Seite zu setzen, und sich blos an eine angemessene Lebensordnung zu halten, wodurch die Natur unter- stützt, und die Verdauung kräftig begünstigt wird.
Selbst Hippokrates hielt sich in langwierigen Krankheiten vorzüglich an die Lebensordnung, an Bäder, Reiben u. d. gl. und an sehr wenige Mit- tel. Das Klügste, was man in hartnäckigen unheil- bar scheinenden Uebeln thun kann, sagt Planchon, ist, daß man sie der Natur überlasse; denn obschon sie in mancher Rücksicht ganz träge zu seyn scheint, so ermannt sie sich doch manchmal, und erhält ein Geschöpf, welches wir mit fruchtlosen Heilmitteln, indem wir die Natur im Zaume gehalten hatten, wahr- scheinlich würden zu Grunde gerichtet haben. Dieses that er bey einem Lungensüchtigen, der schon weit in der zweyten Stufe vorgerückt war, mit glücklichem Erfolge. Der Kranke hatte schon über zwey Jahre seifenartige, auflösende Mittel ohne andern Nutzen gebraucht, als daß die Fortschritte des Uebels aufge- halten wurden. Er ließ ihn jezt blos eine angemes- sene Lebensordnung beobachten. Die Brust wurde nicht schlimmer, und die Gesundheit wurde in so weit hergestellet, daß ihn der Husten nur noch in der Frü- he belästigte, wobey er eine leimichte, eiterförmige Materie auswarf. Die Wetterveränderungen verur- sachten ihm manchmal eine Engbrüstigkeit; übrigens aß er von allem, was ihm vorkam, ohne die gering- ste Ungelegenheit. Obschon er an Fleisch nicht zu- nahm, so befand sich doch der Kranke, als Plan- chon dieses schrieb, schon beynahe zwölf Jahre in
dem
Seite zu ſetzen, und ſich blos an eine angemeſſene Lebensordnung zu halten, wodurch die Natur unter- ſtuͤtzt, und die Verdauung kraͤftig beguͤnſtigt wird.
Selbſt Hippokrates hielt ſich in langwierigen Krankheiten vorzuͤglich an die Lebensordnung, an Baͤder, Reiben u. d. gl. und an ſehr wenige Mit- tel. Das Kluͤgſte, was man in hartnaͤckigen unheil- bar ſcheinenden Uebeln thun kann, ſagt Planchon, iſt, daß man ſie der Natur uͤberlaſſe; denn obſchon ſie in mancher Ruͤckſicht ganz traͤge zu ſeyn ſcheint, ſo ermannt ſie ſich doch manchmal, und erhaͤlt ein Geſchoͤpf, welches wir mit fruchtloſen Heilmitteln, indem wir die Natur im Zaume gehalten hatten, wahr- ſcheinlich wuͤrden zu Grunde gerichtet haben. Dieſes that er bey einem Lungenſuͤchtigen, der ſchon weit in der zweyten Stufe vorgeruͤckt war, mit gluͤcklichem Erfolge. Der Kranke hatte ſchon uͤber zwey Jahre ſeifenartige, aufloͤſende Mittel ohne andern Nutzen gebraucht, als daß die Fortſchritte des Uebels aufge- halten wurden. Er ließ ihn jezt blos eine angemeſ- ſene Lebensordnung beobachten. Die Bruſt wurde nicht ſchlimmer, und die Geſundheit wurde in ſo weit hergeſtellet, daß ihn der Huſten nur noch in der Fruͤ- he belaͤſtigte, wobey er eine leimichte, eiterfoͤrmige Materie auswarf. Die Wetterveraͤnderungen verur- ſachten ihm manchmal eine Engbruͤſtigkeit; uͤbrigens aß er von allem, was ihm vorkam, ohne die gering- ſte Ungelegenheit. Obſchon er an Fleiſch nicht zu- nahm, ſo befand ſich doch der Kranke, als Plan- chon dieſes ſchrieb, ſchon beynahe zwoͤlf Jahre in
dem
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0433"n="414"/>
Seite zu ſetzen, und ſich blos an eine angemeſſene<lb/>
Lebensordnung zu halten, wodurch die Natur unter-<lb/>ſtuͤtzt, und die Verdauung kraͤftig beguͤnſtigt wird.</p><lb/><p>Selbſt <hirendition="#fr">Hippokrates</hi> hielt ſich in langwierigen<lb/>
Krankheiten vorzuͤglich an die Lebensordnung, an<lb/>
Baͤder, Reiben u. d. gl. und an ſehr wenige Mit-<lb/>
tel. Das Kluͤgſte, was man in hartnaͤckigen unheil-<lb/>
bar ſcheinenden Uebeln thun kann, ſagt <hirendition="#fr">Planchon</hi>,<lb/>
iſt, daß man ſie der Natur uͤberlaſſe; denn obſchon<lb/>ſie in mancher Ruͤckſicht ganz traͤge zu ſeyn ſcheint,<lb/>ſo ermannt ſie ſich doch manchmal, und erhaͤlt ein<lb/>
Geſchoͤpf, welches wir mit fruchtloſen Heilmitteln,<lb/>
indem wir die Natur im Zaume gehalten hatten, wahr-<lb/>ſcheinlich wuͤrden zu Grunde gerichtet haben. Dieſes<lb/>
that er bey einem Lungenſuͤchtigen, der ſchon weit in<lb/>
der zweyten Stufe vorgeruͤckt war, mit gluͤcklichem<lb/>
Erfolge. Der Kranke hatte ſchon uͤber zwey Jahre<lb/>ſeifenartige, aufloͤſende Mittel ohne andern Nutzen<lb/>
gebraucht, als daß die Fortſchritte des Uebels aufge-<lb/>
halten wurden. Er ließ ihn jezt blos eine angemeſ-<lb/>ſene Lebensordnung beobachten. Die Bruſt wurde<lb/>
nicht ſchlimmer, und die Geſundheit wurde in ſo weit<lb/>
hergeſtellet, daß ihn der Huſten nur noch in der Fruͤ-<lb/>
he belaͤſtigte, wobey er eine leimichte, eiterfoͤrmige<lb/>
Materie auswarf. Die Wetterveraͤnderungen verur-<lb/>ſachten ihm manchmal eine Engbruͤſtigkeit; uͤbrigens<lb/>
aß er von allem, was ihm vorkam, ohne die gering-<lb/>ſte Ungelegenheit. Obſchon er an Fleiſch nicht zu-<lb/>
nahm, ſo befand ſich doch der Kranke, als <hirendition="#fr">Plan-<lb/>
chon</hi> dieſes ſchrieb, ſchon beynahe zwoͤlf Jahre in<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dem</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[414/0433]
Seite zu ſetzen, und ſich blos an eine angemeſſene
Lebensordnung zu halten, wodurch die Natur unter-
ſtuͤtzt, und die Verdauung kraͤftig beguͤnſtigt wird.
Selbſt Hippokrates hielt ſich in langwierigen
Krankheiten vorzuͤglich an die Lebensordnung, an
Baͤder, Reiben u. d. gl. und an ſehr wenige Mit-
tel. Das Kluͤgſte, was man in hartnaͤckigen unheil-
bar ſcheinenden Uebeln thun kann, ſagt Planchon,
iſt, daß man ſie der Natur uͤberlaſſe; denn obſchon
ſie in mancher Ruͤckſicht ganz traͤge zu ſeyn ſcheint,
ſo ermannt ſie ſich doch manchmal, und erhaͤlt ein
Geſchoͤpf, welches wir mit fruchtloſen Heilmitteln,
indem wir die Natur im Zaume gehalten hatten, wahr-
ſcheinlich wuͤrden zu Grunde gerichtet haben. Dieſes
that er bey einem Lungenſuͤchtigen, der ſchon weit in
der zweyten Stufe vorgeruͤckt war, mit gluͤcklichem
Erfolge. Der Kranke hatte ſchon uͤber zwey Jahre
ſeifenartige, aufloͤſende Mittel ohne andern Nutzen
gebraucht, als daß die Fortſchritte des Uebels aufge-
halten wurden. Er ließ ihn jezt blos eine angemeſ-
ſene Lebensordnung beobachten. Die Bruſt wurde
nicht ſchlimmer, und die Geſundheit wurde in ſo weit
hergeſtellet, daß ihn der Huſten nur noch in der Fruͤ-
he belaͤſtigte, wobey er eine leimichte, eiterfoͤrmige
Materie auswarf. Die Wetterveraͤnderungen verur-
ſachten ihm manchmal eine Engbruͤſtigkeit; uͤbrigens
aß er von allem, was ihm vorkam, ohne die gering-
ſte Ungelegenheit. Obſchon er an Fleiſch nicht zu-
nahm, ſo befand ſich doch der Kranke, als Plan-
chon dieſes ſchrieb, ſchon beynahe zwoͤlf Jahre in
dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/433>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.