤtzt ſind. Und dieſes
iſt gerade der Fall, wo der furchtſame Arzt durch
einen tollkuͤhnen Quackſalber beſchaͤmt wird. Und iſt
eben deßwegen auch der Fall, wo der vorſichtiche Arze
oft gezwungen iſt, den verwegenen Quackſalber klug
nachzuahmen, oder mehr heroiſch zu Werke zu gehen.„
— Bey Mutzer bekam ein ſchon lange Engbruͤſtiger
ein ganzes Quentel Meerzwiebelwurzel; darauf folgte
ein kaum zu ſtillendes Erbrechen; nachdem aber dieſes
durch Arzneien geſtillt war, beklagte ſich der Kranke
uͤber Hitze und Jucken der Haut, worauf die Kraͤze
wieder erſchien. — Sollte mir der Fall §. 95. Nro.
3. wieder vorkommen, ſo naͤhme ich nicht den gering-
ſten Anſtand, Sydenhams fluͤſſiges Ludanum Quen-
telweis einzuſchuͤtten. — Und, wenn meine Vermu-
thung S. 590. gegruͤndet iſt, daß die wahre Waſſer-
ſcheuc nichts anders als der hoͤchſte Grad der naͤmli-
chen Krankheit ſeye, ſo darf man auch hoffen, daß
dieſes bisher ſo widerſpenſtige Uebel ebenfalls mit
Mohnſaft, den man aber in ungeheuren Gaben, viel-
leicht zu mehrern Quentchen darreichen muͤſte, geheilt
werden koͤnne. Clerc ſagt ſehr wahr, daß wir mehr
ſpezifiſche Mittel haben wuͤrden, wenn wir die Ga-

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[687/0706] 3 Gran verſuͤſtes Queckſilber, auf einmal und ſo nach Umſtaͤnden mehrere Tage wiederholt. — „Die heftigen Mittel, ſagt er, wirken manchmal nicht mehr als ein Loth Manna, bey einem weſtphaͤliſchen Bau- ern; in dem Falle naͤmlich, wo der Darmkanal mit einem undurchdringlichen Kleiſter außerordentlich an- gefuͤllt, und deſſen Waͤnde durch einen lederhaften Ueberzug gegen allen Reiz geſchuͤtzt ſind. Und dieſes iſt gerade der Fall, wo der furchtſame Arzt durch einen tollkuͤhnen Quackſalber beſchaͤmt wird. Und iſt eben deßwegen auch der Fall, wo der vorſichtiche Arze oft gezwungen iſt, den verwegenen Quackſalber klug nachzuahmen, oder mehr heroiſch zu Werke zu gehen.„ — Bey Mutzer bekam ein ſchon lange Engbruͤſtiger ein ganzes Quentel Meerzwiebelwurzel; darauf folgte ein kaum zu ſtillendes Erbrechen; nachdem aber dieſes durch Arzneien geſtillt war, beklagte ſich der Kranke uͤber Hitze und Jucken der Haut, worauf die Kraͤze wieder erſchien. — Sollte mir der Fall §. 95. Nro. 3. wieder vorkommen, ſo naͤhme ich nicht den gering- ſten Anſtand, Sydenhams fluͤſſiges Ludanum Quen- telweis einzuſchuͤtten. — Und, wenn meine Vermu- thung S. 590. gegruͤndet iſt, daß die wahre Waſſer- ſcheuc nichts anders als der hoͤchſte Grad der naͤmli- chen Krankheit ſeye, ſo darf man auch hoffen, daß dieſes bisher ſo widerſpenſtige Uebel ebenfalls mit Mohnſaft, den man aber in ungeheuren Gaben, viel- leicht zu mehrern Quentchen darreichen muͤſte, geheilt werden koͤnne. Clerc ſagt ſehr wahr, daß wir mehr ſpezifiſche Mittel haben wuͤrden, wenn wir die Ga- ben

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/706>, abgerufen am 27.04.2024.