Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Richtigkeit der Hippokratischen Lehren hat
eine mehr als zweytausendjährige Erfahrung bestät-
tigt; der Grund davon liegt in den schon angeführ-
ten Grundsätzen; sie sollen aber in der Zukunft noch
deutlicher bestimmt und anschaulicher dargestellt wer-
den.

Von den Kräften in langwierigen Krankheiten.
§. 49.

In Rücksicht der Natur und Entstehung der
langwierigen Krankheiten hat Sydenham folgendes
vorgetragen: die langwierigen Krankheiten, wenn sie
nicht erblich sind, entstehen gewöhnlicher Weise davon,
daß die Säfte des Körpers nicht gehörig durchgearbei-
tet sind. Denn wenn die Lebenskräfte sehr geschwächt,
und entweder durch das Alter, oder durch starke und
anhaltende Fehler in dem Gebrauche der sogenannten
sechs nicht natürlichen Dinge, vornehmlich aber durch
Unordnungen und Ausschweifungen im Essen und Trin-
ken gleichsam abgenutzt worden sind; oder wenn die
absondernden Gefäße so geschwächt worden sind, daß
sie sich nicht länger im Stande befinden, die ihnen ei-
gentlich bestimmte Verrichtung zu vollbringen, und das
Blut zu reinigen, und die überflüssigen Theile aus
demselben abzuführen; so pflegt sich in allen diesen
Fällen eine größere Menge von Säften anzuhäufen,
als durch die Kräfte der Natur verdauet und durch-
gearbeitet werden kann. Diese Säfte aber erleiden
durch ihren langen Aufenthalt in den Gefäßen ver-

schie-

Die Richtigkeit der Hippokratiſchen Lehren hat
eine mehr als zweytauſendjaͤhrige Erfahrung beſtaͤt-
tigt; der Grund davon liegt in den ſchon angefuͤhr-
ten Grundſaͤtzen; ſie ſollen aber in der Zukunft noch
deutlicher beſtimmt und anſchaulicher dargeſtellt wer-
den.

Von den Kraͤften in langwierigen Krankheiten.
§. 49.

In Ruͤckſicht der Natur und Entſtehung der
langwierigen Krankheiten hat Sydenham folgendes
vorgetragen: die langwierigen Krankheiten, wenn ſie
nicht erblich ſind, entſtehen gewoͤhnlicher Weiſe davon,
daß die Saͤfte des Koͤrpers nicht gehoͤrig durchgearbei-
tet ſind. Denn wenn die Lebenskraͤfte ſehr geſchwaͤcht,
und entweder durch das Alter, oder durch ſtarke und
anhaltende Fehler in dem Gebrauche der ſogenannten
ſechs nicht natuͤrlichen Dinge, vornehmlich aber durch
Unordnungen und Ausſchweifungen im Eſſen und Trin-
ken gleichſam abgenutzt worden ſind; oder wenn die
abſondernden Gefaͤße ſo geſchwaͤcht worden ſind, daß
ſie ſich nicht laͤnger im Stande befinden, die ihnen ei-
gentlich beſtimmte Verrichtung zu vollbringen, und das
Blut zu reinigen, und die uͤberfluͤſſigen Theile aus
demſelben abzufuͤhren; ſo pflegt ſich in allen dieſen
Faͤllen eine groͤßere Menge von Saͤften anzuhaͤufen,
als durch die Kraͤfte der Natur verdauet und durch-
gearbeitet werden kann. Dieſe Saͤfte aber erleiden
durch ihren langen Aufenthalt in den Gefaͤßen ver-

ſchie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0426" n="407"/>
            <p>Die Richtigkeit der Hippokrati&#x017F;chen Lehren hat<lb/>
eine mehr als zweytau&#x017F;endja&#x0364;hrige Erfahrung be&#x017F;ta&#x0364;t-<lb/>
tigt; der Grund davon liegt in den &#x017F;chon angefu&#x0364;hr-<lb/>
ten Grund&#x017F;a&#x0364;tzen; &#x017F;ie &#x017F;ollen aber in der Zukunft noch<lb/>
deutlicher be&#x017F;timmt und an&#x017F;chaulicher darge&#x017F;tellt wer-<lb/>
den.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#b">Von den Kra&#x0364;ften in langwierigen Krankheiten.</hi><lb/>
§. 49.</head><lb/>
            <p>In Ru&#x0364;ck&#x017F;icht der Natur und Ent&#x017F;tehung der<lb/>
langwierigen Krankheiten hat <hi rendition="#fr">Sydenham</hi> folgendes<lb/>
vorgetragen: die langwierigen Krankheiten, wenn &#x017F;ie<lb/>
nicht erblich &#x017F;ind, ent&#x017F;tehen gewo&#x0364;hnlicher Wei&#x017F;e davon,<lb/>
daß die Sa&#x0364;fte des Ko&#x0364;rpers nicht geho&#x0364;rig durchgearbei-<lb/>
tet &#x017F;ind. Denn wenn die Lebenskra&#x0364;fte &#x017F;ehr ge&#x017F;chwa&#x0364;cht,<lb/>
und entweder durch das Alter, oder durch &#x017F;tarke und<lb/>
anhaltende Fehler in dem Gebrauche der &#x017F;ogenannten<lb/>
&#x017F;echs nicht natu&#x0364;rlichen Dinge, vornehmlich aber durch<lb/>
Unordnungen und Aus&#x017F;chweifungen im E&#x017F;&#x017F;en und Trin-<lb/>
ken gleich&#x017F;am abgenutzt worden &#x017F;ind; oder wenn die<lb/>
ab&#x017F;ondernden Gefa&#x0364;ße &#x017F;o ge&#x017F;chwa&#x0364;cht worden &#x017F;ind, daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich nicht la&#x0364;nger im Stande befinden, die ihnen ei-<lb/>
gentlich be&#x017F;timmte Verrichtung zu vollbringen, und das<lb/>
Blut zu reinigen, und die u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Theile aus<lb/>
dem&#x017F;elben abzufu&#x0364;hren; &#x017F;o pflegt &#x017F;ich in allen die&#x017F;en<lb/>
Fa&#x0364;llen eine gro&#x0364;ßere Menge von Sa&#x0364;ften anzuha&#x0364;ufen,<lb/>
als durch die Kra&#x0364;fte der Natur verdauet und durch-<lb/>
gearbeitet werden kann. Die&#x017F;e Sa&#x0364;fte aber erleiden<lb/>
durch ihren langen Aufenthalt in den Gefa&#x0364;ßen ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chie-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407/0426] Die Richtigkeit der Hippokratiſchen Lehren hat eine mehr als zweytauſendjaͤhrige Erfahrung beſtaͤt- tigt; der Grund davon liegt in den ſchon angefuͤhr- ten Grundſaͤtzen; ſie ſollen aber in der Zukunft noch deutlicher beſtimmt und anſchaulicher dargeſtellt wer- den. Von den Kraͤften in langwierigen Krankheiten. §. 49. In Ruͤckſicht der Natur und Entſtehung der langwierigen Krankheiten hat Sydenham folgendes vorgetragen: die langwierigen Krankheiten, wenn ſie nicht erblich ſind, entſtehen gewoͤhnlicher Weiſe davon, daß die Saͤfte des Koͤrpers nicht gehoͤrig durchgearbei- tet ſind. Denn wenn die Lebenskraͤfte ſehr geſchwaͤcht, und entweder durch das Alter, oder durch ſtarke und anhaltende Fehler in dem Gebrauche der ſogenannten ſechs nicht natuͤrlichen Dinge, vornehmlich aber durch Unordnungen und Ausſchweifungen im Eſſen und Trin- ken gleichſam abgenutzt worden ſind; oder wenn die abſondernden Gefaͤße ſo geſchwaͤcht worden ſind, daß ſie ſich nicht laͤnger im Stande befinden, die ihnen ei- gentlich beſtimmte Verrichtung zu vollbringen, und das Blut zu reinigen, und die uͤberfluͤſſigen Theile aus demſelben abzufuͤhren; ſo pflegt ſich in allen dieſen Faͤllen eine groͤßere Menge von Saͤften anzuhaͤufen, als durch die Kraͤfte der Natur verdauet und durch- gearbeitet werden kann. Dieſe Saͤfte aber erleiden durch ihren langen Aufenthalt in den Gefaͤßen ver- ſchie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/426
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/426>, abgerufen am 26.11.2024.