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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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und die Magengegend freyer wird. -- Ist die Stun-
de der Geburt da, so wird das Thier ängstig, fühlt
einen unwiderstehlichen Drang, sich einen bequemen
Ort zu suchen, der den noch unbekannten Jungen
Schutz und Sicherheit gebe. -- Auch bey unsern Wei-
bern habe ich zuweilen gesehen, daß dieser schmerz-
hafte Zeitpunkt zuerst die Liebe zur Frucht recht leb-
haft erweckt habe, vielleicht, um theils die Geburts-
schmerzen zu erleichtern, theils sie desto sicherer zur
Vorsorge für den künftigen Säugling zu bestimmen.
Bald wird der Bauch unter gewaltsamen Stöhnen
der Hündin in eine harte, runde, höckerichte Ku-
gel zusammengeengt, und die in der Scheide fühlbare
Wasserblase zeigt so wie beym Weibe, daß alles Be-
streben auf den Ausgang dieser Theile gerichtet sey;
sobald das Junge die Scheide gewaltsam erweitert,
so preßet der Schmerz der Hündin ein klägliches, fei-
nes Winseln, und unseren Müttern, besonders den
Erstgebährenden, nicht selten ein durchdringendes Ge-
schrey aus; das Junge erscheint mit dem Kopfe, und
tritt so wie das Kind zwischen dem After und der
Harnblase in die Welt. Nun hat die Natur die Hün-
din gelehrt, ihr Junges von den Häuten zu befreyen,
die Nabelschnur abzubeißen, die Nachgeburt mit Lust
aufzuzehren, und das winselnde, nach Luft schnappen
de Junge von dem klebrichten Schmutze mittelst des fleis-
sigen Leckens zu reinigen -- alles was Vernunft und
Erfahrung den Menschen auf eine andere Art mit glei-
chem Erfolge thun heißen; und das Kind fängt an
zu athmen, und kündigt sein Daseyn mit einem schwa-

chen

und die Magengegend freyer wird. — Iſt die Stun-
de der Geburt da, ſo wird das Thier aͤngſtig, fuͤhlt
einen unwiderſtehlichen Drang, ſich einen bequemen
Ort zu ſuchen, der den noch unbekannten Jungen
Schutz und Sicherheit gebe. — Auch bey unſern Wei-
bern habe ich zuweilen geſehen, daß dieſer ſchmerz-
hafte Zeitpunkt zuerſt die Liebe zur Frucht recht leb-
haft erweckt habe, vielleicht, um theils die Geburts-
ſchmerzen zu erleichtern, theils ſie deſto ſicherer zur
Vorſorge fuͤr den kuͤnftigen Saͤugling zu beſtimmen.
Bald wird der Bauch unter gewaltſamen Stoͤhnen
der Huͤndin in eine harte, runde, hoͤckerichte Ku-
gel zuſammengeengt, und die in der Scheide fuͤhlbare
Waſſerblaſe zeigt ſo wie beym Weibe, daß alles Be-
ſtreben auf den Ausgang dieſer Theile gerichtet ſey;
ſobald das Junge die Scheide gewaltſam erweitert,
ſo preßet der Schmerz der Huͤndin ein klaͤgliches, fei-
nes Winſeln, und unſeren Muͤttern, beſonders den
Erſtgebaͤhrenden, nicht ſelten ein durchdringendes Ge-
ſchrey aus; das Junge erſcheint mit dem Kopfe, und
tritt ſo wie das Kind zwiſchen dem After und der
Harnblaſe in die Welt. Nun hat die Natur die Huͤn-
din gelehrt, ihr Junges von den Haͤuten zu befreyen,
die Nabelſchnur abzubeißen, die Nachgeburt mit Luſt
aufzuzehren, und das winſelnde, nach Luft ſchnappen
de Junge von dem klebrichten Schmutze mittelſt des fleiſ-
ſigen Leckens zu reinigen — alles was Vernunft und
Erfahrung den Menſchen auf eine andere Art mit glei-
chem Erfolge thun heißen; und das Kind faͤngt an
zu athmen, und kuͤndigt ſein Daſeyn mit einem ſchwa-

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[31/0050] und die Magengegend freyer wird. — Iſt die Stun- de der Geburt da, ſo wird das Thier aͤngſtig, fuͤhlt einen unwiderſtehlichen Drang, ſich einen bequemen Ort zu ſuchen, der den noch unbekannten Jungen Schutz und Sicherheit gebe. — Auch bey unſern Wei- bern habe ich zuweilen geſehen, daß dieſer ſchmerz- hafte Zeitpunkt zuerſt die Liebe zur Frucht recht leb- haft erweckt habe, vielleicht, um theils die Geburts- ſchmerzen zu erleichtern, theils ſie deſto ſicherer zur Vorſorge fuͤr den kuͤnftigen Saͤugling zu beſtimmen. Bald wird der Bauch unter gewaltſamen Stoͤhnen der Huͤndin in eine harte, runde, hoͤckerichte Ku- gel zuſammengeengt, und die in der Scheide fuͤhlbare Waſſerblaſe zeigt ſo wie beym Weibe, daß alles Be- ſtreben auf den Ausgang dieſer Theile gerichtet ſey; ſobald das Junge die Scheide gewaltſam erweitert, ſo preßet der Schmerz der Huͤndin ein klaͤgliches, fei- nes Winſeln, und unſeren Muͤttern, beſonders den Erſtgebaͤhrenden, nicht ſelten ein durchdringendes Ge- ſchrey aus; das Junge erſcheint mit dem Kopfe, und tritt ſo wie das Kind zwiſchen dem After und der Harnblaſe in die Welt. Nun hat die Natur die Huͤn- din gelehrt, ihr Junges von den Haͤuten zu befreyen, die Nabelſchnur abzubeißen, die Nachgeburt mit Luſt aufzuzehren, und das winſelnde, nach Luft ſchnappen de Junge von dem klebrichten Schmutze mittelſt des fleiſ- ſigen Leckens zu reinigen — alles was Vernunft und Erfahrung den Menſchen auf eine andere Art mit glei- chem Erfolge thun heißen; und das Kind faͤngt an zu athmen, und kuͤndigt ſein Daſeyn mit einem ſchwa- chen

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/50>, abgerufen am 24.04.2024.