Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

ab. In der gefährlichen Blatternepidemie, welche
wir im Spätjahre 1790. in Wien gehabt haben, und
die durch eine besondere Neigung zu Versetzungen gro-
ße Verheerung unter den Kindern anrichtete, ist mir
auch bey den bedenklichsten Zufällen, von allen denen
keines gestorben, denen ich entweder gleich anfänglich
eine wunde Stelle gemacht und erhalten, oder aber
erst bey annähernder Gefahr ein scharfes Blasenpfla-
ster über den ganzen Bauch gelegt hatte, wodurch ei-
ner großen Menge Krankheitsmaterie der Ausgang
verschaffet wurde.

§. 82.

Die Fälle, wo gröbere Unreinigkeiten, welche
die Kräfte sehr oft bis zur Betäubung und zum Schlag-
fluß zerstöhren, durch Brech- und Purgiermittel weg-
geschafft werden müßen, obschon der Kranke kaum die
geringste Entleerung ertragen zu können scheint, sind
so bekannte und alltägliche Erscheinungen, daß ich nur
sehr weniges davon sagen will. Ist z. B. der Puls
in Unreinigkeitskrankheiten klein, hastig, ungleich,
und sind die übrigen Zeichen von Entkräftung nur zum
Theil zugegen, so liegt die Ursache wahrscheinlicher
Weise nur im Magen und den Gedärmen, und der
Puls hebt sich, sobald diese gereiniget sind. Allein hun-
dert Male kann dieses die Ursache seyn, ohne daß man
ein zuverläßiges Kennzeichen am Pulse haben kann;
daß man also bloß im Zusammenhange mit den vor-
hergehenden und gegenwärtigen Umständen, der Le-
bensart, der herrschenden Epidemie, der Jahrszeit

u.

ab. In der gefaͤhrlichen Blatternepidemie, welche
wir im Spaͤtjahre 1790. in Wien gehabt haben, und
die durch eine beſondere Neigung zu Verſetzungen gro-
ße Verheerung unter den Kindern anrichtete, iſt mir
auch bey den bedenklichſten Zufaͤllen, von allen denen
keines geſtorben, denen ich entweder gleich anfaͤnglich
eine wunde Stelle gemacht und erhalten, oder aber
erſt bey annaͤhernder Gefahr ein ſcharfes Blaſenpfla-
ſter uͤber den ganzen Bauch gelegt hatte, wodurch ei-
ner großen Menge Krankheitsmaterie der Ausgang
verſchaffet wurde.

§. 82.

Die Faͤlle, wo groͤbere Unreinigkeiten, welche
die Kraͤfte ſehr oft bis zur Betaͤubung und zum Schlag-
fluß zerſtoͤhren, durch Brech- und Purgiermittel weg-
geſchafft werden muͤßen, obſchon der Kranke kaum die
geringſte Entleerung ertragen zu koͤnnen ſcheint, ſind
ſo bekannte und alltaͤgliche Erſcheinungen, daß ich nur
ſehr weniges davon ſagen will. Iſt z. B. der Puls
in Unreinigkeitskrankheiten klein, haſtig, ungleich,
und ſind die uͤbrigen Zeichen von Entkraͤftung nur zum
Theil zugegen, ſo liegt die Urſache wahrſcheinlicher
Weiſe nur im Magen und den Gedaͤrmen, und der
Puls hebt ſich, ſobald dieſe gereiniget ſind. Allein hun-
dert Male kann dieſes die Urſache ſeyn, ohne daß man
ein zuverlaͤßiges Kennzeichen am Pulſe haben kann;
daß man alſo bloß im Zuſammenhange mit den vor-
hergehenden und gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden, der Le-
bensart, der herrſchenden Epidemie, der Jahrszeit

u.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0531" n="412"/>
ab. In der gefa&#x0364;hrlichen Blatternepidemie, welche<lb/>
wir im Spa&#x0364;tjahre 1790. in Wien gehabt haben, und<lb/>
die durch eine be&#x017F;ondere Neigung zu Ver&#x017F;etzungen gro-<lb/>
ße Verheerung unter den Kindern anrichtete, i&#x017F;t mir<lb/>
auch bey den bedenklich&#x017F;ten Zufa&#x0364;llen, von allen denen<lb/>
keines ge&#x017F;torben, denen ich entweder gleich anfa&#x0364;nglich<lb/>
eine wunde Stelle gemacht und erhalten, oder aber<lb/>
er&#x017F;t bey anna&#x0364;hernder Gefahr ein &#x017F;charfes Bla&#x017F;enpfla-<lb/>
&#x017F;ter u&#x0364;ber den ganzen Bauch gelegt hatte, wodurch ei-<lb/>
ner großen Menge Krankheitsmaterie der Ausgang<lb/>
ver&#x017F;chaffet wurde.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 82.</head><lb/>
              <p>Die Fa&#x0364;lle, wo gro&#x0364;bere Unreinigkeiten, welche<lb/>
die Kra&#x0364;fte &#x017F;ehr oft bis zur Beta&#x0364;ubung und zum Schlag-<lb/>
fluß zer&#x017F;to&#x0364;hren, durch Brech- und Purgiermittel weg-<lb/>
ge&#x017F;chafft werden mu&#x0364;ßen, ob&#x017F;chon der Kranke kaum die<lb/>
gering&#x017F;te Entleerung ertragen zu ko&#x0364;nnen &#x017F;cheint, &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;o bekannte und allta&#x0364;gliche Er&#x017F;cheinungen, daß ich nur<lb/>
&#x017F;ehr weniges davon &#x017F;agen will. I&#x017F;t z. B. der Puls<lb/>
in Unreinigkeitskrankheiten klein, ha&#x017F;tig, ungleich,<lb/>
und &#x017F;ind die u&#x0364;brigen Zeichen von Entkra&#x0364;ftung nur zum<lb/>
Theil zugegen, &#x017F;o liegt die Ur&#x017F;ache wahr&#x017F;cheinlicher<lb/>
Wei&#x017F;e nur im Magen und den Geda&#x0364;rmen, und der<lb/>
Puls hebt &#x017F;ich, &#x017F;obald die&#x017F;e gereiniget &#x017F;ind. Allein hun-<lb/>
dert Male kann die&#x017F;es die Ur&#x017F;ache &#x017F;eyn, ohne daß man<lb/>
ein zuverla&#x0364;ßiges Kennzeichen am Pul&#x017F;e haben kann;<lb/>
daß man al&#x017F;o bloß im Zu&#x017F;ammenhange mit den vor-<lb/>
hergehenden und gegenwa&#x0364;rtigen Um&#x017F;ta&#x0364;nden, der Le-<lb/>
bensart, der herr&#x017F;chenden Epidemie, der Jahrszeit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">u.</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[412/0531] ab. In der gefaͤhrlichen Blatternepidemie, welche wir im Spaͤtjahre 1790. in Wien gehabt haben, und die durch eine beſondere Neigung zu Verſetzungen gro- ße Verheerung unter den Kindern anrichtete, iſt mir auch bey den bedenklichſten Zufaͤllen, von allen denen keines geſtorben, denen ich entweder gleich anfaͤnglich eine wunde Stelle gemacht und erhalten, oder aber erſt bey annaͤhernder Gefahr ein ſcharfes Blaſenpfla- ſter uͤber den ganzen Bauch gelegt hatte, wodurch ei- ner großen Menge Krankheitsmaterie der Ausgang verſchaffet wurde. §. 82. Die Faͤlle, wo groͤbere Unreinigkeiten, welche die Kraͤfte ſehr oft bis zur Betaͤubung und zum Schlag- fluß zerſtoͤhren, durch Brech- und Purgiermittel weg- geſchafft werden muͤßen, obſchon der Kranke kaum die geringſte Entleerung ertragen zu koͤnnen ſcheint, ſind ſo bekannte und alltaͤgliche Erſcheinungen, daß ich nur ſehr weniges davon ſagen will. Iſt z. B. der Puls in Unreinigkeitskrankheiten klein, haſtig, ungleich, und ſind die uͤbrigen Zeichen von Entkraͤftung nur zum Theil zugegen, ſo liegt die Urſache wahrſcheinlicher Weiſe nur im Magen und den Gedaͤrmen, und der Puls hebt ſich, ſobald dieſe gereiniget ſind. Allein hun- dert Male kann dieſes die Urſache ſeyn, ohne daß man ein zuverlaͤßiges Kennzeichen am Pulſe haben kann; daß man alſo bloß im Zuſammenhange mit den vor- hergehenden und gegenwaͤrtigen Umſtaͤnden, der Le- bensart, der herrſchenden Epidemie, der Jahrszeit u.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/531
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/531>, abgerufen am 25.11.2024.