werden; der männliche Hund, der sich bisher schüch- tern mit eingezogenem Schwanze seines Gleichen nä- herte, stellt sich um den 10--12 Monat seines Alters, wo er Mannskraft zu fühlen anfängt, dreist unter sie hin, rümpft die Lippen, bleckt die Zähne und die Haare sträuben sich auf dem steifen Nacken. -- Der Jüngling wird von den Reizen des Mädchens gerührt, und nur sie kann seinen Hang zur Schwermuth und Einsamkeit verscheuchen; der Hund unterscheidet jezt die Spur der Hündin, und zeichnet sie mit Liebkosun- gen aus. Die Hündin wird um die Zeit ihrer Reife und annähernden Fruchtbarkeit gegen die übrigen ihres Ge- schlechts bissig; das Mädchen, so bisher am Glück ihrer Gespielinnen herzlichen Theil nahm, fängt an unduldsam zu werden, und leidet, wenn fremde Reize besungen werden. Der Mann ist überall, wo Männer nicht Wei- ber sind, der angreifende Theil, und dem Weibe ist von der Natur und von der Gesellschaft die Pflicht auferlegt, durch die ersten Verweigerungen die Triebe des Mannes zu erhöhen; ist der Begattungstrieb bey der Hündin rege, so achtet der Hund kein Murren und kein Beißen, ver- folgt sie bis zur Ermüdung, kämpft wie ein Mann mit hastigem Muthe gegen den Nebenbuhler, dem die lü- sterne Hündin selten ganz gleichgültig begegnet, obschon sie allerdings einen begünstigenden Unterschied macht. Erst dann, wenn jene schmierige, blutige Feuchtigkeit die Scheide nimmer benetzet, lohnt sie die Beharrlich- keit ihres Freyers -- Auch dem Menschen sollte die- ser Zeitpunkt heilig seyn, denn auch das Weib sehnt sich da am meisten nach der Umarmung, die jezt am
leich-
werden; der maͤnnliche Hund, der ſich bisher ſchuͤch- tern mit eingezogenem Schwanze ſeines Gleichen naͤ- herte, ſtellt ſich um den 10—12 Monat ſeines Alters, wo er Mannskraft zu fuͤhlen anfaͤngt, dreiſt unter ſie hin, ruͤmpft die Lippen, bleckt die Zaͤhne und die Haare ſtraͤuben ſich auf dem ſteifen Nacken. — Der Juͤngling wird von den Reizen des Maͤdchens geruͤhrt, und nur ſie kann ſeinen Hang zur Schwermuth und Einſamkeit verſcheuchen; der Hund unterſcheidet jezt die Spur der Huͤndin, und zeichnet ſie mit Liebkoſun- gen aus. Die Huͤndin wird um die Zeit ihrer Reife und annaͤhernden Fruchtbarkeit gegen die uͤbrigen ihres Ge- ſchlechts biſſig; das Maͤdchen, ſo bisher am Gluͤck ihrer Geſpielinnen herzlichen Theil nahm, faͤngt an unduldſam zu werden, und leidet, wenn fremde Reize beſungen werden. Der Mann iſt uͤberall, wo Maͤnner nicht Wei- ber ſind, der angreifende Theil, und dem Weibe iſt von der Natur und von der Geſellſchaft die Pflicht auferlegt, durch die erſten Verweigerungen die Triebe des Mannes zu erhoͤhen; iſt der Begattungstrieb bey der Huͤndin rege, ſo achtet der Hund kein Murren und kein Beißen, ver- folgt ſie bis zur Ermuͤdung, kaͤmpft wie ein Mann mit haſtigem Muthe gegen den Nebenbuhler, dem die luͤ- ſterne Huͤndin ſelten ganz gleichguͤltig begegnet, obſchon ſie allerdings einen beguͤnſtigenden Unterſchied macht. Erſt dann, wenn jene ſchmierige, blutige Feuchtigkeit die Scheide nimmer benetzet, lohnt ſie die Beharrlich- keit ihres Freyers — Auch dem Menſchen ſollte die- ſer Zeitpunkt heilig ſeyn, denn auch das Weib ſehnt ſich da am meiſten nach der Umarmung, die jezt am
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werden; der maͤnnliche Hund, der ſich bisher ſchuͤch-
tern mit eingezogenem Schwanze ſeines Gleichen naͤ-
herte, ſtellt ſich um den 10—12 Monat ſeines Alters,
wo er Mannskraft zu fuͤhlen anfaͤngt, dreiſt unter ſie
hin, ruͤmpft die Lippen, bleckt die Zaͤhne und die
Haare ſtraͤuben ſich auf dem ſteifen Nacken. — Der
Juͤngling wird von den Reizen des Maͤdchens geruͤhrt,
und nur ſie kann ſeinen Hang zur Schwermuth und
Einſamkeit verſcheuchen; der Hund unterſcheidet jezt
die Spur der Huͤndin, und zeichnet ſie mit Liebkoſun-
gen aus. Die Huͤndin wird um die Zeit ihrer Reife und
annaͤhernden Fruchtbarkeit gegen die uͤbrigen ihres Ge-
ſchlechts biſſig; das Maͤdchen, ſo bisher am Gluͤck ihrer
Geſpielinnen herzlichen Theil nahm, faͤngt an unduldſam
zu werden, und leidet, wenn fremde Reize beſungen
werden. Der Mann iſt uͤberall, wo Maͤnner nicht Wei-
ber ſind, der angreifende Theil, und dem Weibe iſt von
der Natur und von der Geſellſchaft die Pflicht auferlegt,
durch die erſten Verweigerungen die Triebe des Mannes zu
erhoͤhen; iſt der Begattungstrieb bey der Huͤndin rege,
ſo achtet der Hund kein Murren und kein Beißen, ver-
folgt ſie bis zur Ermuͤdung, kaͤmpft wie ein Mann mit
haſtigem Muthe gegen den Nebenbuhler, dem die luͤ-
ſterne Huͤndin ſelten ganz gleichguͤltig begegnet, obſchon
ſie allerdings einen beguͤnſtigenden Unterſchied macht.
Erſt dann, wenn jene ſchmierige, blutige Feuchtigkeit
die Scheide nimmer benetzet, lohnt ſie die Beharrlich-
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ſich da am meiſten nach der Umarmung, die jezt am
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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