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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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sollte es auch eine Zugluft seyn, wenn nur kein Aus-
schlag, dessen Zurücktreten gefährlich werden könn-
te, vorhanden ist; spielten sie nicht mit den Gaben der
vegetabilischen sowohl, als der mineralischen Säuren;
nähmen sie ihnen die Bettdecken weg; hüteten sie sich
vor den reitzenden, hitzigen Arzneyen, u. s. w., so
würden sie einsehen, daß man dieser Art Vollsaftig-
keit ganz anderst, als durch Entleerung abhelfen kann.

§. 75.

Selbst in den wahren Entzündungskrankheiten
ist diese falsche Vollblütigkeit eine alltägliche, theils
freywillige, theils erkünstelte Erscheinung.

Freywillig, bey schwächlichen, empfindsamen,
besonders durch vorhergegangene häufige Aderlässen
reizbar gemachten Leuten -- Bey Frauenzimmern,
die eine hochrothe Gesichtsfarbe, den Zeitfluß alle
vierzehn Tage oder drey Wochen, und sehr reichlich
haben; nach jedesmaliger Gemüthsbewegung, aber be-
sonders, wenn eine Neigung zu Krämpfen oder eine
besondere Schärfe im Körper vorhanden ist. In die-
sen Fällen hab ich oft augenblicklich theils durch Zer-
streuung, theils durch einige Tropfen des schmerzstil-
lenden Hoffmannischen Geistes eine solche Aufwallung
der Säfte gehoben, daß ich selbst, wenn ich nicht
auf die vorhergegangenen Umstände, oder auf das Tem-
perament des Kranken gesehen hätte, aus der gegen-
wärtigen Lage unmöglich eine andere Anzeige, als zu
Blutlässen hätte machen können. Der Aderschlag z.
B. ist außerordentlich hart; einige Theile des Körpers

glü-

ſollte es auch eine Zugluft ſeyn, wenn nur kein Aus-
ſchlag, deſſen Zuruͤcktreten gefaͤhrlich werden koͤnn-
te, vorhanden iſt; ſpielten ſie nicht mit den Gaben der
vegetabiliſchen ſowohl, als der mineraliſchen Saͤuren;
naͤhmen ſie ihnen die Bettdecken weg; huͤteten ſie ſich
vor den reitzenden, hitzigen Arzneyen, u. ſ. w., ſo
wuͤrden ſie einſehen, daß man dieſer Art Vollſaftig-
keit ganz anderſt, als durch Entleerung abhelfen kann.

§. 75.

Selbſt in den wahren Entzuͤndungskrankheiten
iſt dieſe falſche Vollbluͤtigkeit eine alltaͤgliche, theils
freywillige, theils erkuͤnſtelte Erſcheinung.

Freywillig, bey ſchwaͤchlichen, empfindſamen,
beſonders durch vorhergegangene haͤufige Aderlaͤſſen
reizbar gemachten Leuten — Bey Frauenzimmern,
die eine hochrothe Geſichtsfarbe, den Zeitfluß alle
vierzehn Tage oder drey Wochen, und ſehr reichlich
haben; nach jedesmaliger Gemuͤthsbewegung, aber be-
ſonders, wenn eine Neigung zu Kraͤmpfen oder eine
beſondere Schaͤrfe im Koͤrper vorhanden iſt. In die-
ſen Faͤllen hab ich oft augenblicklich theils durch Zer-
ſtreuung, theils durch einige Tropfen des ſchmerzſtil-
lenden Hoffmanniſchen Geiſtes eine ſolche Aufwallung
der Saͤfte gehoben, daß ich ſelbſt, wenn ich nicht
auf die vorhergegangenen Umſtaͤnde, oder auf das Tem-
perament des Kranken geſehen haͤtte, aus der gegen-
waͤrtigen Lage unmoͤglich eine andere Anzeige, als zu
Blutlaͤſſen haͤtte machen koͤnnen. Der Aderſchlag z.
B. iſt außerordentlich hart; einige Theile des Koͤrpers

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[489/0508] ſollte es auch eine Zugluft ſeyn, wenn nur kein Aus- ſchlag, deſſen Zuruͤcktreten gefaͤhrlich werden koͤnn- te, vorhanden iſt; ſpielten ſie nicht mit den Gaben der vegetabiliſchen ſowohl, als der mineraliſchen Saͤuren; naͤhmen ſie ihnen die Bettdecken weg; huͤteten ſie ſich vor den reitzenden, hitzigen Arzneyen, u. ſ. w., ſo wuͤrden ſie einſehen, daß man dieſer Art Vollſaftig- keit ganz anderſt, als durch Entleerung abhelfen kann. §. 75. Selbſt in den wahren Entzuͤndungskrankheiten iſt dieſe falſche Vollbluͤtigkeit eine alltaͤgliche, theils freywillige, theils erkuͤnſtelte Erſcheinung. Freywillig, bey ſchwaͤchlichen, empfindſamen, beſonders durch vorhergegangene haͤufige Aderlaͤſſen reizbar gemachten Leuten — Bey Frauenzimmern, die eine hochrothe Geſichtsfarbe, den Zeitfluß alle vierzehn Tage oder drey Wochen, und ſehr reichlich haben; nach jedesmaliger Gemuͤthsbewegung, aber be- ſonders, wenn eine Neigung zu Kraͤmpfen oder eine beſondere Schaͤrfe im Koͤrper vorhanden iſt. In die- ſen Faͤllen hab ich oft augenblicklich theils durch Zer- ſtreuung, theils durch einige Tropfen des ſchmerzſtil- lenden Hoffmanniſchen Geiſtes eine ſolche Aufwallung der Saͤfte gehoben, daß ich ſelbſt, wenn ich nicht auf die vorhergegangenen Umſtaͤnde, oder auf das Tem- perament des Kranken geſehen haͤtte, aus der gegen- waͤrtigen Lage unmoͤglich eine andere Anzeige, als zu Blutlaͤſſen haͤtte machen koͤnnen. Der Aderſchlag z. B. iſt außerordentlich hart; einige Theile des Koͤrpers gluͤ-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/508>, abgerufen am 21.11.2024.